Auferstehungskirche in BuchforstArchitektonisch ein genialer Wurf für Köln
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Barbara Schock-Werner hat als Ex-Dombaumeisterin der Stadt Köln eine Menge über die Stadt und ihre Gebäude zu sagen.
In ihrem „Adventskranz” stellt sie an den vier Adventssonntagen im Jahr 2018 Sakralarchitektur in Köln vor.
In ihrer vierten und letzten Folge schreibt sie über die Buchforster Auferstehungskirche.
Köln-Buchforst – Eine „Auferstehungskirche“ ein Tag vor Heiligabend? Thema verfehlt! Der Gedanke liegt nahe, zugegeben. Trotzdem möchte ich Sie für das vierte Glanzlicht auf meinem Adventskranz moderner Kirchen in Köln nach Buchforst mitnehmen, wo die Architekten Georg Rasch und Wilfried Wolksky einen völlig ungewöhnlichen Kirchenbau errichtet haben. Er besteht aus zwei dreieckigen Betonscheiben, die aus dem Boden wachsen und einen Giebel zum Kirchenvorplatz bilden. Besonders gut wahrnehmbar ist das Formprinzip in der Seitenansicht.
Das Kirchendach zwischen den beiden Dreiecken steigt vom Eingang schräg nach hinten auf. Zu den beiden Betonseiten hin bleibt jeweils ein Glasstreifen frei, durch die das Tageslicht in den Kirchenraum fällt. Das Dach schwebt sozusagen zwischen den Wänden. Außen wie innen wird das Aufwärtsstreben der Architektur durch den noch sichtbaren, rohen Abdruck der Betonverschalung verstärkt, der nämlich nicht horizontal verläuft, sondern schräg nach oben zur Gebäudespitze weisen.
Bei meinem Besuch hat sich eine Taube genau auf den oberen Abschluss des Mauerdreiecks gesetzt. Ich will da nichts hineingeheimnissen. Aber den Grundgedanken dieser Architektur – die Dynamisierung der Vertikalen – hat der Vogel buchstäblich auf die Spitze getrieben.
Auf einen eigenen Turm, der per Definition das Motiv des himmelwärts Gerichteten versinnbildlicht, haben die Architekten bewusst verzichtet. Das Kirchengebäude selbst ist ein einziges Streben in die Höhe. Auferstehung eben. Anders gesagt: Der Raum stellt den Glaubensinhalt dar, der in ihm gefeiert wird. Ein aus Kuben zusammengesetztes Gebilde neben der Kirche, halb aus Beton und halb aus Holz, sollte ursprünglich anstatt eines Turms die Glocken aufnehmen.
Aber dazu ist es meines Wissens nie gekommen. Die Fronten dieser Raumskulptur sind mit schwarz lasierten Holzbohlen verschalt, die an eine Blockhütte erinnern. Das roh belassene Holz weist eine ähnliche Struktur auf wie die Betonverschalung, nur ist hier beides horizontal geschichtet. Das stellt eine Verbindung zwischen den beiden so unterschiedlichen Materialien her.
In den ursprünglich für das Gemeindeleben gedachten Räumen auf der anderen Seite des Kirchhofs ist heute ein Altenheim untergebracht. Die Gebäude waren 2008 von der evangelischen Kirchengemeinde aufgegeben und für den symbolischen Preis von einem Euro an die kommunale Wohnungsbaugesellschaft GAG Immobilien verkauft worden. Der neue Träger widmete sie zur „Kulturkirche“ um. So etwas hatte es zuvor in der Geschichte der GAG noch nicht gegeben, was auch nicht weiter verwundert, schließlich soll sie in erster Linie Wohnungen für die Menschen schaffen und nicht Gotteshäuser unterhalten. Andererseits halte ich die Umnutzung des seit 1992 unter Denkmalschutz stehenden Bauwerks für ein ausgesprochen sinnvolles und auch zweckmäßiges Modellprojekt: Die ehemalige Kirche wird für Ausstellungen, Konzerte, Lesungen und Filmvorführungen genutzt, steht der Gemeinde aber an Sonn- und Feiertagen nach wie vor für Gottesdienste zur Verfügung – ein vielseitig verwendeter Raum also, der als Stadtteiltreff zur Lebendigkeit im Viertel beiträgt.
