Köln – Wie gewaltig der Unterschied zwischen den großen Spieleentwicklern mit ihren überbordenden Messeständen und den kleinen, unabhängigen Studios in der ruhigeren Halle 10.2 der Kölner Messe ist, wird in dem Moment bewusst, in dem Kevin Glaaps Mutter am Gamescom-Stand ihres Sohnes steht. Stolz blickt sie auf das Werk des 28-Jährigen, der mit seinem Kollegen Zein Okko (29) das Bonner Studio Goodwolf bildet, das auf der Messe das Spiel "Code 7" ausstellt. Unvorstellbar wäre es schließlich, dass am Nintendo-Stand die Mutter des Super-Mario-Erfinders Shigeru Miyamoto steht, den Journalisten stolz die Hand schüttelt und nicht aufhören kann zu lächeln.
Bei den kleinen, noch nicht so bekannten Spielestudios ist zwar alles nicht ganz so professionell wie bei den großen, dafür aber auch herzlicher, unkomplizierter und glaubhafter. Glaap und Okko haben einige Quadratmeter der Indie Arena Booth untergemietet, einem Gemeinschaftsprojekt unabhängiger Entwickler, das seit einigen Jahren immer weiter wächst. Mehr als 80 Spiele werden hier auf rund 1000 Quadratmetern gezeigt.
Im vergangenen Jahr zahlten Glaap und Okko 1500 Euro für einen kleinen Platz, an dem sie eine Spielstation aufstellen konnten. Dieses Jahr sind sie größer aufgestellt, 3500 Euro kostet sie eine Ecke. Bezahlt haben sie das von den 75 000 Euro Preisgeld, mit dem sie in diesem Jahr beim Deutschen Computerspielpreis für "Code 7" in der Kategorie "Bestes Jugendspiel" ausgezeichnet wurden.
Entstanden ist die textbasierte Science-Fiction-Dystopie während des Masterstudiums am Cologne Game Lab, das als Institut der Technischen Hochschule in Köln untergeordnet ist. Im Jahr 2015 haben Glaap und Okko während eines Seminars im Studiengang "Game Developing & Research" eine Woche Zeit, einen Prototypen für ein narratives Spiel zu programmieren. Schon auf dem Weg nach Hause entwickeln die beiden Bonner ihre Vision: "Science-Fiction-Horror, der in deinem Kopf passiert", nennt Okko es heute. Bewusst entscheiden sie sich gegen dominierende grafische Elemente, obwohl die Form des Text-Abenteuers doch eigentlich von gestern zu sein scheint. Die Story des Spiels: Der Hauptcharakter ist Hacker in einer Raumstation und gibt über eine Textkonsole einer Kollegin Anweisungen, wie man entkommt. Im Computersystem der Station ist ein Virus ausgebrochen, den es aufzuhalten gilt.
"In der Nacht vor der Abgabe haben wir noch die Dialoge aufgenommen und überhaupt nicht geschlafen", sagt Okko. Bei der Präsentation am Morgen sind die Kommilitonen fasziniert, der Professor rät, "Code 7: Episode 0" kostenfrei im Netz zu veröffentlichen. Die jungen Entwickler folgen dem Ratschlag und sind erfolgreich, bekommen etliche positive Rezensionen. Sie wollen weitermachen und sammeln in der Folge 16 000 Euro per Crowdfunding ein, um professionelle Synchronsprecher zu engagieren. Mit ihnen haben sie auch die Fortsetzung "Episode 1" produziert, die sie jetzt auf der Gamescom zeigen. Eine gute Entscheidung: "Wir dachten, unser Spiel sei zu nerdig, aber es spricht viele an." Es ist zugleich ihre Masterarbeit. Drei weitere Episoden sollen im kommenden Jahr erscheinen, jede von ihnen mit drei bis vier Stunden Spielzeit. Beim Spieledienst "Steam" sind alle zusammen für 17 Euro verfügbar. Als junge Entwickler ohne große Rücklagen wissen sie: Sobald das Preisgeld ausgegeben ist, werden sie auf eigenen Beinen stehen müssen. Ein Risiko, das sie für ihren Traumberuf gerne eingehen.