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75 Jahre GrundgesetzAnnette Frier hat „Bock auf Party“ mit Leserinnen und Lesern

Lesezeit 4 Minuten
Annette Frier

Annette Frier

Die Schauspielerin Annette Frier erklärt, warum das Grundgesetz ihr so viel bedeutet.

Frau Frier, gemeinsam wollen wir 75 Jahre Grundgesetz feiern. Was gibt Ihnen Anlass dazu?

Das steckt schon in der Frage selbst drin: diesen Jahrestag als etwas zu sehen, was das Feiern lohnt. Das finde ich super. Das Wort löst Gefühle aus, die man sonst eher nicht mit einem Gesetzestext in Verbindung bringt. Kein pflichtschuldiges Gedenken, nicht nur staatstragendes Gewand, sondern Bock auf Party. Ich vergleiche das mal mit einer Familienfeier zu Opas 75. Da musst du dich vielleicht auch erst ein bisschen aufraffen. Aber dann freut man sich, dass man dabei ist. Schließlich hat man Oma und Opa das eigene Leben zu verdanken.

Was haben wir dem Grundgesetz zu verdanken?

Sämtliche Privilegien, die wir als Bürgerinnen und Bürger genießen. Unsere Freiheiten, unsere Rechte. Die stehen da alle drin.

Die Garantie künstlerischer Freiheit ist für mich so etwas wie der Reisepass.
Annette Frier

Eine dieser elementaren Freiheiten betrifft Sie als Schauspielerin ganz persönlich: die Kunstfreiheit. Merken Sie davon überhaupt etwas?

Die Garantie künstlerischer Freiheit ist für mich so etwas wie der Reisepass. Würden die Feinde unserer Demokratie das Ruder übernehmen, würde ich – genau wie viele andere meiner Kolleginnen und Kollegen – wohl zuhause sitzen, um im Bild zu bleiben. Insofern habe ich auch ein sehr persönliches Interesse am Grundgesetz und seinen Freiheitsgarantien. Allerdings muss ich zugeben: Bis vor zwei, drei Jahren war mir das nicht so existenziell bewusst.

Wodurch hat sich das geändert?

Vor ein paar Tagen hat die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer beim Deutschen Filmpreis an die Zeit vor knapp 100 Jahren erinnert. Wir hatten das in Deutschland schon mal, dass Demokratieverachtung normal wurde, dass Hassreden auf einmal salonfähig waren, dass das Gift des Faschismus in die Mitte der Gesellschaft einsickerte, die aber nicht merken wollte, was ihr da gerade passiert. Ich will nicht alarmistisch wirken, aber die Parallelen zum Agieren der AfD in den Parlamenten und in der breiten Öffentlichkeit heute sind offensichtlich. Und deshalb heißt es: Endlich aufwachen!

Die Corona-Pandemie war ein Warmlaufen.
Annette Frier

In der Zeit der Pandemie haben zahlreiche prominente Kolleginnen und Kollegen von Ihnen Kunstfreiheit und Bürgerrechte weniger durch die AfD als durch die Corona-Politik der Regierenden bedroht gesehen. Würden Sie sagen: Das war damals ein Angriff auf die Verfassung – von oben?

Ich würde sagen: Es war ein Warmlaufen.

Wie meinen Sie das in diesem Zusammenhang?

Ich glaube nach wie vor, es war richtig, alle Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie vom Grundgedanken der Solidarität herzuleiten. Da war bestimmt nicht immer alles richtig, manches war falsch gewichtet oder auch überzogen. Aber das lässt sich aus dem Abstand heraus leichter sagen als im Ausnahmezustand von damals. Und: Es wurde ja schon seinerzeit streitig diskutiert. Es fanden demokratische Prozesse statt, es wurde über Gesetze abgestimmt und mehrheitlich entschieden – samt der Möglichkeit gerichtlicher Überprüfung. Mit dem Warmlaufen meine ich, dass ich damals Entscheidungen mitgetragen habe, gegen die ich im Inneren teilweise rebellierte. Diese Form staatsbürgerlicher Verantwortung und Solidarität konnte man in dieser Zeit also ganz gut üben. Samt der Dankbarkeit, in einer Demokratie zu leben, die sich daraus ergibt.

Es kommt jetzt darauf an, dass wir uns verbinden.
Annette Frier

Sie haben jetzt eine Kampagne #DuUndIchFürDemokratie gestartet. Was versprechen Sie sich davon?

Ich glaube, es kommt jetzt darauf an, dass wir uns verbinden. Dazu setze ich die Mittel ein, die ich als Schauspielerin und Bürgerin habe. Zurzeit sprechen wir Künstlerinnen und Künstler an, die mit ihrer Arbeit große Reichweite erzielen. Bettina Böttinger ist dabei, Cordula Stratmann, Husch Josten und viele andere. Wir wollen eine Plattform schaffen, mit der wir „auf die Straße gehen“, speziell im Netz. Das Ganze soll dann bis zur Bundestagswahl 2025 gehen. Und am Donnerstag treffen wir uns ja auch, um darüber zu reden.

Sie haben vorhin das Jubiläum des Grundgesetzes mit Opas 75. Geburtstag verglichen. So eine Feier bleibt ja besonders in Erinnerung, wenn sie schön gestaltet ist. Was haben Sie für den nächsten Donnerstag in petto?

Ich freue mich auf Gerhart Baum als einen herausragenden Zeitzeugen und auf eine so kundige, profilierte Juristin wie Frauke Rostalski. Das ist schon mal eine schöne Menüfolge. Ich kümmere mich dann um den Nachtisch.

Das Grundgesetz zum Dessert?

Ja, wirklich. Man kann es sich auf der Zunge zergehen lassen. Ich werde dazu unter anderem Auszüge der Rede über das Grundgesetz mitbringen, die Navid Kermani 2014 im Bundestag gehalten hat. Das Ganze soll schmecken – und darauf freue ich mich.


Veranstaltung im studio dumont

Der Abend mit Gerhart Baum, Annette Frier und Professorin Frauke Rostalski findet statt am Donnerstag, 23. Mai 2024, 20 Uhr, im studio dumont, Breite Straße 72, Köln. Tickets für 5 Euro gibt es hier.

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