Die Corona-Krise belastet die Wirtschaft. Und damit auch die Arbeitgeber.
Viele Firmen schicken ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit, die demnächst finanziell stärker gefördert werden wird.
Zuletzt kritisierte NRW-Arbeitgeberpräsident Arndt Kirchhoff, das gefährde die Liquidität der Unternehmen. Im Interview hält Kölns DGB-Chef Witich Roßmann dagegen.
Köln – Die Corona-Krise belastet Firmen, und damit natürlich auch Arbeitnehmer. Im Interview spricht Witich Roßmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds Köln-Bonn, über das Kurzarbeitergeld, die Sinnhaftigkeit einer Auto-Abwrackprämie für Köln und die Region sowie das Vorgehen von Karstadt Kaufhof.
Herr Roßmann, wie beurteilen Sie die Ankündigung der Sachwalter, bis zu 80 Filialen von Karstadt Kaufhof schließen zu wollen?Witich Roßmann: Das Vorgehen des Kaufhofs geht gar nicht. Meines Erachtens wird hier die Corona-Krise ausgenutzt, um alte Pläne doch noch umzusetzen. Vor der Corona-Krise haben sich Betriebsräte, Gewerkschaften und Arbeitgeber in einem langen Diskurs auf die Sicherung der Standorte geeinigt. Das wird jetzt mit einem Wisch vom Tisch gefegt. Es darf nicht sein, dass das Kaufhof-Management das wegen Corona vereinfachte Insolvenzrecht nun für solche Kahlschlagpläne ausnutzt.
Sollte der Staat Karstadt Kaufhof unter die Arme greifen, um Arbeitsplätze zu retten?Staatliche Hilfen darf es nur geben, wenn dadurch verbindlich Standorte und damit Arbeitsplätze gesichert werden. Außerdem kann es auch nicht sein, dass nun allein der Gläubigerausschuss mit seinen Sachwaltern bei Kaufhof das Heft des Handelns in der Hand hält. Die Arbeitnehmer haben in den vergangenen Jahren gewaltige Opfer gebracht und daher ein Recht, mitzubestimmen. Betriebsräte und Gewerkschaften gehören bei der Sanierung der Warenhäuser gleichberechtigt mit an den Tisch.
Sie kritisieren den NRW-Arbeitgeberpräsidenten Arndt Kirchhoff, der im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Maifeiertag gesagt hat, die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes von 60/67 auf 80/87 Prozent sei ein Fehler, weil er die Liquidität der Firmen bedroht, die in Vorkasse gehen müssen. Das bedrohe deren Existenz. Worin liegt der Kern Ihrer Kritik?Wir haben zurzeit viele Branchen in Kurzarbeit, die das Instrument vor der Corona-Krise so nicht kannten. Kurzarbeit ist ein bewährtes Instrument in der Industrie mit ihren Konjunkturzyklen. Das sind Betriebe mit einer ordentlichen Tarifstruktur und vergleichsweise fairen, sprich hohen, Löhnen. Jetzt aber gehen Betriebe aus Branchen in Kurzarbeit mit einem ganz anderen Lohngefüge. Hotels, Gastronomie, teilweise der Handel. Dort werden ohnehin schon prekäre Gehälter gezahlt. Und 67 Prozent davon reichen halt zum Leben nicht aus.
Dennoch belastet das die Betriebe zusätzlich…Ich weiß, dass Herr Kirchhoff in seinem eigenen Automobilzulieferer-Unternehmen nach Tarif bezahlt und damit in die erste Kategorie fällt. Dort ist aber zu berücksichtigen, dass in dieser Industrie zur Anpassung an Schwankungen vielleicht an ein oder zwei Tagen nicht gearbeitet wird. Dadurch schlägt die Kurzarbeit nicht so hart durch für die Mitarbeiter. Bei den von mir angesprochenen Branchen war oder ist aktuell Kurzarbeit Null die Regel, nicht ein Tag die Woche, sondern fünf. Mag sein, dass die Vorfinanzierung die Firmen ernsthaft belastet. Die Belastung der Arbeitnehmer aber bei 60 Prozent von einem Minimallohn ist ernsthafter.
Das ändert nun aber nichts an der Tatsache, dass die Liquidität der Unternehmen durch die Vorauszahlung des Kurzarbeitergeldes belastet ist, möglicherweise existenzbedrohend. Warum fordern Sie keine schnellere Auszahlung durch die Arbeitsagenturen?Wer als Firma nur das Problem hat, durch die ein oder zwei Monate Vorfinanzierung des Kurzarbeitergeldes einen Mangel an Liquidität zu haben, der hat meines Erachtens kein Problem. Mit dem Bescheid über die Bewilligung des Kurzarbeitergeldes kann er zur Bank gehen und übergangsweise einen Kredit beantragen. Keine Bank wird den verwehren angesichts der Bonität des Schuldners Arbeitsagentur, also der Bundesrepublik Deutschland. Da bin ich mir sicher auch angesichts der vielen Bürgschaftsmöglichkeiten, die es für Arbeitgeber in der Corona-Krise inzwischen gibt.