Ein Stück Lebensqualität
Pfarrer Rudolf Roosen spricht von einem „Gewinn“ und einem „gut eingespielten Nebeneinander“ seiner evangelischen Gemeinde Buchforst-Buchheim und der GAG. Gutes Wohnen bedeutet eben mehr, als bloß vier Wände um sich und ein Dach über dem Kopf zu haben. Einen so wunderbaren Raum wie die Auferstehungskirche in der Nähe zu haben, ist auch ein Stück Lebensqualität. Die Bewohner der Riphan’schen „weißen Stadt“, an deren Rand die Kirche steht, wissen das laut GAG sehr zu schätzen.
Achten Sie beim Betreten der Kirche einmal darauf, dass sich der Belag des Vorplatzes aus unregelmäßigen Natursteinplatten bis in den Innenraum zieht. Das ist typisch für die 60er Jahre: Schwellen abbauen, Hierarchiestufen einebnen, die Grenze zwischen der profanen Welt draußen und der sakralen Sphäre drinnen verschwinden lassen – das waren die Anliegen jener Zeit. Etwas Ähnliches sollte mit der von Fritz Schaller neu gestalteten Domplatte erreicht werden.
Lektüre-Tipps
Helmut Fußbroich: Architekturführer Köln. Sakralbauten nach 1900, Köln 2005.
Emanuel Gebauer: Fritz Schaller. Der Architekt und sein Beitrag zum Sakralbau im 20. Jahrhundert, Köln 2000.
Barbara Kahle: Deutsche Kirchenbaukunst des 20. Jahrhunderts, Darmstadt 1990.
Der Dom barrierefrei in jeder Hinsicht, das war – ich sage es mal vorsichtig – gut gemeint, aber doch auch ein Vergehen an der Bau-Idee des mittelalterlichen Doms. In Buchforst dagegen, bei einem zeitgenössischen Gebäude wie der Auferstehungskirche, funktioniert der Gedanke perfekt. Hier wäre es nun wirklich seltsam, für den Kirchgang eigens noch eine oder mehrere Stufen hinaufsteigen zu müssen.
Das Erlebnis des Innenraums ist etwas – ich greife mal zu dem großen Wort – Einmaliges. Er sei „Abbild des ursprünglichen Geheimnisses menschlicher Existenz, der Wurzel des Menschseins, der zunächst haltlosen Tiefe“, habe ich in einer klugen Beschreibung gelesen. Meine erste Assoziation ist auch hier im Inneren – wie schon draußen - das Stichwort „Dynamik“: Der Blick des Besuchers wird fast magisch auf den spitz zulaufenden Winkel in der Kirchenmitte hin gelenkt. schräg angeordnete Betonverschalung betont auch hier die Vertikale – und damit, wie erwähnt, die Auferstehungssymbolik.
Genialer Wurf
Das Relief der Verschalung wurde von den Architekten absichtsvoll belassen: Das Streiflicht, das über Lichtbänder in der Decke einfällt, fließt in einem Hell-Dunkel-Verlauf an den Wänden herunter und lässt deren plastische Struktur umso deutlicher konturiert hervortreten. Zugeschaltetes Kunstlicht stört diesen Eindruck eher. Mich erinnert die Behandlung des Betons an Peter Zumthors Bruder-Klaus-Feldkapelle in Mechernich, auch wenn diese noch radikaler, noch archaischer, noch kompromissloser ist.
Aber dafür liegen ja auch 40 Jahre Architekturgeschichte zwischen den beiden Gebäuden. Ein genialer Wurf ist die Auferstehungskirche allemal. Und ich finde, damit passt sie auch zu Weihnachten. Ich wünsche Ihnen lichtvolle Feiertage, und vielleicht besuchen Sie ja einmal eine der vier Kirchen, die ich Ihnen im Advent vorgestellt habe. Eine fünfte habe ich mir für den Beginn des neuen Jahres aufgehoben. Es geht dann, so viel sei schon verraten, in meiner Kolumne „Auf den Punkt“ nach Sülz.
Kontakt und Öffnungszeiten: Kulturkirche Ost, Kopernikusstraße 34, 51065 Köln. Die Kirche ist geöffnet zu Ausstellungen und Veranstaltungen. Öffnung auch zu den Gottesdiensten an jedem ersten und dritten Sonntag im Monat um 9.30 Uhr sowie am zweiten Sonntag im Monat um 18 Uhr. Infos unter