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Internes Schreiben„Alarmstufe Orange“ beim Kölner Agrarhändler RWZ

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Der Sitz der Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main am Breslauer Platz in Köln

Der Sitz der Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main am Breslauer Platz in Köln.

Laut einem internen Schreiben des Vorstands an die Mitarbeiter herrscht bei der Raiffeisen Waren-Zentrale „Alarmstufe Orange“. Vorstandschef Kempkes versucht nun die Wogen zu glätten.

Die Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main AG (RWZ) wird in diesem Jahr ihr Geschäftsziel verfehlen. Das geht aus einem internen Rundschreiben hervor, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Es herrsche „Alarmstufe Orange“, schreibt RWZ-Vorstandschef Christoph Kempkes an seine Mitarbeiter. Der RWZ-Konzern handelt mit Agrargütern, Kraftstoffen, landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Landmaschinen und Autos (Renault). Die Zentrale ist noch am Breslauer Platz in Köln, an der Rückseite des Hauptbahnhofs. Dort arbeiten rund 300 Beschäftigte von insgesamt 2700 Mitarbeitenden an rund 180 Standorten. Im kommenden Jahr zieht die RWZ nach Marienburg.

„Es hakt zurzeit ziemlich“

„Es hakt zurzeit ziemlich, diese Wahrheit kann ich uns allen leider jetzt nicht mehr ersparen (Alarmstufe orange)“, heißt es in dem Schreiben wörtlich. Der Handel mit Getreide und Ölsaaten verlaufe bislang und wohl auch bis zum Jahresende äußerst mau. Das interne Schreiben stammt aus dem Oktober. „Schwach ist auch die Nachfrage der Winzer im Bereich Weinbau/Kellerei“, heißt es weiter, dort mache man aber im Bereich der internen Zusammenarbeit Fortschritte.

„Stark belastet wird unser Ergebnis durch die Agrartechnik, hier ist zwar der Markt – und entsprechend der Umsatz – für Neumaschinen und Werkstattleistungen noch intakt, aber Kosten und hohe Bestände von Neu/Gebrauchtmaschinen samt korrespondierender Zinsen und notwendigen Wertberichtigungen liegen uns schwer auf der Tasche. Hier müssen wir dringend ran“, schreibt der Vorstandschef.

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Wir werden im Geschäftsjahr 2024 unsere Ziele verfehlen
Christoph Kempkes

Planmäßig liefen hingegen die Geschäftsbereiche Betriebsmittel und Raiffeisenmärkte. Die Sparte Autohaus sei „ebenfalls noch ok“. „Wirklich herausragend ist nur der Bereich Kartoffeln“, heißt es in Schreiben, das sich an Mitarbeiter der RWZ AG und ihrer Tochterunternehmen richtet, abschließend. Den schlechten Nachrichten folgend wird die RWZ in diesem Jahr zum ersten Mal seit acht Jahren ihr Jahresziel verfehlen.

Vorstand äußert sich zum durchgestochenen Schreiben

Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ ordnet der Vorstandsvorsitzende Kempkes die Inhalte des internen Schreibens ein. „Fakt ist, dass der Agrarsektor unter Druck ist – die Stichworte heißen Klimawandel samt entsprechender Wetterturbulenzen, Regulierung und Bürokratie. Daran haben alle zu knacken“, sagte Kempkes am Mittwoch. Die Situation der in Turbulenzen geratenen Baywa aus München „möchte und kann ich auch nicht belastbar kommentieren“, so der Vorstandschef.

Der in einer tiefen Krise steckende Agrarhändler und RWZ-Konkurrent will im Zuge seiner Sanierung 1300 Stellen abbauen. Von den gut 400 Standorten sollen 26 geschlossen, das Auslandsgeschäft durch Verkäufe internationaler Beteiligungen geschrumpft werden. Die Baywa ist unter anderem der größte deutsche Agrarhändler, der Konzern spielt eine bedeutende Rolle für Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung im Süden und Osten Deutschlands.

„Ich kann nur für den RWZ-Konzern sprechen. Hier ist festzuhalten, dass wir – wie viele andere Unternehmen auch – im Geschäftsjahr 2024 unsere ursprünglichen Ziele verfehlen werden“, so Kempkes. Der Vorstand versucht weiterhin, die Wogen nach dem durchgestochenen internen Schreiben zu glätten. „Das entspricht nicht unseren Ambitionen, nagt an mir, ist aber auch kein Drama, zumal wir profitabel bleiben und auf eine deutlich gestärkte Bilanz samt eines sehr auskömmlichen Cash-Bestands blicken. Also, alles solide im Lot“, sagt der Konzernlenker.

Kein pauschaler Stellenabbau

Konkret hatte man für das laufende Jahr einen Vorsteuergewinn von 28,5 Millionen Euro, einen Umsatz von knapp drei Milliarden und einen Jahresüberschuss von 8,8 Millionen Euro prognostiziert. Im vergangenen Jahr hatte man einen Jahresüberschuss von 30,2 Millionen Euro. Kritiker bemängeln, dass dieser nur durch den Verkauf der Konzernzentrale in Köln mit Erlösen von 37,5 Millionen Euro zustande gekommen sei. Rechnet man diesen Vorgang heraus, wäre sogar ein Verlust entstanden.

„Entgegen dem wohl allgemeinen Trend planen wir keinen pauschalen Stellenabbau“, so Kempkes weiter. Das sei auch nicht klug in Anbetracht des Fachkräftemangels und demografischen Wandels. „Trotzdem ist es täglich Brot in Unternehmen, Strukturen, Prozesse und Geschäftsbereiche permanent kritisch zu hinterfragen und auf den Prüfstand zu stellen. In diesem Zusammenhang kommt es naturgemäß immer auch zu punktuellen Personalmaßnahmen – so auch bei uns. Leistungsbereite Leute bleiben aber jederzeit willkommen“, so Kempkes. Gleichzeitig betonte der Vorstandschef, dass jeder Auszubildende, der wolle, nach der Lehre übernommen werde.