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Interview mit IHK-Präsident„Köln leidet unter Klüngel-Reflex“

Lesezeit 4 Minuten
IHK-Präsident Dr Werner Görg

IHK Präsident Werner Görg spricht im Interview über die Stadtwerke-Affäre, den Kohleausstieg und das Dieselfahrverbot.

Köln – Werner Görg, geboren 1957 in Neuwied, ist Aufsichtsratschef der Versicherung Gothaer und leitet die Roland Rechtsschutz Beteiligungs GmbH. Der promovierte Jurist stand von 2001 bis 2014 als Vorstandschef an der Spitze der Gothaer und ist seit 2003 Mitglied der IHK-Vollversammlung.

Herr Görg, wie fällt Ihr Blick auf 2018 aus?

Es war ein gutes Jahr, ein Jahr der Selbstreinigung. Dabei denke ich insbesondere an die Stadtwerke-Affäre. Eine entschlossen agierende Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat dafür gesorgt, dass ein langfristiger Image- und Standortschaden abgewandt wurde.

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Inwiefern?

Für Köln gilt immer ein latenter Klüngelverdacht. Was in anderen Städten kein großes Aufsehen erregt, da wird in Köln heute schnell mit dem gestreckten Zeigefinger die Stimme erhoben – eine Art Klüngel-Reflex. Da hilft nur der Blick über den Tellerrand. Und damit meine ich eine gelebte Corporate Governance. Die Stadtwerke sind heute eine GmbH und daher strukturiert wie eine normale Kapitalgesellschaft. Das heißt konkret auch, dass dort die Regeln einer normalen Kapitalgesellschaft gelten müssen, und dass trotz der Tatsache, dass dort Kommunalpolitiker am Tisch sitzen.

Was meinen Sie damit konkret?

Damit meine ich, dass es keine kurzfristigen Tischvorlagen mehr geben darf. Überlegte Entscheidungen sind mit so etwas, also vollkommen ohne jede Vorbereitung, nicht möglich.

Wie bewerten Sie die fachliche Expertise, wenn auf der einen Seite 50 Prozent Arbeitnehmervertreter sitzen, und auf der anderen 50 Prozent Kommunalpolitiker?

Die 50 Prozent Arbeitnehmervertreter sind kein Problem. Wichtig sind für alle Mitglieder eines Aufsichtsrats Qualitätskontrollen und eine konsequente Weiterbildung. Rein rechtlich ist die Lage ja einfach. In Kapitalgesellschaften sind Aufsichtsräte allein dem Wohl des Unternehmens verpflichtet und nicht Parteiinteressen. Dazu gehören auch die entsprechenden Haftungsregelungen.

Für wie wahrscheinlich halten Sie es, ein Dieselfahrverbot für die Kölner Innenstadt doch noch abwenden zu können?

Was jetzt formal ansteht ist juristisch eine Berufung, und keinesfalls eine Revision, also die zweite Instanz, eine Revision wäre zweifelsfrei schlechter. Ich bin froh über die Gespräche mit der Bezirksregierung. Wir als Kammer haben unsere Mitgliedsunternehmen aufgefordert, uns Maßnahmen, die konkrete Verbesserungen bei der Luftreinhaltung bringen, zu melden, damit wir sie an die Bezirksregierung weiterleiten und sie in das Berufungsverfahren einfließen.

Außerdem ist die Behandlung der Städte untereinander grundsätzlich unfair. Eine Stadt am Fluss muss wegen des luftbelastenden Schiffsverkehrs anders behandelt werden als andere Orte. Städte mit Mess-Stellen am Clevischen Ring müssen anders behandelt werden als solche, wo die Luftreinheit auf der Höhe der Akropolis gemessen wird.

Blicken wir auf die Debatte über die geplante Ost-West-Achse. Wurde hier eine historische Chance vertan?

Wenn grundsätzlich ein Handlungsbedarf festgestellt wird, ist Verschieben die schlechteste Lösung. Genau das beobachte ich in Köln, wir brauchen für Entscheidungen viel zu lang. Die Ost-West-Achse fügt sich in diese partielle Entscheidungsunfähigkeit ein. Die Ressourcen sind gering und trotzdem macht man nun zwei Planungen, von denen eine auf den Müll geht. Man hat die Chance auf eine schnell realisierte U-Bahn, die die angespannte Verkehrslage entlasten könnte, vertan. Ein ähnliches Muster sehe ich bei der Wirtschaftsförderung.

Inwiefern?

Bei Kaufhof/Karstadt droht die Gefahr, dass die Zentrale nach Essen abwandert. Hier braucht es dringend eine Wirtschaftsförderung, die sich für den Verbleib einsetzt. Und es braucht jemanden, der die Wirtschaftsförderung im Stadtvorstand leitet. Die Position ist seit fast drei Jahren unbesetzt. Und das in einer Zeit, in der Köln wächst, wir Arbeitsplätze brauchen und die Abwanderung von Firmen verhindert werden muss. Das Warten und die unendliche Zähflüssigkeit bei Entscheidungen sind für einen Unternehmer nur schwer erträglich.

Sie haben in einem gemeinsamen Papier mit den IHK-Präsidenten von Aachen und Krefeld einen Landesbeauftragten für den Braunkohleausstieg gefordert. Warum?

Wir erleben in NRW die Folgen des seinerzeitigen Steinkohleausstiegs. Mit Verlaub möchte ich sagen: Da gibt es einige Verbesserungsmöglichkeiten. Daher haben wir als Wirtschaftsvertreter einhellig einen Experten vorgeschlagen.

Minister Pinkwart sieht das als Affront gegen ihn. Er hält sich selbst für zuständig.

Unsere Forderung war kein Affront gegen Wirtschaftsminister Pinkwart. Wir haben eine gute Beziehung zueinander und ich habe von ihm persönlich noch nichts über seinen Ärger gehört. Ich kann, könnte man sagen, nicht mal ein Blatt zwischen uns erkennen.

Der Masterplan Ihres Vorgängers zu Köln Paul Bauwens-Adenauer zur städtebaulichen Entwicklung Köln kommt nicht voran. Lag die Messlatte zu hoch?

Eine Messlatte, bei der nach einigen Jahren alle Ziele erreicht worden sind, wäre wohl eindeutig zu niedrig aufgehängt. Wir werden nun wie geplant den Masterplan dynamisch weiterentwickeln müssen zu einem Masterplan 2.0. Und da sind wir auch auf einem guten Weg.

Im Herbst steht die Wahl des IHK-Präsidenten an. Kandidieren Sie erneut?

Ja, ich stelle mich für eine zweite Amtszeit zur Wahl. Meine Schwerpunkte sind unter anderem Fort- und Weiterbildung.

Rechnen Sie mit Gegenkandidaten oder -Kandidatinnen?

Einer Gegenkandidatur würde ich mich selbstverständlich stellen, das wäre ein ganz normaler demokratischer Prozess.