Ein Ort der Möglichkeiten und vor allem für Männer ein besonderer Reflexionsraum: der Baumarkt. Von der Magie, die man sich mit dem Tool-Kauf erhofft.
KolumneWo Deutschland ganz bei sich ist (IV) – Im Baumarkt
Man kann nicht oft genug daran erinnern: Das menschliche Gehirn wurde ursprünglich nicht zum Quatschgucken bei Instagram entworfen, sondern zur Überwachung und Steuerung handwerklicher Verrichtungen. Darum belohnt es bis heute fertige Werkstücke mit dem stummen Glück des Handwerkers. Es liegt ein tiefer Segen darin, Dinge mit der Hand zu tun. Wohingegen du nach einer Stunde Instagram das Gefühl hast, duschen zu müssen.
Nun ist es nicht jedem gegeben, eine Geige zu bauen, ein Pferd zu beschlagen oder einen Dachstuhl zu zimmern. Merke: Im handwerklichen Bereich ersetzt reiner Wille noch keine Könnerschaft – anders als in sämtlichen Castingshows der Erde, in denen Drill Sergeants wie Heidi Klum armen Hascherln einblasen, sie müssten nur ganz feste wollen, dann ergebe sich die Karriere von selbst.
Doch es gibt einen Ort, an dem die Möglichkeit, etwas Sinnvolles mit den eigenen Händen zu tun, zumindest in greifbare Nähe rückt: den Baumarkt. Hier ruhen all die Schätze, die dir versprechen: Ja, auch du kannst etwas Bleibendes erschaffen. Du must dazu aber erst sehr viel sehr teures Werkzeug kaufen, es gibt ein Prozent Rabatt mit der Obi-App.
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Vom Glück, etwas selbst zu tun
Ich erfreue mich seit Längerem an einer SWR-Fernsehreihe namens „Handwerkskunst“, die wortkarge Menschen bei der Herstellung von Tischen, Trompeten, E-Gitarren, Schaukelpferden, Pfeffermühlen, Hoftoren, Fachwerkhäusern oder Schlagzeugen begleitet – ohne Musik, ohne Effekte. Die kontemplative Wirkung dieses Vorgangs auf den Betrachter ist erstaunlich.
Die Zufriedenheit dabei, Menschen mal nicht beim Quatschen, Klugscheißen und Streiten zu betrachten, sondern bei der Verrichtung von Vorgängen, denen Jahrhunderte Erfahrung zugrunde liegen, wird vermutlich nur übertroffen vom Glück, es selbst zu tun. Nehmt das, ihr Senior Business Development and Customer Relations Manager!
Ich selbst baue immerhin Schachbretter – und beschränke mich ansonsten auf Reparaturarbeiten. Männer haben zu Reparaturarbeiten ja ein recht besonderes Verhältnis. Frauen wiederum haben zu Männern ein besonderes Verhältnis. Das liegt nicht zuletzt am besonderen Verhältnis der Männer zu Reparaturarbeiten. Es gilt das alte Motto: Wenn ein Mann sagt, er erledigt das, dann erledigt er das. Man muss ihn nicht alle sechs Monate daran erinnern.
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Leider gehöre ich zu den Männern, die bereits 13 Hämmer im Keller haben, aber zum richtigen Einschlagen eines Nagels natürlich noch einen 14. benötigen. Ich hänge am Tropf der Baumarktmafia. Ich bin der Typ, der an einem Ständer voller Multitools nicht vorbeigehen kann. Warum? Weil der Erwerb von Werkzeug mir die Illusion verschafft, gleichzeitig die Fertigkeiten zu erlangen, diese Maschine fruchtbringend anwenden zu können. Man muss es leider so deutlich sagen. Hier irrt Grimm. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss einen schiefen Nagel entfernen. Ich brauche eine Zange. Sie finden mich in Gang 36.
Nächste Woche lesen Sie: „Wo Deutschland ganz bei sich ist (V): Im Wald“.
Schönes Wochenende!
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