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Von 450 auf 530 EuroWer sich über die mögliche neue Minijob-Grenze freuen kann

Lesezeit 4 Minuten
Minijob Symbolbild

Viele Gebäudereiniger, Kellnerinnen oder Kassierer sind in einem Minijob beschäftigt.

  1. Die Forderung ist Teil einer Bundesratsinitiative der schwarz-gelben NRW-Regierung und wird kontrovers diskutiert.
  2. Ministerpräsident Laschet und Wirtschaftsminister Pinkwart sagen, die Anhebung sorge dafür, dass bei steigenden Mindestlöhnen nicht immer weniger Stunden gearbeitet werden dürfe.
  3. Doch die Folgen gehen darüber hinaus – eine Analyse der Forderungen und ihrer Konsequenzen.

Köln/Berlin – Geht es nach dem Willen der Landesregierung Nordrhein-Westfalens, wird die Verdienstgrenze für Minijobs von 450 auf 530 Euro pro Monat erhöht. Diese Forderung ist Teil einer Bundesratsinitiative, die am Dienstag von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) in Berlin vorgestellt wurde. Ziel der Initiative, die 48 Vorschläge umfasst und am Freitag in den Bundesrat eingebracht werden soll, ist es, neben Rettungs- und Konjunkturprogrammen zur Bewältigung der Corona-Krise auch ein Programm zum Bürokratieabbau auf den Weg zu bringen. Wie die Forderungen lauten und welche Folgen eine Anhebung der Minijob-Verdienstgrenze – Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Was schlägt die NRW-Landesregierung vor?

Die schwarz-gelbe Regierungskoalition bewirbt ihre Bundesratsinitiative wie auf Landesebene mit markigen Worten und spricht von einem „Entfesselungspaket“.Aus den insgesamt 48 Vorschlägen, die Ministerpräsident Laschet und Wirtschaftsminister Pinkwart Ende der Woche in den Bundesrat einbringen wollen, ragen folgende Kernforderungen heraus:

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Ein „Belastungsmoratorium“ für kleine und mittlere Unternehmen: So soll das geplante Lieferkettengesetz auf den Prüfstand gestellt werden, weil es Unternehmen in der Krise zusätzlich belaste. Dafür nehmen sie ein Herrenoberhemd als Beispiel, das vom Baumwollfeld bis zum Bügel des Käufers etwa 140 Schritte durchlaufe. „Durch das Lieferkettengesetz würde ein deutscher Mittelständler nun für jeden dieser Schritte haften“, heißt es in einer Mitteilung des Wirtschaftsministeriums. Außerdem soll auf neue Abgaben wie etwa eine Vermögens- oder Finanztransaktionssteuer verzichtet werden. Steuererhöhungen sollen unterbleiben.

Neben der Anhebung der Minijob-Verdienstgrenze um 80 Euro wollen Laschet und Pinkwart Unternehmen die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen erleichtern. So soll deren Höchstdauer für die Zeit der Pandemie von zwei auf drei Jahre verlängert werden. Die Bundesratsinitiative enthält zudem Vorschläge zur Beschleunigung von Planungsverfahren bei Infrastrukturprojekten.

Wie begründen Laschet und Pinkwart den Vorstoß auf Bundesebene?

„Fast 90 Prozent aller Investitionen kommen von privaten Unternehmen“, sagte Wirtschaftsminister Pinkwart. „Wenn wir das unternehmerische Potenzial auch in der Krise freisetzen wollen, brauchen wir neben Konjunkturprogrammen unkomplizierte Regelungen und die Entlastung von unnötiger Bürokratie.“

Laschet, Kandidat für den CDU-Vorsitz und NRW-Ministerpräsident, sagte, in der Pandemie gelte es nun darum, „Unternehmen und Bürger von unnötiger Bürokratie zu entlasten“. Die Vorschläge seien „Chancen für mehr dynamische wirtschaftliche Entwicklung, die wir jetzt in Deutschland dringend brauchen“.

Welche Folgen hätte eine Anhebung der Verdienstgrenze bei Minijobs?

Eine Anhebung der Verdienstgrenze bei geringfügigen Beschäftigten von 450 Euro auf 530 Euro sorgt dafür, dass bei steigenden Mindestlöhnen nicht immer weniger Stunden gearbeitet werden dürfen. So sieht es die Landesregierung, und die Wirtschaftsverbände jubeln. „Wir begrüßen ausdrücklich die 48 Punkte des NRW-Antrags. Sie zeigen, dass Politik auch jenseits hoher finanzieller Ausgaben Maßnahmen ergreifen kann, die die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken“, sagt Hubertus Engemann vom Arbeitgeberverband Unternehmer NRW.

Experten sehen aber eine Gefahr für die Altersvorsorge der Minijobber. Haben sie ausschließlich den Minijob, zahlen sie praktisch nichts in die Rentenkasse ein. Und im Falle eines Zweitjobs deutlich weniger, als wenn sie den ersten Job zeitlich ausdehnen würden, sofern das praktisch machbar ist.

Wie reagiert die Opposition in NRW auf die Initiative?

In der Bundesratsinitiative finde sich „nichts Innovatives und nichts Kreatives“, sagte Thomas Kutschaty, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag: „Die Ankurbelung der Nachfrage und Arbeitnehmerrechte bleiben mal wieder auf der Strecke“. Wer in solchen Zeiten für eine Ausweitung von sachgrundlosen Befristungen werbe, setze nicht mehr auf die Heldinnen und Helden des Alltags, so Kutschaty.

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Horst Becker, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, sagt, die Vorschläge lösten „keinesfalls die eigentlichen Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt“. „Wir sollten uns stattdessen auf eine tatsächliche Besserstellung der Arbeitnehmerinnen und -nehmer konzentrieren und Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsformen überführen“, so Becker. Außerdem sei die Ausweitung der sachgrundlosen Befristungen „ein unverhältnismäßig hohes Risiko, das allein von den Arbeitnehmerinnen und -nehmern getragen wird“. Es stelle sich die Frage, wie kontrolliert werden soll, dass nur Unternehmen, die von Corona betroffen sind, davon Gebrauch machen können.