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Nach Stunden in der KälteKölner Ausländeramt schickt wartende Ukraine-Geflüchtete weg

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Der Screenshot aus dem Video zeigt die Wartenden vor dem ZAB in Kalk.

Köln – Es ist acht Uhr morgens auf der Dillenburger Straße in Kalk, die Sonne, die an diesem Donnerstag im März noch den Frühsommer in die Stadt bringen wird, hat es noch nicht so recht über die Dächer geschafft. Unten vor der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) stehen ein paar hundert Menschen in der Kälte und warten auf Einlass, einige kommen rein und ziehen einen Nummernzettel, die meisten warten noch einige Stunden draußen.

Auf Videos, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegen, sind auch viele wartende Frauen und Kinder zu sehen, offenbar vor kurzem geflohen aus den Städten der Ukraine, die Putins Krieg mit seiner Erbarmungslosigkeit heimsucht.

ZAB in Köln-Kalk registriert Geflüchtete

Um acht Uhr morgens öffnet in Kalk – wie es auf der Internetseite der Stadt steht – wochentags die ZAB, wo sich Geflüchtete aus aller Welt registrieren lassen können. Ukrainische Staatsbürger haben dafür nach ihrer Einreise zwar 90 Tage Zeit, aber unter anderem für die Zahlung von Sozialleistungen und eine Arbeitserlaubnis wollen die Menschen eine offizielle Registrierung.

Offiziell bislang 1500 Geflüchtete in Köln

Der Betrieb in der ZAB ist auf normale Zeiten ausgelegt und offenbar nicht vorbereitet auf den massiven Anstieg von Geflüchteten, den der Krieg gegen die Ukraine ausgelöst hat. Denn damit ist die Normalität vorerst vorbei. 1500 Menschen aus dem osteuropäischen Land haben bisher offiziell in Köln eine Bleibe gefunden, dazu wohl deutlich mehr, die privat bei Bekannten, Verwandten oder privaten Ehrenamtlichen untergekommen sind.

In Kalk ist es inzwischen Mittag geworden, mehr als vier Stunden haben die Menschen vor der ZAB gestanden, als sich gegen 12.30 Uhr ein leitender Mitarbeiter auf einen Betonsockel gestellt und den Wartenden eine Nachricht überbracht haben soll, auf die sie gerne verzichtet hätten. In der ZAB werden keine Wartemärkchen mehr vergeben.

Video zeigt Dolmetscher beim Übersetzen

Morgen oder in der nächsten Woche gebe es eine weitere Möglichkeit zur Registrierung, wer Geld oder eine Unterkunft brauche, möge sich ans Sozialamt wenden. Durch die Menge geht ein leises Raunen, als der Dolmetscher das Gesprochene übersetzt. Auch diese Szenen sind auf einem Video zu sehen, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.

„Unhaltbare Zustände“

Eine Ehrenamtliche, die einige Geflüchtete bei dem Behördengang begleitet hat, berichtet von „unhaltbaren Zuständen“. Die Menschen, teilweise traumatisiert und nach tagelanger Reise erschöpft, hätten in der Kälte gestanden. Die Stadt sei strukturell und organisatorisch kaum auf die Situation vorbereitet – „eine Zumutung“.

Aus der großen Flüchtlingsbewegung 2015 habe die Stadt nichts gelernt und nun keine Vorkehrungen getroffen, um schnell auf die sich abzeichnende Lage zu reagieren. Eine Geflüchtete habe ihr gesagt, dass die Registrierung an der ukrainisch-polnischen Grenze schneller abgelaufen sei als hier in Köln. Die Anweisung zur Schließung sei aus der Amtsleitung gekommen. Die Stadt wollte sich dazu am Donnerstag nicht äußern.

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Stadtdirektorin Andrea Blome begründete die Schließung gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ aber. Bis zum Mittag seien „so viele Menschen in den Wartebereichen aufgenommen, dass bis weit in den Nachmittag hinein alle Arbeitsplätze komplett ausgebucht“ gewesen seien. Ab Freitag werde „das Verfahren umgestellt, so dass nur noch kurze Registrierungen und die Ausstellung einer Anlaufbescheinigung vorgenommen werden.“ Dadurch könnten mehr Menschen in der gleichen Zeit einen Aufenthaltsnachweis bekommen als zuvor.

Außerdem werde „kurzfristig geprüft, wie durch Personalverschiebungen die Kapazitäten kurzfristig erhöht werden können.“ Schon jetzt aber seien alle Arbeitsplätze besetzt, alle zur Verfügung stehenden personellen Kapazitäten würden „auf die ukrainischen Geflüchteten fokussiert“. Offiziell, betont Blome, bräuchten die Geflüchteten aus der Ukraine aber keine Aufenthaltsgenehmigung, weil der Aufenthalt in Deutschland bis 23. Mai als genehmigt gelte.

Kritik aus der Politik

Aus der Politik kam am Donnerstag kurzfristig Kritik an den Zuständen beim ZAB. CDU-Chef Bernd Petelkau sieht diese „ebenfalls sehr kritisch“ und werde „die Verwaltung bitten, kurzfristig eine Lösung zu finden“. Für SPD-Fraktionschef Christian Joisten ist „die Personalsituation im Ausländeramt seit mehr als einem Jahr katastrophal“, weshalb die SPD im November mehr Personal eingefordert habe.

„Dass die Situation jetzt kollabiert, kann daher nicht verwundern“, sagte Joisten. Man habe es hier „mit einem klaren Fall von Führungsversagen zu tun, für das Frau Blome die Verantwortung trägt. Jetzt braucht das Ausländeramt dringend und schnell mehr Personal, notfalls von anderen Dienststellen der Stadtverwaltung.“

Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte vor ein paar Tagen gesagt, alle Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen, seien in der Stadt willkommen. Dafür wurde unter anderem innerhalb weniger Stunden auf dem Breslauer Platz eine Auffangstelle mit Zelten errichtet, wo Menschen Lebensmittel bekommen und medizinisch versorgt werden können. Die Organisation und das Engagement dort wurden zuletzt gelobt.