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Ford-Betriebsratschef über Stellenabbau„Ford in Köln ist wohl am stärksten betroffen“

Lesezeit 7 Minuten
Martin Hennig Ford Köln Betriebsratschef

Ford-Betriebsratschef Martin Hennig im Kölner Werk.

  1. Da Köln die meisten Mitarbeiter von Ford Europa hat, rechnet Martin Hennig mit einem hohen Stellenabbau.
  2. Im Interview spricht Betriebsratschef Martin Henning über den Stellenabbau bei Ford-Europa, schwere Management-Fehler und die Zukunft am Standort Köln.

KölnHerr Hennig, Ford hat harte Einschnitte in Europa angekündigt, tausende Stellen sollen wegfallen, ein Werk in Frankreich wird geschlossen. Wie groß ist die Verunsicherung in der Belegschaft?

Martin Henning: Wir gehen ja schon seit Anfang des vergangenen Jahres durch ein Tal der Tränen. Ford-US-Chef Jim Hackett hat bereits damals klare Botschaften formuliert, wie etwa das Ziel einer Ebit-Marge von sechs Prozent. Das hat für sehr viel Unruhe gesorgt. Jetzt gibt es zwar einen offiziellen Restrukturierungsplan, aber was das konkret im Detail bedeutet, ist nach wie vor unklar. Wo aber die Perspektive ist, darauf bekommen wir bislang weder eine Antwort aus Europa noch aus den USA.

An welchen europäischen Standorten müssen die Befürchtungen besonders groß sein?

Das ist im Moment noch schwer zu sagen. Ford in Köln ist einer der größten Standorte. Hier sitzt die Deutschland- und die Europazentrale, die Produktentwicklung, der Einkauf, zentrale Buchhaltung oder das Rechnungswesen sowie viele Bereiche aus Service und Fertigung. Die Standorte in Valencia, Rumänien oder Saarlouis dagegen sind reine Montage-Werke. In Großbritannien haben wir das gesamte Segment Antriebstränge, also Getriebe und Motoren. Wenn es um den Abbau von Arbeitsplätzen geht, dann ist Köln wohl am stärksten betroffen. Wir sind mit 18.000 Mitarbeitern die größte Einheit.

Zur Person

Martin Hennig ist 59 Jahre alt und arbeitet seit 1975 bei Ford. Er machte eine Ausbildung zum Werkzeugmacher beim Kölner Autobauer. In dieser Zeit wurde er bereits zum Jugendvertreter gewählt.

Seit 1984 ist er Mitglied des Betriebsrates. 2013 wurde er Betriebsratsvorsitzender des Kölner Standortes und auch Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats. Martin Hennig ist mittlerweile auch Vorsitzender der Arbeitnehmervertretung von Ford in Europa. (cos)

Wie viele Jobs könnten denn in Köln abgebaut werden?

Es wäre zum jetzigen Zeitpunkt unseriös, eine Zahl zu nennen.

Rechnen Sie mit betriebsbedingten Kündigungen?

Wir haben eine Standortsicherungsvereinbarung bis 2022. Bislang hat die Firma betont, dass sie sich daran hält. Aber solcher Vereinbarungen sind nicht in Stein gemeißelt. Was geschieht etwa, wenn sich die Rahmenbedingungen verschlechtern und es einen harten Brexit gibt? Wir verkaufen 30 Prozent unserer Produkte nach Großbritannien.

Ford-Europa-Chef Armstrong hat auch einen kompletten Rückzug aus Europa nach dem Vorbild des Verkaufs von Opel durch General Motors an PSA nicht ausgeschlossen...

Ich habe im vergangenen November mit US-Chef Hackett gesprochen, und er hat betont, dass er an Europa festhält. Aber nicht um jeden Preis! Außerdem ist ein Verkauf schon deshalb ausgeschlossen, weil man im Gegensatz zu Opel gar keine Marke verkaufen kann.

Ist ein Rückzug aus einzelnen Märkten in Europa denkbar?

In Deutschland ist es bislang sehr gut gelaufen, weil wir hierzulande am Verkauf eines Fiesta oder Focus mehr verdienen als etwa in Ländern in Südeuropa. Denn dort müssen die Modelle preiswerter angeboten werden. Wir könnten in Deutschland noch mehr verkaufen, aber aus der Europazentrale hieß es bislang immer, die anderen Märkte müssen auch bedient werden, damit man dort die Marktanteile hält. Jetzt hat endlich ein Umdenken eingesetzt, und Ford nimmt Volumen aus diesen Märkten. Aber warum erst jetzt? Es wird immer erst reagiert, wenn dem Unternehmen das Wasser bis zum Hals steht.

Wird denn jetzt vielleicht spät, aber richtig reagiert?

Es ist grundsätzlich richtig, jetzt alles auf den Prüfstand zu stellen und die strukturellen Themen, die die ganze Branche betreffen, anzugehen. Eines der größten Probleme ist, dass wir die Kosten nicht richtig nachhalten. So wurden beispielsweise einige Bereiche an externe Firmen ausgelagert. Das wurde im Vorfeld einmal durchgerechnet. Ob das aber langfristig günstiger war, wurde nicht weiter verfolgt. Mittlerweile gibt es Bereiche, die sich doppelt und dreifach verteuert haben. Das gesamte Volumen externer Aufträge beläuft sich europaweit auf elf Milliarden Euro. Ich habe den Eindruck, diese Zahlen kennt die Europazentrale nicht einmal. Hier muss die Geschäftsführung zuerst ansetzen, wenn sie von uns Unterstützung in der aktuellen Situation wünscht.

Wo sonst noch?

