Arbeitsrechtler Stefan Seitz berät Großunternehmen in Krisensituationen. Im Interview spricht über die Lehren aus zwei Galeria-Insolvenzen und seinem Mandat bei der Lufthansa.
Kölner Arbeitsrechtler Seitz„Die beiden Galeria-Insolvenzen hatten nichts miteinander zu tun“
Stefan Seitz ist Arbeitsrechtler. Seine Kanzlei mit Sitz in Köln expandiert nach Frankfurt und München, in Düsseldorf ist sie bereits vertreten. Zu seinen Mandanten gehören der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof, die Lufthansa oder Opel.
Herr Seitz, Ihr Mandant war das, was man heute Galeria Karstadt Kaufhof nennt. Zwei Insolvenzen in kürzester Zeit. Was lief schief?
Stefan Seitz: Gar nichts lief in den Insolvenzverfahren schief. Beide Insolvenzen wurden höchst professionell durch namhafte Insolvenzverwalter und das erfahrene Management von Galeria abgewickelt. Die beiden Insolvenzen haben allerdings nichts miteinander zu tun. Bei der ersten ging es um die Folgen der Corona-Pandemie. Die damit verbundenen Auflagen und Auswirkungen für den Einzelhandel waren eine Katastrophe.
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Und bei der zweiten Insolvenz?
Galeria hatte grundsätzlich genug Eigenkapital aus der ersten Insolvenz für das in der Gläubigerversammlung verabschiedete Zukunftskonzept. Dann kam der Rückschlag durch den Ukraine-Krieg und die Energiekrise. Der gut aufgestellte Plan konnte nicht mehr ohne Weiteres umgesetzt werden. Der Staat musste einspringen, das war eine völlig neue Situation in einer anderen Dimension. Auch dieser Fall hat gezeigt: Das relativ neue Verfahren der Schutzschirm-Insolvenz klappt besser als ältere Modelle.
Zur Person: Stefan Seitz studierte und promovierte an der Universität zu Köln. Die Kanzlei Seitz gründete der Namenspartner 1997 in Köln. Er berät nationale und internationale Unternehmen sowie bekannte Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Sport in allen Fragen des Arbeitsrechts. Seitz ist im Ehrenamt seit vielen Jahren Präsident des Kölner Tennis- und Hockeyclubs Stadion Rot-Weiss (KTHC).
Warum? Was soll der Bürger unter Schutzschirmverfahren verstehen?
Beim Schutzschirmverfahren in der Insolvenz bleibt das erfahrene Management im Dienst. Die handelnden Personen kennen ihr Geschäft besser als ein bestellter Verwalter. Der Punkt ist auch: Der Plan ist nicht die Zerschlagung des Unternehmens, sondern von vornherein eine Fortführung. Selbstverständlich auch im Interesse der Gläubiger und der Beschäftigten.
Das Management bleibt, aber musste Galeria-Chef Miguel Müllenbach nicht gehen?
Miguel Müllenbach ist weiter im Konzern der Signa aktiv, nur nicht in seiner alten Position.
Wie stehen Sie zu seinem Nachfolger als Galeria-Chef, Olivier van den Bossche?
Ich kenne Olivier van den Bossche schon seit seiner Kaufhof-Zeit sehr gut. Er gilt als geborener und leidenschaftlicher Handelsexperte. Er hat in der Vergangenheit schon mehrfach gezeigt, dass er Warenhaus und Handel kann. René Benko hat auf ihn gesetzt. Zu Recht.
Was war der Preis der beiden Galeria-Insolvenzen, Sie sind Arbeitsrechtler?
Natürlich ist auch ein Jobabbau bei solchen Umstrukturierungen unvermeidbar, am Ende kämpfen wir aber immer für den Fortbestand von Unternehmen und möglichst vieler Arbeitsplätze. Bei Galeria mussten zwar rund 4000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Unter dem Strich konnten aber mehr als 10.000 Arbeitsplätze gerettet werden.
Wie man aus dem Markt hört, waren Sie auch bei Lufthansa aktiv, was sind die Parallelen? Staatsgeld und Krise?
Lufthansa und Galeria sind überhaupt nicht miteinander vergleichbar. Hier ging es ausschließlich um die Folgen der Corona-Pandemie. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Gemeinsam mit Arbeitnehmervertretern und Gewerkschaften konnten bekanntlich Lösungen gefunden werden, ohne dass eine einzige betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werden musste. Das Lufthansa-Management hat offenbar alles richtig gemacht und das Unternehmen gut durch die Krise geführt. Und die Staatsgelder sind zurückgezahlt.
Sie haben, auch kein Geheimnis, Opel beraten. Was war anders?
Die Traditionsmarke Opel stand in der Zeit unter General Motors vor großen Herausforderungen. Heute ist Opel wieder eine wertvolle, zukunftsgerichtete Marke. Erst durch die PSA-Übernahme konnte dieses Ziel erreicht werden. Das war eine erfolgreiche Strategie und ein Paradebeispiel, wie intelligente Restrukturierung die Zukunft eines Unternehmens und möglichst viele Arbeitsplätze sichern kann. So gibt es bei Opel heute statt Milliardenverlusten eine vierstellige Gewinnbeteiligung für die Beschäftigten.
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Themen der Zukunft in der Arbeitswelt?
Ganz klar: Der notwendige Wandel zur „Green Economy“ bei gleichzeitigem Fachkräftemangel und gestiegenen Energiepreisen, nicht zuletzt in der Automobilindustrie. Aber auch Post-Merger-Integrationen, die Veränderungen durch die digitale Arbeitswelt und Compliance-/ESG-Themen werden eine große Rolle in unseren rechtlich und politisch komplexen Großprojekten spielen. Mehr denn je ist die Arbeitswelt im Umbruch.