AboAbonnieren

Nach Attacke in SolingenBundesregierung will Sozialleistungen für bestimmte Asylbewerber streichen

Lesezeit 4 Minuten
Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, und Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz, stellen ein Sicherheitspaket nach der Messerattacke von Solingen vor.

Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, und Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz, stellen ein Sicherheitspaket nach der Messerattacke von Solingen vor.

Die Ampel hat sich auf ein Maßnahmenpaket geeinigt. Darin enthalten: Prävention, Verbote und Verschärfungen.

Als Konsequenz aus der tödlichen Messerattacke von Solingen hat sich die Bundesregierung auf neue Maßnahmen zum Schutz vor islamistischem Terror, gegen irreguläre Migration und zur Verschärfung des Waffenrechts verständigt.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) stellten die Maßnahmen des Sicherheitspakets in einer gemeinsamen Pressekonferenz vor. Anja Hajduk (Grüne), Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, nahm stellvertretend für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ebenfalls an der Präsentation teil.

Bundesregieung: Messer haben auf Volksfesten nichts zu suchen

Die Ampel-Regierung einigte sich auf die Ausweitung von Messeverboten in der Öffentlichkeit. „Messer haben auf Volksfesten, Sportveranstaltungen oder ähnlichen öffentlichen Veranstaltungen nichts zu suchen“, teilte Faeser im Rahmen der Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag mit. Es soll ein absolutes Messerverbot an „kriminalitätsbelasteten Orten“, beispielsweise an Bahnhöfen, geben, für welches die Länder ermächtigt werden. Darüber hinaus soll für Springmesser ein Verbot kommen, von dem aber Ausnahmen möglich sein sollen - zum Beispiel für Jäger.

Die Bundespolizei soll weitere Befugnisse erhalten, um verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen. Ermittlungsbehörden sollen künftig öffentlich zugängliche Bilder biometrisch mit den Fotos von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen abgleichen dürfen. Das für Asylverfahren zuständige Bundesamt für Migration (Bamf) soll das ebenfalls dürfen, um die Identität Schutzsuchender zu überprüfen.

Es soll außerdem eine „Taskforce Islamismusprävention aus Wissenschaft und Praxis“ eingeführt werden, die vor allem im Bereich Radikalisierung im Internet arbeiten soll.

Sozialleistungen für „Dublin-Fälle“ sollen gestrichen werden

Zum Thema Migration kündigte die Innenministerin an, dass Personen, die keinen Anspruch auf Schutz haben, schneller abgeschoben werden sollen. Ein besonderes „Abschiebungsinteresse“ solle bestehen bei Personen, die Straftaten im Zusammenhang mit Messern verübt haben. Für sogenannte „Dublin-Fälle“ sollen Sozialleistungen gekürzt oder gestrichen werden. Dabei geht es um Migranten, für die ein anderer europäischer Staat zuständig wäre, der der Rückübernahme zugestimmt hat.

Faeser betonte aber auch: „In Deutschland wird niemand verhungern und auch nicht auf der Straße schlafen.“ Leistungen in Deutschland sollten Betroffene dann aber nicht mehr erhalten - dafür sei dann ja das Zielland zuständig.

Nach Solingen: Ampel will sich mit Union beraten

Kommende Woche will sich die Ampel-Regierung außerdem mit Vertretern der Länder und der Union zu vertraulichen Gesprächen zusammensetzen, um weitere Maßnahmen zu besprechen.

Justizminister Buschmann ergänzte, dass die neuen Maßnahmen Teil der Überlegung seien, die Sicherheitslage in Deutschland zu verbessern, indem man „sachangemessene Konsequenzen“ aus der Tat in Solingen ziehe. Besonders in großen Menschenmengen soll durch das Messerverbot für mehr Sicherheit gesorgt werden.

In Bezug auf die „Dublin-Fälle“ thematisierte Buschmann die „zehntausenden Abschiebungen“, die jedes Jahr rechtlich möglich seien, aber nicht durchgeführt werden, weil die betreffenden Personen nicht auffindbar seien. „Das muss aufhören“, so der FDP-Politiker. Deshalb habe man eine ganze Reihe von Maßnahmen getroffen, um im Bereich der Migrationspolitik einen „Realismus“ einzuhalten. Dadurch sollen bestehende Gesetze umgesetzt sowie erweiterte Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden.

Bereits am vergangenen Wochenende hatte die Bundesregierung begonnen, ein Maßnahmenpaket als Reaktion auf den Anschlag zusammenzustellen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte am Mittwoch zudem Gespräche mit den Ländern und der Union als größter Oppositionskraft an. Eine Arbeitsgruppe, der Vertreter aller drei Ampel-Parteien angehören, soll nächste Woche erstmals zusammenkommen.

Auch FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner sprach den Begriff des „Realismus“ an und nannte in einem Post auf X (ehemals Twitter) die verkündeten Maßnahmen „wichtige Schritte“.

Grüne Jugend, Union und AfD kritisieren Sicherheitspaket

Doch es hagelt bereits Kritik: Svenja Appuhn, Bundessprecherin der Grünen Jugend, zweifelt an, dass die Maßnahmen tatsächlich wirksam sein werden: „Kein Geld für mehr für Dublin-Geflüchtete als Maßnahme gegen islamistische Gewalt? Denkt hier wirklich irgendwer, dass systematische Ausgrenzung die Wahrscheinlichkeit verringert, dass Menschen sich radikalisieren?“, teilte sie auf X mit.

Die Union hat das nach dem Messerangriff in Solingen von der Bundesregierung vereinbarte „Sicherheitspaket“ als unzureichend bewertet. „Ich fürchte, die Maßnahmen der ‚Ampel‘ gehen nicht weit genug“, sagte der CSU-Rechtspolitiker Volker Ullrich am Donnerstag den Funke-Zeitungen. „Einige Dinge, wie etwa die Verschärfung des Waffenrechts, sind dabei wohl eher symbolischer Natur.“ Die Beschlüsse seien aber „der erste Schritt in die richtige Richtung“.

Auch die AfD-Fraktion zeigt sich unzufrieden mit dem Maßnahmenpaket. Der innenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Gottfried Curio, kritisiert das Messerverbot: „Weil die politisch Verantwortlichen nicht willens und in der Lage sind, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten, erlegen sie diesen in ihrem Lebensalltag immer mehr Einschränkungen auf.“ Damit sei die eigentliche Ursache des Problems, die „Massenmigration“, nicht gelöst.

Mutmaßlicher Täter von Solingen hätte abgeschoben werden sollen

Beim mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen hatte ein Angreifer am Freitagabend auf einem Stadtfest drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt. Mutmaßlicher Täter ist der 26-jährige Syrer Issa Al H., der in Untersuchungshaft sitzt.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn unter anderem wegen Mordes und wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Diese hatte die Tat für sich reklamiert. Der mutmaßliche Täter hätte eigentlich im vergangenen Jahr nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, was aber scheiterte. (mit dpa)