Jedem sollte klar sein, dass von den gesamten Herstellkosten nur zwölf Prozent auf das Personal entfallen. Der Rest sind Materialkosten, und andere Strukturkosten die teilweise deutlich zu hoch sind.

Warum?

Es wird zu teuer eingekauft. Unsere US-Mutter bekommt bessere Konditionen von globalen Zulieferern als wir als europäische Tochter und kann so eine höhere Gewinnmarge erzielen. Das ist nicht nachvollziehbar und unfair.

Welche weiteren Defizite sehen Sie noch?

Die Arbeitsstruktur im Management muss schlanker und effizienter werden. Es gibt zu viele Ebenen, es werden zu viele Berichte geschrieben und zu viele Meetings abgehalten. Das kostet Arbeitszeit und lähmt Entscheidungsprozesse. Und die Fluktuation ist zu hoch.

Inwiefern?

Wir haben keine Kontinuität in der Europazentrale. Alle drei Jahre wird hier das Management ausgewechselt. Das sind Durchlaufpositionen für Manager auf der Karriereleiter. Deshalb werden strukturelle Themen auch nicht konsequent genug angegangen. Ich bin seit sechs Jahren Betriebsratsvorsitzender und habe in der Zeit schon drei Ford-Europachefs erlebt.

Ford will die Modellpalette überarbeiten und sich stärker auf Nutzfahrzeuge, Pick-ups und SUVs konzentrieren. Ein richtiger Ansatz?

Der Ansatz ist richtig, aber auch hier wurde zu spät reagiert. Das Unternehmen hat die Trends etwa zu Geländewagen (SUV) in seiner Modellpolitik komplett verschlafen. Andere Hersteller sind hier viel weiter.

Der Van C-Max soll eingestellt werden, und insgesamt geht der Trend weg von der Limousine und dem Kleinwagen. Was bedeutet das für die Zukunft von Fiesta und Focus?

Der C-Max ist ein Auslaufmodell und verkauft sich immer schlechter. Eine komplette Überarbeitung würde wirtschaftlich keinen Sinn machen. Wir erwarten, dass dann die eingesparten Investitionen in den Focus fließen. Der läuft sehr gut und hat in Europa eine Zukunft.

Und der Fiesta?

Der Fiesta ist in den Entwicklungskosten sehr viel teurer geworden, als ursprünglich vorgesehen. Er sollte als Weltauto auch auf dem US-Markt verkauft werden. Dann aber entschied das Management, ihn nur noch in Europa anzubieten. Dadurch wurden die Stückzahlen gesenkt und die Entwicklungskosten pro Fahrzeug gingen deutlich nach oben. Aber er läuft in Europa nach wie vor sehr gut – auch im Wettbewerb mit den Modellen anderer Herstellern.

Ford ist eine Kooperation mit dem VW-Konzern eingegangen. Wie bewerten Sie den Schritt?

Grundsätzlich ist die Kooperation, bei der es zuerst einmal um den Bau von Nutzfahrzeugen und Pick-ups geht, richtig und sinnvoll. Viele andere Hersteller arbeiten im Nutzfahrzeuggeschäft zusammen und teilen sich die Entwicklungskosten, alleine ist das langfristig nicht durchzuhalten.

Bei der Elektromobilität will Ford wohl jetzt auch durch die Zusammenarbeit aufholen. Was heißt das für die Entwicklung von Know-how in diesem Segment innerhalb des Konzerns?

Auch bei der E-Mobilität wurde zu lange gewartet. Jetzt sollen zwar demnächst alle Modelle auch als E-Variante, also Hybrid oder reinen Stromer, angeboten werden. Aber bislang spielt Ford Europa bei der Entwicklung keine Rolle, obwohl das vor dem Wechsel an der Konzernspitze mal anders gedacht war. Wir sehen die Gefahr, dass mit der Kooperation das Baukastensystem von Volkswagen übernommen werden könnte und man dann nur noch den Ford-Hut draufsetzt. Dann entwickeln wir im schlimmsten Fall auf dem Feld nichts eigenes mehr.

Köln war mal als Schwerpunkt für E-Mobilität im Gespräch. Wie realistisch ist das jetzt noch?

Köln wäre für die Entwicklung und Fertigung eines Elektro-Fords ideal. Wir sind der richtige Standort, haben alle Facharbeiterbereiche wie Produktentwicklung, Werkzeugbau, Prototypenbau und Montage, sowie das nahe Forschungszentrum von Ford in Aachen. Aber auch hier erwarten wir Perspektiven für eine Zukunft von Ford Europa. Denn eine Restrukturierung funktioniert immer nur mit einer Belegschaft und nie gegen eine Belegschaft.

Ford in Europa

Der US-Autobauer Ford hat insgesamt 24 Standorte in Europa, darunter 16 eigene. Insgesamt 50.000 Mitarbeiter arbeiten für das unternehme, knapp die Hälfte davon in Deutschland. In Köln hat Ford 18.500 Mitarbeiter.

Was wo gebaut wird:

Fordwerke Köln: Hier wird der Fiesta, der europaweit als Erfolgsmodell gilt, gebaut. Am Standort sitzt neben dem Management von Ford Deutschland mit Chef Gunnar Herrmann auch der Vorstand von Ford Europa.

Saarlouis: Focus, C-Max, Grand C-Max Valencia (Spanien): Kuga, Transit Connect, Tourneo Connect, Mondeo, Galaxy, S-Max

Craiova (Rumänien): Eco Sport

Kocael und Eskisehir Inönü (Türkei): Transit, Transit Custom, Tourneo Custom, Transit Courier, Tourneo Courier, Cargo Heavy Truck

St. Petersburg, Elabuga und Naberezhnye Chelny (Russland): Focus, Mondeo Explorer, Kuga, Transit, Fiesta und Eco Sport . (cos, pb)