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„Affentheater“Verhandlung im Kölner Drach-Prozess endet in einem Eklat

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Der Angeklagte Thomas Drach im Kölner Landgericht (Archivbild)

Köln – Ein Richter, der verärgert mit der Hand auf den Tisch schlägt. Ein Verteidiger, der das „erbärmlich“ nennt. Eine Staatsanwältin, die sichtlich genervt über das „Affentheater“ schimpft. Und eine Dolmetscherin, die mit den Worten „Ich kann nicht mehr“ um eine Pause bittet – man wähnt sich in einer RTL-Folge von „Richterin Barbara Salesch“. In Wahrheit spielten sich diese Szenen am Freitag in der Verhandlung gegen Thomas Drach und seinen mutmaßlichen Räuberkomplizen Eugen W. ab.

Der 29. Prozesstag vor dem Kölner Landgericht endete in einem Eklat, dabei startete die Verhandlung vergleichsweise entspannt. Ein Experte des Landeskriminalamts Hessen stellte die Ergebnisse seiner Analyse eines Überwachungsvideos vor, das den Angeklagten Drach bei einem Überfall auf einen Ikea-Markt in Frankfurt im November 2019 zeigen könnte. Fest steht das noch nicht. Zwischen dem LKA-Mann und Drachs Verteidiger Andreas Kerkhof entwickelte sich ein Fachgespräch über lotrechte Haltungen, hohe und niedrige Frame-Raten, systematische Abweichungen und Mittelwert-Interpretationen.

Gutachten von forensischem Sachverständigen wird Thomas Drach vermutlich schwer belasten

Dann steht die Vernehmung eines weiteren Sachverständigen an: George Rauscher, nach Auskunft auf dessen Website ein „geprüfter und zertifizierter Sachverständiger für Foto-Video-Forensik“ und „Täteridentifizierung anhand von Lichtbildern“. Seit 22 Jahren arbeitet Rauscher in diesem Bereich. Erwartet wird, dass sein Gutachten über das Gangbild von Drach und Eugen W. die beiden Angeklagten schwer belasten könnte.

Doch noch bevor Rauscher das Wort ergreift, meldet sich Thomas Drach zu Wort. Er wolle etwas beantragen, sagt der 62-Jährige: Er lehne Rauscher als Sachverständigen ab, dessen Gutachten sei voller Fehler. Eine Detektei, die für Jan Philipp Reemtsma arbeite, habe Rauscher über eine korrupte Polizistin „viel Geld“ für die Erstattung eines belastenden Gutachtens bezahlt. Der Grund: Millionär Reemtsma, den Drach 1996 entführt und später für ein hohes Lösegeld freigelassen hatte, wolle ihn, Drach, wieder im Gefängnis sehen. Rauscher weist die Vorwürfe von sich. Richter Bern lehnt Drachs Antrag als „unbegründet“ ab.

Im Gerichtssaal geht es hoch her

Dann wird es hitzig: Bern kündigt an, dass Rauscher sein Gutachten nicht – wie üblich – live mündlich im Saal vortragen werde, sondern seine Expertise als Videopräsentation vorbereitet habe, die man nun abspielen werde. Rauscher stehe aber die ganze Zeit über für Fragen zur Verfügung. Entrüstung bei den Verteidigern. Richter Bern, so der Vorwurf, hätte das Video zur Akte nehmen und der Verteidigung die Gelegenheit zur Vorab-Einsicht geben müssen. Bern weist das zurück: Das Gericht habe das Video auch noch nicht gesehen, es sei auch kein Bestandteil der Akte.

Kerkhof und Wolfgang Heer, Anwalt von Eugen W., zweifeln die Kompetenz des Sachverständigen an. Ob der überhaupt eine entsprechende Ausbildung habe oder ob hier vielleicht auch nur ein „Fußpfleger“ vor ihnen sitze, fragt Kerkhof. Thomas Drach lacht. Rauscher trägt seine Referenzen als Video-Forensiker vor, aber die Anwälte sind nicht überzeugt. Richter Bern schaut in ihre Richtung und wird laut: „Welcher Hauptverhandlung wohnen Sie denn eigentlich bei? Er hat es doch gerade ausführlich dargelegt.“

Wolfgang Heer, Anwalt von Eugen W., trägt eine Reihe von Beanstandungen vor, wieder geht es auch um das vorbereitete Videogutachten, das die Anwälte vorab sehen möchten. Und überhaupt sei diese Form der Präsentation prozessual nicht vorgesehen. Bern widerspricht, auch die Staatsanwältin hat keine Einwände, das Video zu zeigen. Bern wiederholt, die Kammer kenne den Inhalt des Films nicht, er selbst habe ihn vor zwei Tagen auf einem USB-Stick von Rauscher erhalten und kurz geprüft, ob das Video technisch in Ordnung und abspielbereit sei. Er sei hier nur als „Handlanger des Sachverständigen“ tätig geworden.

Auch die Dolmetscherin bittet sichtlich erschöpft um Unterbrechung

Nun empören sich Kerkhof und Heer so richtig: Ein Richter als Handlanger eines Sachverständigen? Sie fordern, diese Aussage ins Protokoll aufzunehmen. Bern lehnt ab. Nach einem weiteren Wortgefecht schlägt Bern mit der Hand auf den Tisch, spricht von einer „Unverschämtheit“, ihm „ungerechtfertigt Dienstpflichtverletzungen“ vorzuwerfen. Bern zu den Verteidigern: „Sie versuchen, meine Person zu diffamieren.“ Heer ruft: „Das ist ein erbärmliches Verhalten eines Vorsitzenden!“ Die Verhandlung wird unterbrochen, auch weil die sichtlich erschöpfte Dolmetscherin des Niederländers Eugen W. um eine Pause bittet. Mit den Worten „Das ist ein Affentheater!“ stürmt die Staatsanwältin an den Anwälten vorbei auf den Gerichtsflur.

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Nach acht Stunden beendet Bern die Verhandlung: Eugen W. hat Schmerzen, wie schon am vorherigen Prozesstag, er ist zumindest für den Rest des Tages nicht weiter verhandlungsfähig. Beim nächsten Termin am Dienstag will das Gericht per Beschluss verkünden, in welcher Form Rauscher sein Gutachten nun präsentieren soll.