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Jobabbau bei SchaefflerDiese Standorte in NRW sind betroffen

Lesezeit 5 Minuten
05.11.2024, Bayern, Herzogenaurach: Blick auf die Zentrale des Automobil- und Industriezulieferers Schaeffler in Mittelfranken. Schaeffler kündigt einen Monat nach der Fusion mit Vitesco den Abbau von 4.700 Arbeitsplätzen in Europa an, davon 2.800 in Deutschland. Foto: Pia Bayer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Blick auf die Zentrale des Automobil- und Industriezulieferers Schaeffler in Herzogenaurach, Mittelfranken.

Der deutsche Autozulieferer hat in NRW insgesamt fünf Standorte: in Köln-Ossendorf, Wuppertal, Herzogenrath nahe Aachen, Werdohl im Sauerland sowie Steinhagen bei Bielefeld. Einem könnte das Aus drohen.

Die Krise der Automobilindustrie in Deutschland fordert weitere Stellenstreichungen. Der Zulieferer Schaeffler, eines der weltweit zehn größten Unternehmen der Branche, will massiv Personal reduzieren. Das Unternehmen mit Sitz im fränkischen Herzogenaurach kündigte den Abbau von 4700 Arbeitsplätzen in Europa an, davon 2800 in Deutschland. Das entspreche rund 3,1 Prozent des gesamten Personalbestandes. Allerdings werden auch einige Stellen innerhalb Europas oder ins nicht-europäische Ausland verlagert, sodass der Zulieferer von einem Nettoabbau von 3700 Stellen spricht.

Betroffen sind zehn Standorte in Deutschland und fünf weitere in Europa. Zwei der fünf europäischen Standorte sollen ganz geschlossen werden. In Deutschland seien vor allem die großen Standorte Herzogenaurach, Schweinfurt, Regensburg und Homburg (Saar) betroffen. Allein in Schweinfurt, wo ein Werk in ein anderes aufgehen soll, könnten nach Angaben des Betriebsrates - zusammen mit bereits vorher angekündigten, aber noch nicht umgesetzten Maßnahmen - rund 700 Stellen wegfallen. Ein Werk in China soll ganz gestrichen werden, der Standort im niedersächsischen Hameln könnte bald verkauft werden.

Fünf Standorte in NRW

In NRW betreibt Schaeffler insgesamt fünf Standorte: in Köln-Ossendorf, Wuppertal, Herzogenrath nahe Aachen, Werdohl im Sauerland sowie Steinhagen bei Bielefeld. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ liegen die Zahlen der Beschäftigten in den Niederlassungen im kleinen bis mittleren zweistelligen Bereich – mit Ausnahme von Steinhagen, wo noch knapp 300 Menschen hauptsächlich Gelenklager für unterschiedliche industrielle Anwendungen fertigen.

Es ist der einzige Standort, dem wohl Einschnitte drohen. Hier sei „die Ausarbeitung eines Zukunftskonzepts mit den Arbeitnehmervertretern vereinbart, um gemeinsam Optionen für die Zukunft des Standorts zu erarbeiten“, heißt es von Schaeffler. Nach Angaben der Gewerkschaft IG Metall ist das Werk massiv gefährdet. Das Unternehmen ließ hingegen detaillierte Nachfragen zu NRW und dem Werk Steinhagen bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.

Die Schaeffler Produktion in Wuppertal wurde schon Ende 2022 zum allergrößten Teil geschlossen. Der Standort sei zu teuer und werde in andere Werke des Schaeffler-Konzerns in China, Rumänien und Schweinfurt verlagert. Von der Sparmaßnahme waren gut 700 Arbeitsplätze betroffen. Erhalten blieben lediglich 25 Beschäftigte, die nun in Wuppertal Wälzlager aufbereiten.

Die deutsche Autoindustrie steckt in einer tiefgreifenden Krise. Die jüngsten Verwerfungen bei VW, wo Werksschließungen oder ein Aufkündigen der Beschäftigungssicherung längst keine Tabus mehr zu sein scheinen, sind dabei nur Symptome für die Schwierigkeiten in Deutschlands Schlüsselindustrie. Die weltweit schwache Konjunktur und damit auch die Absatzschwäche im größten Markt China setzt der Branche ebenso hart zu wie die hohen Kosten der Transformation zur Elektromobilität und der Einbruch des Verkaufs von reinen Stromern. Hinzu kommt die erstarkende Konkurrenz aus Fernost.

