Der Bonner David Schirrmacher hat mit Selbstbindern großen Erfolg
Bonn – Vermutlich hat David Schirrmacher diese Geschichte schon Dutzende Male erzählt. Als er gefragt wird, wie er eigentlich auf die Idee gekommen ist, Fliegen zum Selbstbinden verkaufen zu wollen, gibt er nicht selbst die Antwort, sondern fragt eine zufällig anwesende junge Mitarbeiterin, wie das eigentlich war. Annika Mehmeti kennt die Geschichte natürlich: "Du wolltest in Wiesbaden auf einen Wohltätigkeitsball, suchtest dafür eine Fliege zum Selbstbinden und hast keine gefunden."
Genau so war das, bestätigt der 25-jährige Schirrmacher, im Gespräch im Sitz seines Unternehmens am Bonner Markt, direkt neben dem Alten Rathaus. "In Geschäften fand ich nur sehr teure, für 130 Euro aufwärts. Das wollte ich nicht bezahlen. Und online war nichts zu finden." Jedenfalls in Deutschland nicht.
Der Bonner Schirrmacher, damals noch Management-Student an der privaten EBS Universität für Wirtschaft und Recht im hessischen Oestrich-Winkel, machte in der Zeit ein Praktikum bei der Deutschen Bahn und war, vorsichtig formuliert, dabei nicht recht ausgelastet. Also nutzte er die Zeit anders, investierte 1000 Euro in Selbstbinder aus China, gründete den Online-Shop "A Gentleman's Ones" (zu deutsch etwa: "Dinge für den Gentleman"), verkaufte die Fliegen für 20 Euro pro Stück und hatte nach drei Monaten 6000 Euro eingenommen. "Da wusste ich: Es gibt da eine Liebhabergruppe, die sowas sucht. Ich habe aber auch gesehen, was für schöne Sachen, mit denen sich der Mann kleiden kann, eigentlich noch fehlen."
Vier Jahre später trägt er im Gespräch bis auf die Jeans nur Kleidung der eigenen Marke: Sandfarbene Tassel-Loafer, rosafarbene Socken, ein Maßhemd mit einem ganz leichten rosafarbenen Stich, ein hellblaues Tartan-Check-Sakko, natürlich auch maßgeschneidert, und eine mintfarbene Grenadine-Krawatte. Der Jung-Unternehmer benannte seinen Online-Shop im November 2014 in Von Floerke um, der Familiennamen seiner Vorfahren mütterlicherseits.
Eine Marke war geboren, aber der Durchbruch kam mit Schirrmachers Auftritt in der Vox-Gründershow "Höhle der Löwen", drei Monate später. Dem jungen Fliegen-Vermarkter gelang es, drei Investoren von seiner Idee zu überzeugen und Startkapital in sechsstelliger Höhe zu erhalten. "Anschließend war ich 15 Mal bei allen möglichen TV-Sendern. Stefan Raab hat unsere Fliege als Challenge selbst gebunden. Ich habe so sehr viel PR übers Fernsehen bekommen."
Werbung, die auf fruchtbaren Boden fiel. Junge Männer wie Schirrmacher, angefixt auch durch US-Serien wie "Suits" oder "Mad men", die einen Anzugschick der 50er und 60er Jahre zelebrieren, sind die wichtigste Zielgruppe.
Die neue Bekanntheit verhalf Schirrmachers Online-Marke zu steigenden Absatzzahlen. Zudem nahmen Warenhäuser wie Kaufhof und Herrenausstatter wie Anson's seine Fliegen in ihr Sortiment auf. Doch die Geschäftsidee des jungen Unternehmers ist nicht einfach nur, schicke Fliegen, Krawatten, Socken, Einstecktücher und seit einiger Zeit auch Schuhe sowie Hemden und Anzüge nach Maß zu verkaufen.
"Wir haben gesehen, dass es oft an der guten Beratung scheitert. Die Kunden gehen trotzdem nicht besser angezogen aus den Geschäften. Wenn also unsere Mission ist: »Männer ziehen sich wieder besser an. Wir machen Deutschland schick«, dann müssen wir das in unserem eigenen Umfeld machen." Statt auf die Fashion Week nach Berlin zu fahren wie 2016 eröffnete Schirrmacher Mitte 2017 seinen ersten eigenen Shop auf der Mittelstraße in Köln.
Schirrmacher ist sich des Risikos bewusst, das er eingeht. Der klassische Laufkunde wird in den deutschen Innenstädten immer seltener. Deshalb setzt er auf besondere Veranstaltungen, um die Kundschaft in seine Geschäfte zu holen. Das Geschäft in Köln laufe "überraschend gut", so Schirrmacher. Dem Shop in Köln folgten zwei weitere Neueröffnungen in Düsseldorf und Münster. Ziel sind weitere zehn bis zwölf Geschäftseröffnungen in den kommenden zwei Jahren. Den Umsatz seines Labels konnte Schirrmacher jährlich jeweils vervier- bis -fünffachen. Das Unternehmen mit 50 Mitarbeitern sei "sehr profitabel".
Herstellen lässt er seine Fliegen und Hemden bisher in China, die Schuhe kommen aus der Lombardei, die Socken aus Baden-Württemberg. Dabei legt er Wert darauf, dass er sich die Unternehmen, in denen seine Ware gefertigt wird, alle selbst angesehen hat, die Arbeitsbedingungen für die Arbeiter in den chinesischen Fabriken also nicht gegen internationale Grundsätze verstoßen. Sein ehrgeiziges Ziel ist es aber, die Fertigung nach Deutschland zu holen, wie das mit den ersten Fliegen und Krawatten inzwischen gelungen sei. Dafür hat der Bonner 2017 Edsor Kronen erworben, die Leipziger Manufaktur für Krawatten, Schleifen, Maßanzüge, Hemden und Schals. „Das mit der Produktion in Deutschland ist fast die ehrgeizigere Mission als das mit den zehn Stores. Aber bei der Sockenproduktion hat es uns ja auch schon keiner geglaubt, das wir das schaffen."