Das Kurzarbeitergeld ist ja jetzt, egal wie sehr die Arbeitgeber schimpfen mögen, erhöht worden. Sind Sie damit denn noch immer nicht zufrieden?Das Kurzarbeitergeld steigt gestaffelt von 60/67 Prozent über 70/77 auf 80/87 Prozent. Aber letztere erst nach sieben Monaten. Wir als DGB fordern diese Erhöhung eigentlich von Beginn, aber mindestens ab dem vierten Monat. Die Gründe habe ich Ihnen ja genannt. Von 60 Prozent eines Kellnerlohns kann man weder Miete noch Versicherungen bezahlen.
Neben Kurzarbeit haben wir noch ein anderes Krisenphänomen: Massenhaft Homeoffice. Ist das nun aus Sicht eines Gewerkschaftsbosses eine gute oder eine schlechte Nachricht?Wir erleben in der Tat einen Aufschwung der mobilen Arbeit. Früher haben die Arbeitgeber ihren Beschäftigten diese mobile Arbeit oft verweigert. Jetzt haben Arbeitnehmer noch bessere Argumente. Die Krise zeigt: Es funktioniert, auch dank technischem Fortschritt und besserer Netze. Aber die Arbeit von zuhause ist intensiver.
Wieso sollte Heimarbeit intensiver sein?Wenn Menschen täglich zur Arbeit fahren, dann erleben sie den Arbeitstag ganz anders. Sie haben Meetings, informelle Gespräche, Phasen höchster Konzentration und persönlichen Austauschs zwischendurch. All das zählt selbstredend als Arbeit. Im Homeoffice wird für viele psychologisch nur die Phase intensivster Bildschirmarbeit, das Schreiben von Texten oder direkte Kundentelefonate als Arbeit empfunden. Der informelle Teil aber nicht. Deswegen arbeiten sie ganz intuitiv mehr im Homeoffice. Außerdem sind im Büro die gereinigten Toiletten, eine Kantine, andere den Alltag erleichternde Services vorhanden. Im Homeoffice ist das eigene Arbeit, die oben drauf kommt. Es besteht die Gefahr, dass der Arbeitstag entgleitet. Außerdem führt das Homeoffice dazu, dass Menschen in alte Rollenbilder zurückfallen, die Frau kümmert sich um Arbeit und die Kinder, der Mann malocht. Das ist gefährlich und ein Rückschritt.
Ist das Homeoffice denn nach der Krise ein Zukunftsmodell, oder werden wir zu alter Arbeit zurückkehren?Im Moment sind wir im Krisenmodus, und da nehmen Arbeitnehmer und Arbeitgeber härtere Rahmenbedingungen vorübergehend in Kauf. Auf Dauer und in der Zukunft muss das aber geregelt werden. Ein Arbeitsplatz am Küchentisch ist eben nicht ergonomisch wie ein Bürostuhl, das kann nur eine Notlösung sein. Und zur Initiative von Minister Heil auf ein Recht auf Homeoffice muss man deswegen hinzufügen: Es muss eine doppelte Freiwilligkeit geben. Die Pläne einiger Firmen, die Mitarbeiter auch nach Krisenzeiten ins Homeoffice abzuschieben, sind abwegig. Der nächste Schritt sind dann Werkverträge oder was? Das lehnen wir ab, wehret den Anfängen.
Köln ist stark geprägt vom Automobilbau, die Region von den Auto-Zulieferern. Braucht die deutsche Autoindustrie eine Art Abwrackprämie?Die Argumente jedenfalls, die Abwrackprämie 2009 hätte nur Vorzieheffekte gebracht, halte ich für falsch. Eine Prämie, wie auch immer sie heißt, kann einen Impuls setzen, Kaufkraft erhalten und so ein Szenario wie in den 1920er verhindern. Damals fiel eine Branche nach der anderen, den Menschen ging die Kaufkraft verloren und mündete in einer ständigen Abwärtsspirale, das gilt es zu verhindern. Nur muss diese Prämie auch ökologisch und zeitgemäß sein. Will heißen: E-Mobilität muss gefördert werden. Wesentlich ist eine Förderung der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität, denn die fehlt weitgehend. Ich könnte mir eine Förderung privater Ladestationen zuhause vorstellen.
Aber ist nicht das Auto, egal mit welchem Antrieb, ein Auslaufmodell?Ganz und gar nicht. Die Krise zeigt eine neue Wertschätzung für das eigene Auto. Bus und Bahn, sogar Taxi und Uber werden aus Hygienegründen gemieden. Das private Auto ist da etwas wie eine mobile Quarantänestation. Das Fahrrad boomt übrigens auch, vor den Fahrradläden gibt es lange Schlangen, während ÖPNV und Luftfahrt noch daniederliegen.
Ford bietet aktuell kein E-Auto. Würde eine Förderung von E-Autos nicht dadurch dem Standort Köln schaden?Ford unternimmt alle Bemühungen dazu, so schnell wie möglich E-Autos und Plug-In-Hybride zu bauen. Das ist richtig und gut. Und die Elektroplattform-Kooperation von Ford mit VW ist daher ein wichtiger Schritt.
Sollten auch saubere Benziner gefördert werden?Die Förderung muss technologieoffen sein, auch Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe und emissionsfreie oder -arme Verbrenner fördern, wenn das Geld dafür reicht. Denn es bietet sich die Chance, die Autoflotte um besonders schädliche ältere Fahrzeuge zu bereinigen. Und auch da würde Köln profitieren: Die Chemie investiert in Wasserstoff und Ford baut vor allem die kleineren Fahrzeuge mit geringem Verbrauch, wie den Fiesta, und nicht etwa SUVs.