Die iranische Community ist nach der Aufhebung des Abschiebestopps in großer Sorge. Viele Asylanträge werden abgelehnt. Ein Beispiel aus Köln.
Abschiebung möglichKölner Iranerin nach abgelehntem Asylantrag in Sorge
Seit Deutschland den Abschiebestopp in den Iran zu Jahresbeginn aufgehoben hat, habe sie Angst, sagt Rezvan S. Den Asylantrag der Frau aus Teheran hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt – unter anderem mit der Begründung, dass sie mit einem Touristenvisum ausgereist sei und Formulare gefälscht gewesen seien. S. drohe bei einer Rückkehr in den Iran „keine Verfolgung und keine Inhaftierung“, legte sich die Behörde fest.
Laut NGO 834 Hinrichtungen im Iran im vergangenen Jahr
Bis zu 20.000 Protestierende wurden nach Schätzungen von NGOs infolge der Frauen-Bewegung im Iran nach dem gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini im Herbst 2022 inhaftiert. Von Folter mit Peitschenhieben, Elektroschocks und sexuellen Übergriffen berichteten Betroffene. Hunderte Regimegegner wurden zum Tode verurteilt. In einem Bericht der Menschenrechtsorganisationen Iran Human Rights (IHR) und Together Against the Death Penalty (ECPM) ist von 834 Hinrichtungen im Jahr 2023 die Rede – 40 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Die Aufhebung des Abschiebestopps „verkennt die katastrophale Menschenrechtslage im Iran völlig“, sagt Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat. Die Sorge von Iranerinnen und Iranern halte er insofern für begründet, als das für Flucht zuständige NRW-Ministerium keinen Erlass zum Umgang mit Asylsuchenden erteilt habe: dadurch bleibe der Umgang mit Abschiebungen den Ausländerbehörden vor Ort überlassen. „In Köln gehen wir allerdings davon aus, dass alle Bleiberechtsperspektiven ausgeschöpft werden“, so Prölß. Aktuelle Abschiebungen in den Iran seien ihm nicht bekannt. Das Bundesinnenministerium teilt auf Anfrage mit: „Rückführungen finden auch nach Auslaufen des Abschiebungsstopps nur in wenigen Fällen statt.“
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BAMF hielt Schilderungen der iranischen Geflüchteten für nicht glaubhaft – ein Gericht schon
Für „unglaubhaft“ hielt das BAMF die Schilderungen der 43-jährigen Rezvan S. auch, weil sie auf Nachfragen nach der Art der Folter „regelmäßig nicht in der Lage war, neue Informationen hinsichtlich der erlittenen Folter zu beschreiben“. S. hatte beispielsweise gesagt, ihr sei bei einem Verhör in die Hose gefasst worden, einmal habe man sie in einen Kühlschrank gesperrt, zudem habe sie eine Tablette nehmen müssen, von der sie bewusstlos geworden sei. Aus dem Verhörprotokoll, das dieser Zeitung vorliegt, lässt sich nachvollziehen, dass Nachfragen zu diesen Themen Frau S. beschämten – vor allem, wenn es um sexuellen Missbrauch ging.
Seit 2009, erzählt Rezvan S. bei einem Gespräch mit ihrer Beraterin Susanne Rabe-Rahman von der Caritas in Kalk, habe sie im Iran an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen. Dem BAMF hat sie die Gründe für ihre Flucht im Jahr 2020 in allen Details geschildert. Dass sie im Iran mehrfach festgenommen worden sei, weil sie „das Kopftuch nicht tragen wollte“. Sie hatte von brutalen Verhörmethoden und Folter berichtet, dass sie zu einer 14-monatigen Haftstrafe verurteilt worden sei und im Iran wie in Deutschland an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen habe. Das BAMF hielt ihre Geschichte für nicht plausibel. Ein Gericht hielt sie für glaubwürdig und hob die Entscheidung über die „offensichtliche Unbegründetheit“ des Antrags auf.
„Viele der Erfahrungen, die Frau S. gemacht hat, gerade der sexuelle Missbrauch während der Haft und in Abhängigkeitssituationen gegenüber Männern, sind mit großer Scham besetzt“, sagt Susanne Rabe-Rahman. Manches lasse sich nicht belegen, anderes sehr wohl. „Dass sie abgeschoben werden soll, weil ihr im Iran keine Repressionen drohen würden, ist absurd.“ Die Menschenrechtslage verbiete „Abschiebungen in den Iran generell“.
Im Jahr 2022 kamen laut Statistischem Bundesamt besonders viele Menschen aus dem Iran nach Deutschland – rund 22.000, so viele wie in den zwei Jahren davor zusammen. Im vergangenen Jahr wurden 9384 Asylanträge von Iranerinnen und Iranern gestellt. Eine Folge auch der Frauen-Bewegung und massiver Unterdrückung bis hin zu Todesurteilen im Iran.
Abschiebeandrohungen seien nicht selten, sagt Susanne Rabe-Rahman, und erzählt von einer Iranerin, die seit 13 Jahren in Deutschland lebe und abgeschoben werden solle, weil ihr Lebensunterhalt nicht gesichert sei. Der Asylantrag jedes zweiten Iraners wird nach Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge abgelehnt. Nach der Revolutionsbewegung ist die Zahl der Ablehnungen sogar leicht gestiegen. Die meisten Iranerinnen und Iraner dürfen indes trotz abgelehnten Asylbescheiden vorläufig in Deutschland bleiben. Das Land NRW hatte Abschiebungen in den Iran bis Ende 2023 ausgesetzt – seitdem bleiben etwaige Rückführungen den Kommunen überlassen.
„Für den Iran sind die abgelehnten Asylbescheide und Abschiebeandrohungen, die Menschen in tiefe Krisen stürzen, nicht nur aufgrund der katastrophalen Lage im Iran nicht hinnehmbar“, findet die Beraterin der Caritas. „Schon Frau S.' Teilnahme an Kundgebungen in Deutschland gegen das Regime sind ein hinreichender Grund, sie nicht abzuschieben“, so Rabe-Rahman. Schon dadurch gerieten Iranerinnen und Iraner in den Fokus der Geheimdienste des Mullah-Regimes. Diese Asylgründe aber berücksichtige das BAMF nicht hinreichend.
Vollzogen werden Abschiebungen in den Iran aus ganz Deutschland auch nach Aufhebung des Abschiebestopps sehr selten – bei Rezvan S. hat Susanne Rabe-Rahman auf Grund ihrer guten Integration ebenfalls Hoffnung, dass sie bleiben darf. Das ändere nichts daran, dass „die iranische Community seit der Aufhebung des Abschiebestopps zutiefst beunruhigt ist“.
Weil ihr Asylantrag abgelehnt wurde, durfte Rezvan S. nicht nach Köln umziehen
Rezvan S. hat in Köln verschiedene Sprachkurse belegt und steht vor dem Abschluss einer Ausbildung zur zahnärztlichen Fachangestellten. Weil ihr Asylantrag abgelehnt wurde, darf sie vorläufig auch nicht umziehen. Sie lebt in einer Sammelunterkunft im Rhein-Erft-Kreis – obwohl sie im rechtsrheinischen Köln arbeitet und die Möglichkeit gehabt hätte, eine kleine Wohnung in Ostheim zu bekommen. „Daher fahre ich als Auszubildende jeden Tag zwei Stunden zur Arbeit und zwei Stunden zurück. Besonders in der Dunkelheit habe ich Angst. Und jetzt soll ich bald zurück in den Iran zu müssen, wo mir Gefängnis droht? Ich verstehe das nicht“, sagt sie.