Köln – Die Weihnachtszeit ist eigentlich eine, in der das Geschäft vieler Wirtschaftsbranchen brummt. Die Menschen kaufen Geschenke, im Einzelhandel oder in Form von Gutscheinen für Veranstaltungen, sie verschicken diese Geschenke mit der Post und essen Süßwaren im Übermaß. Manche dieser Unternehmen machen in der Coronakrise derzeit das Geschäft ihres Lebens – während andere massiv von der Insolvenz bedroht sind. Eine Momentaufnahme.
Einzelhandel – offline und online
Über den gebeutelten stationären Einzelhandel ist in diesen Tagen schon viel geschrieben worden. Seit Mittwoch sind die meisten Geschäfte infolge des Lockdowns nun wieder für den regulären Verkauf geschlossen – mitten in der sonst umsatzstärksten Zeit des Jahres. Zwar bieten viele Händler Abhol- und Lieferservices an, das Geschäft retten kann das aber nicht. „Nur knapp die Hälfte unserer Umfrageteilnehmer hat es geschafft, mehr als 40 Prozent des Vorjahresumsatzes sowohl im Wochenverlauf als auch am vierten Adventssamstag zu erzielen“, sagt Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands NRW. Vor allem im Modehandel ist die Situation angespannt – hier sahen sich in einer Umfrage kürzlich drei Viertel aller befragten Händler in ihrer Existenz bedroht.
Im Onlinehandel ist das Wachstum hingegen enorm. Der Branchenverband BEVH vermeldete zuletzt Umsatzsteigerungen von 17,5 Prozent im Weihnachtsgeschäft. Der Zahlungsdienstleister Klarna spricht im Vergleich zum Vorjahr gar von einem um 95 Prozent gewachsenen Transaktionsvolumen. Hiervon dürften vor allem große Onlinehändler profitieren. Für kleine Geschäfte mit stationärem Fokus rechnet sich das Online-Geschäft häufig nicht.
Die Logistik
Wenn die Menschen ihre Weihnachtsgeschenke im Netz kaufen, braucht es jemanden, der sie an ihre Türe bringt. Es überrascht nicht, dass die Paketdienste in diesen Tagen fast wöchentlich Rekordzahlen verkünden. Gerade gab die Deutsche Post bekannt, in der vergangenen Lockdown-Woche mehr als 61 Millionen Paketsendungen verarbeitet zu haben. Damit überbot sie ihren Rekord von 56 Millionen Sendungen – der erst zwei Wochen alt war. Zum Vergleich: In der stärksten Vorjahreswoche wurden 47 Millionen und damit fast 23 Prozent weniger Pakete verschickt. Auch die Post-Konkurrenten DPD und Hermes rechneten zuletzt mit Mengenzuwächsen von bis zu 20 Prozent im Weihnachtsgeschäft.
Süßwarenbranche
Die Branche, die Weihnachtsgebäck produziert, sieht mit gemischten Gefühlen auf das Jahresende 2020. „Der zweite Lockdown hat auch die Weihnachtsstimmung eingetrübt“, sagt Hermann Bühlbecker, Inhaber der Lambertz-Gruppe im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Die Absage der Weihnachtsmärkte, die gesunkenen Frequenzen in den Innenstädten, die sich auch auf die Fachgeschäfte und die Süßwarenabteilungen der Kaufhäuser nachteilig auswirken sowie der Ausfall von Verzehr- und Geschenkanlässen wie Weihnachtsfeiern habe für Umsatzrückgänge gesorgt. Auf der anderen Seite gebe es aber den deutlichen Trend, dass sich die Verbraucher in bitteren Zeiten eben gerne auch etwas Süßes gönnen.
„Verstärkt wird diese Nachfrage noch durch den ,Homing-Trend’ und die Sehnsucht nach Heimeligkeit.“ Die Verkäufe im Lebensmitteleinzelhandel seien entsprechend gut gewesen. „Wir sind nicht euphorisch, aber durchaus optimistisch, dass wir 2020 etwa auf dem Umsatzniveau des Vorjahres abschließen können.“
Energieversorger
„Gänsebratenspritze“ – so nennen Energieversorger den hohen Stromverbrauch in privaten Haushalten rund um Weihnachten. Durch Beleuchtung und Familienessen steigt er in dieser Zeit um bis zu zehn Prozent. Der Absatz an industriellem Strom sinkt in dieser Zeit aber so sehr, dass es den Mehrverbrauch der Haushalte ausgleicht. In diesem Jahr haben die Stromerzeuger zudem Sorge vor einer möglichen Insolvenzwelle, die industrielle Großkunden und in der Folge auch Mittelständler und Privathaushalte treffen könnte.
„Wirtschaftlich rechnet die Rheinenergie nach wie vor damit, ihr Jahresergebnis laut Plan zu erreichen – trotz der Corona-Lage“, sagt Norbert Graefrath, Personalvorstand und Arbeitsdirektor der Rheinenergie auf Anfrage.
Veranstaltungswirtschaft
Die Veranstaltungswirtschaft zählt ohnehin zu den am stärksten betroffenen Branchen in der Pandemie. Allein bis September rechnete der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft infolge der Pandemie mit Umsatzeinbußen von rund vier Milliarden Euro. Darin ist der erneute Lockdown also noch nicht einmal eingerechnet.
Präsident Jens Michow schätzt, dass mindestenes ein Drittel des Branchenumsatzes im vierten Quartal normalerweise auf Weihnachtsgeschenke entfällt. Nenneswerte digitale Ersatzveranstaltungen gebe es derzeit keine. Der Verband fühlt sich von der Politik nicht ausreichend unterstützt: „Die Hilfsprogramme sind zwar beachtlich, aber wenn man tiefer einsteigt und die FAQs (Erläuterungen) der Programme näher studiert, schwinden jedenfalls die bei Veranstaltern*innen insbesondere durch das Angebot der November- und Dezemberhilfen erweckten Hoffnungen doch ganz erheblich", sagt er. Die Hilfen seien zu stark gedeckelt, Neustarthilfen zu gering angesetzt, inländische Unternehmer mit Geschäft im Ausland würden nicht berücksichtigt. „Wir haben seit März keine Einnahmen mehr. Da sind leider auch die aktuellen Hilfsangebote nicht hinreichend passgenau.“