Durch Lohndumping und Tarifflucht entgehen den Sozialversicherungen in NRW laut Gewerkschaft jährlich rund 8,8 und den Finanzämtern 5,5 Milliarden Euro.
Nur noch 30 Prozent der NRW-Betriebe mit Tarifvertragr NRW-Betriebe mit Tarifvertrag
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert die schwarz-grüne Landesregierung auf, mehr Engagement zur Stärkung der Tarifbindung zu zeigen und ein neues Tariftreuegesetz auf den Weg zu bringen. Das hätte zur Folge, dass öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben werden, die nach Tarif bezahlen.
„Wir müssen die Tarifflucht und das Lohndumping bekämpfen“, sagte Anja Weber, Vorsitzende des DGB NRW, am Dienstag bei der Vorstellung der Kampagne „Vorfahrt für die Tarifbindung“ in Düsseldorf. Dadurch entgingen den Sozialversicherungen jährlich rund 8,8 Milliarden Euro und dem Fiskus rund 5,5 Milliarden Euro an Einkommensteuer. Die mangelnde Tarifbindung schlage sich auch in der Kaufkraft der Beschäftigten nieder. Bei einer flächendeckenden Tarifbindung hätten die Beschäftigten rund 12,3 Milliarden Euro mehr zur Verfügung.
Landesregierung soll einen Masterplan zur Tariftreue vorlegen
Nach Angaben der Gewerkschaft arbeiteten im Jahr 2021 nur noch 58 Prozent der Beschäftigten im Land mit einem Tarifvertrag. Im Jahr 2000 seien es noch 74 Prozent gewesen, so Weber. Bei den Unternehmen sei der Rückgang noch dramatischer: Wendeten im Jahr 2000 noch 56 Prozent der Betriebe einen Tarifvertrag an, waren es 2021 lediglich 30 Prozent. Der Gehaltsunterschied von Beschäftigten in Betrieben mit und ohne Tarifvertrag liegt in NRW bei knapp 21 Prozent.
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„Wenn nur die Betriebe miteinander verglichen werden, die bezüglich Branche, Größe und Qualifikationsniveau der Beschäftigten sehr ähnlich sind, sind es immer noch neun Prozent Differenz“, so Weber. Bei der Arbeitszeit sei die Lücke ebenfalls groß: Arbeitnehmer ohne Tarifvertrag arbeiten in NRW laut Gewerkschaft durchschnittlich 39,3 Stunden pro Woche und damit knapp eine Stunde länger als Beschäftigte in Betrieben mit Tarifvertrag.
„Gerade in Zeiten, in denen viele Menschen verunsichert sind und auch ökonomisch sorgenvoll in die Zukunft blicken, müssen gute Löhne und Arbeitsbedingungen gestärkt werden. Und das geht nur mit einer starken Tarifbindung“, sagte die DGB-Chefin. „Hier muss auch die NRW-Landesregierung einen Beitrag leisten und einen Masterplan Tariftreue auf den Weg bringen, dessen Herzstück ein Tariftreuegesetz ist. Das bedeutet: Öffentliche Aufträge sollten künftig nur noch an Unternehmen vergeben werden, die nach Tarif bezahlen. Lohndumping mit öffentlichen Mitteln muss endlich ein Ende haben.“
NRW sei früher Vorreiter in Sachen Tariftreue gewesen. „Jetzt haben wir im Wesentlichen nur noch eine Tariftreueregelung für den öffentlichen Personennahverkehr“, so Weber. Dieser Rückgang habe „etwas mit der Zunahme von Leiharbeit, Minijobs und Befristungen zu tun.“ Der Strukturwandel und die Tarifflucht von Unternehmen kämen hinzu. „Das war falsch. Hier muss dringend gegengesteuert werden.“ Beim ÖPNV hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi die Verhandlungen mit den Arbeitgebern für gescheitert erklärt und wird zu einer Urabstimmung über Streiks aufrufen.
Die DGB-Chefin verwies darauf, dass Berlin, das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern in Sachen Tariftreuegesetz an NRW vorbeigezogen sind. „Wir erwarten, dass die Landesregierung Nägel mit Köpfen macht und ein Tariftreuegesetz vorlegt, das seinen Namen verdient.“ Überdies müssten das Land und die Kommunen verpflichtet werden, auch bei ihren Töchtern und Beteiligungsfirmen Tarifverträge anzuwenden.
Die hohen Tarifabschlüsse des vergangenen Jahres in vielen Branchen haben nach Angaben des DGB dazu geführt, dass sich wieder mehr Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisieren wollen. Man habe die Corona-Delle hinter sich gelassen. Bis Ostern will der DGB in vielen Städten mit Verteilaktionen und Osterhasen seine Forderungen aufmerksam machen. Das Motto: „Wenn es nach uns ginge, hätten alle Osterhasen einen Tarifvertrag.“ Am 17. Mai solle es vor der Staatskanzlei in Düsseldorf eine Kundgebung geben.