Zahlreiche Jobs in NRW auf der Kippe

Und so bringt die derzeitige Lage beinahe täglich neue Hiobsbotschaften – auch bei den Zulieferern. Branchenschwergewichte wie ZF Friedrichshafen, Continental oder Brose denken über Personalabbau nach. Im Sommer hatte etwa ZF angekündigt, dass bis zu 14.000 Arbeitsplätze deutschlandweit wegfallen sollen. Das betrifft auch den Entwicklungsstandort in Düsseldorf-Heerdt. Dort soll jeder siebte der 670 Beschäftigten versetzt werden, freiwillig gehen oder Altersteilzeit nehmen.

Wegen der schwierigen Situation will in NRW auch der Zulieferer Muhr und Bender (Mubea) bis Ende 2025 rund 300 Stellen abbauen. Betroffen davon ist laut einer Unternehmenssprecherin die Firmenzentrale in Attendorn. Mubea hat deutschlandweit 5000 Mitarbeitende und sechs Standorte. Das Unternehmen beliefert als Leichtbauspezialist vor allem die Autoindustrie, ist aber auch im Luftfahrtsektor tätig.

Auch bei der Firma Bilstein in Hagen stehen 250 bis 300 Arbeitsplätze auf der Kippe. Der Automobilzulieferer und Spezialist für Ersatzteile steckt in der Krise – ebenso wie Adient. Die Firma, einer der größten Autositze-Hersteller weltweit, hat angekündigt, am Standort Burscheid 155 von 800 Stellen zu streichen. Der Standort in Solingen-Merscheid soll der Ankündigung zufolge wohl ganz geschlossen werden. Etwa 100 Beschäftigte würden dort ihre Arbeit verlieren.

Der Kölner Autobauer Ford hat bereits in den vergangenen Jahren tausende Stellen abgebaut. Vor fünf Jahren entfielen mehr als 5400 Stellen in Deutschland – davon rund 4000 in Köln. Das nächste Sparpaket kam dann bereits 2023. Insgesamt 2300 Stellen sollen bis Ende 2025 in Köln abgebaut werden: 1700 von damals 3900 im Entwicklungszentrum und 600 von 3400 in der Verwaltung. Im zweiten deutschen Ford-Werk in Saarlouis läuft Ende 2025 der Bau des Modells Focus aus. Die Produktion mit ehemals 4500 Mitarbeitern wird geschlossen. Und weitere Einschnitte könnten folgen.

Schaeffler steht wirtschaftlich gut da

Bei Schaeffler soll der Jobabbau in den Jahren 2025 bis 2027 umgesetzt werden. Ab 2029 sollen so 290 Millionen Euro pro Jahr eingespart werden. 75 Millionen Euro davon stünden im Zusammenhang mit der Fusion mit Vitesco. Schaeffler hatte erst vor wenigen Wochen den Elektroantriebsspezialisten aus Regensburg geschluckt und war damit zu einem der weltweit zehn größten Unternehmen der Zulieferbranche mit insgesamt rund 120.000 Mitarbeitern aufgestiegen. „Das Programm ist in der aktuellen Umfeldlage notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schaeffler-Gruppe langfristig zu sichern. Wir werden es sozialverträglich und mit Augenmaß umsetzen“, sagte Schaeffler-Vorstandschef Klaus Rosenfeld.

Dabei geht es dem Unternehmen wirtschaftlich vergleichsweise gut. Die Umsätze stiegen in den ersten neun Monaten währungsbereinigt um ein Prozent auf 12,23 Milliarden Euro. Auch in der Autosparte ging es währungsbereinigt um 0,2 Prozent nach oben - vor allem wegen weiterer Auftragseingänge in der E-Mobilität. Vor Sondereffekten, Zinsen und Steuern stand ein Gewinn von 713 Millionen für die ersten neun Monate zu Buche, nach 964 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Betriebsrat und Gewerkschaft kündigten Widerstand an. Die Maßnahmen seien nicht verhältnismäßig, sagte der Konzernbetriebsratsvorsitzende Uli Schöpplein. Die Abbaupläne in der Automobildivision setzten ein fatales Zeichen.

Die Gewerkschaft IG Metall verlangte von der Unternehmensführung, andere Möglichkeiten auszuloten. „Ich fordere das Unternehmen auf, mit der Arbeitnehmerseite Gespräche über Alternativen zum Stellenabbau aufzunehmen“, sagte Bezirksleiter Horst Ott.