Umsiedler können sich entscheiden, ob sie ihre Häuser in den geretteten Dörfern zurückkaufen wollen.
Neue Leitentscheidung zum KohleausstiegNRW-Landesregierung erleichtert Rückkehr in gerettete Dörfer
Die NRW-Landesregierung hat im Kabinett eine neue Leitentscheidung für den vorgezogenen Kohleausstieg des Rheinischen Braunkohlereviers im Jahr 2030 vorgelegt. Das 47 Seiten starke Papier soll die vorherige Leitentscheidung aus dem Jahr 2021 ersetzen. Wesentliche Grundzüge wurden aber übernommen. Die Änderungen beziehen sich vor allem auf die Verkleinerung des Abbaugebiets, das vorgezogene Ende des Tagebaus und den Erhalt von sechs Dörfern und drei Höfen.
Die neue Leitentscheidung wird am Freitag im Düsseldorfer Landtag vorgelegt und diskutiert. Und das sind die wesentlichen Punkte des 47 Seiten starken Papiers:
Neue Abbaugrenzen für den Kohleausstieg 2030
Für die geretteten Dörfer Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich sowie Berverath und den Eggeratherhof, den Roitzerhof und den Weyerhof gilt ein Abstand von mindestens 400 Metern. Für Mönchengladbach-Wanlo und Titz-Jackerath, das zu Garzweiler gehört, gelten grundsätzlich 400 Meter. Für das Dorf Holzweiler sind 500 Meter Mindestabstand vorgeschrieben.
Ende der Umsiedlungen endgültig festgeschrieben
Endgültig festgeschrieben ist das Ende der Umsiedlungen der Menschen, die in den Dörfern und auf den Holzweiler Höfen leben. Das war im Oktober 2022 in der Vereinbarung zwischen dem Bund, dem Land und RWE zum vorzeitigen Kohleausstieg 2030 bereits beschlossen worden. Bis 30. Juni 2026 können sich Menschen, die in den Dörfern leben, entscheiden, ob sie dennoch umsiedeln wollen. Danach endet der „Umsiedlerstatus“.
Das Projekt der Zukunftsdörfer wird fortgeführt
Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich sowie Berverath (Stadt Erkelenz) sollen wie Morschenich (Gemeinde Merzenich im Kreis Düren) zu „Orten der Zukunft“ entwickelt werden. Es sei eine große Herausforderung, die weitgehend unbewohnten Dörfer mit neuem Leben zu füllen, heißt es. Die Landesregierung will ein Förderbudget zur Verfügung stellen.
Ehemaligen Eigentümer, die mit dem Gedanken spielen, in ihre alten Dörfer zurückzukehren, soll eine befristete Vorkaufsoption eingeräumt werden. Das gilt auch für ihre Kinder. Dieses Vorkaufsrecht soll sich auf das frühere, selbstgenutzte Wohneigentum beziehen. Die neue Regelung kommt denjenigen Menschen entgegen, die bereits umgesiedelt sind und nun in ihr altes Haus zurückwollen.
Vorgaben für die Rekultivierung
Die Bergbauflächen sollen „hochwertig rekultiviert“ und der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden. Der Energiekonzern RWE muss die Verfüllung des östlichen Restlochs bis 2030 abgeschlossen haben und ein Konzept zur Wiedernutzung der Flächen vorlegen. Für die Verfüllung soll der Abraum aus den Tagebauen Garzweiler I und II verwendet werden. Die Rekultivierung von Garzweiler ist „so schnell wie möglich nach dem Ende des Tagebaus abzuschließen“.
Reicht das Rheinwasser zur Befüllung der Tagebauseen?
Der geplante Tagebausee Garzweiler soll westlich der A 44 „in kompakter Form, mit großer Tiefe und naturnaher Gestaltung“ entstehen. Die Befüllung soll „möglichst innerhalb von 40 Jahren nach der Auskohlung erfolgt sein“.
Die dafür benötigte erweiterte Transportleitung für das erforderliche Rheinwasser ist politisch umstritten. Die Bedeutung dieser Leitung sei „für die Wasserwirtschaft, die Natur und die Raumentwicklung des Rheinischen Reviers erheblich“, heißt es wörtlich. Ob neben dem Zustrom aus dem wieder ansteigenden Grundwasser aber überhaupt genügend Rheinwasser zur Verfügung steht, um den See innerhalb von 40 Jahren zu befüllen, ist unklar. Man gehe derzeit davon aus. „Inwieweit sich aber der fortschreitende Klimawandel tatsächlich auswirken wird, muss beobachtet werden“, heißt es in der Leitentscheidung.
Der Rheinwasserspiegel muss sich nach einer Vereinbarung mit der Zentralkommission der Rheinschifffahrt vom Dezember 2022 an den Pegelständen ausrichten.
A 61 zwischen Wanlo und Titz-Jackerath wird nicht neu gebaut
Um mehr Platz für neue Siedlungen, Freizeit- und Erholungsräume, den Ausbau erneuerbarer Energien und die Landwirtschaft zu schaffen, wird auf die bisher geplante Wiederherstellung der A 61 zwischen Mönchengladbach-Wanlo und Titz-Jackerath verzichtet. Das vorhandene Autobahnnetz, darunter vor allem die A 46, muss den Verkehr übernehmen. Der Lärm- und Immissionsschutz soll verbessert werden. Überdies wird geprüft, ob sich das Werksbahnnetz von RWE für den öffentlichen Schienennahverkehr und des Güterverkehrs eignet. Die neue Revier-S-Bahn soll für zusätzliche Entlastung sorgen.
Die Reaktionen
Das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ kritisiert, dass RWE jetzt die „finale Erlaubnis“ erhalte, „weitere 280 Millionen Tonnen Braunkohle aus dem Tagebau Garzweiler II zu fördern“, heißt es in einer Presseerklärung. „Diese Leitentscheidung hätte genau so von der alten Landesregierung kommen können. Eine grüne Handschrift kann ich nicht erkennen. Wofür wählt man diese Partei, wenn sie in der Regierung keinen Unterschied macht?“, sagt Antje Bussberg.
Das Bündnis hatte im Beteiligungsverfahren gemeinsam mit dem BUND NRW und weiteren Umweltverbänden gefordert, das östliche Restloch Garzweiler I nicht wie 1997 geplant vollständig zu verfüllen, sondern stattdessen die in einem Gutachten der Landesregierung vorgeschlagene sogenannte Arche-Lösung zu realisieren, bei der große Mengen Abraum eingespart werden könnten.
„Die langen Jahre des Ausharrens sind vorbei. Ab heute kann die Zukunft beginnen“, sagt Patrizia Föhr von der Dörfergemeinschaft Kultur-Energie aus den fünf geretteten Ortschaften. „Angesichts des derzeitigen Wohnungsmangels darf es einfach nicht sein, dass hier intakte Gebäude leer stehen. Viele Häuser und Höfe könnten sofort wieder bewohnt werden. Insbesondere für junge Familien aus Düsseldorf, Köln und Aachen ist es die perfekte Gelegenheit, um stadtnah auf dem Land zu leben“, so Norbert Winzen aus Keyenberg.