Düsseldorf – Die Waschmaschine steht immer noch im Wohnzimmer. Der Keller sei noch zu feucht, um Elektrogeräte anschließen zu können, sagt Jürgen Köllen. Der 55-Jährige wohnt in Erfstadt-Blessem. Das Haus, das er vor acht Jahren mit seiner Partnerin Susanne gebaut hat, wurde bei der Hochwasser-Katastrophe im Juli schwer beschädigt. Köllen sitzt am Esstisch und kontrolliert seine E-Mails. „Noch immer nichts“, sagt der Grabpfleger und schüttelt den Kopf. „Mir ist unbegreiflich, warum wir so lange auf das von der Landesregierung versprochene Geld warten müssen.“
Am 23. September hatte Köllen den Antrag bei der Kölner Bezirksregierung gestellt, Fördermittel aus dem Wiederaufbaufonds 2021 zu erhalten. Das Erfthochwasser war vom Garten über die Lichtschächte in den Keller eingedrungen. „Das Wasser stand in allen Räumen bis zur Decke. Da war nichts mehr zu retten. Heizung, Elektrik, Winterkleidung, wertvolle Instrumente – alles hinüber.“Von dem Einfamilienhaus ist es nicht weit bis zur Abbruchkante in Blessem. Dort war die Erft in eine Kiesgrube gestürzt und hatte mehrere Häuser mit in die Tiefe gerissen. Wegen Einsturzgefahr konnte auch Köllen tagelang nicht in die Wohnung zurück.
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Der Schaden am Haus beläuft sich auf mehr als 100.000 Euro. Heizung und Strom funktionieren inzwischen wieder, weil Köllen die Handwerker-Rechnungen vorgestreckt hat. „Von den versprochenen staatlichen Hilfsgeldern für die Schäden am Haus haben wir noch keinen Cent gesehen“, ärgert sich Köllen. Auch auf die Ausgleichszahlung für den verlorenen Hausrat wartet das Flut-Opfer bislang vergeblich. „Ich verstehe nicht, was daran so kompliziert ist. Schließlich handelt es sich dabei doch um eine einfache Pauschalzahlung“, so der selbstständige Gärtner. „Die vollmundigen Ankündigungen der Politik waren nur Phrasendrescherei. Ich bin bitter enttäuscht“, sagt Köllen.
Grüne kritisieren Landesregierung
Die schleppende Bearbeitung der Fluthilfen ist in der Landeshauptstadt Düsseldorf längst zu einem Politikum geworden. „Die Landesregierung hat den betroffenen Privatleuten, Kommunen und Unternehmen schnelle und unbürokratische Hilfe versprochen – dieses Versprechen muss sie jetzt einlösen“, verlangt Verena Schäffer, Fraktionschefin der Grünen.
Scharrenbach trägt die Verantwortung
In NRW wird der Wiederaufbau von Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) verantwortet. CDU und FDP weisen Kritik an der Entschädigungspraxis zurück. Der Wiederaufbau laufe „auf Hochtouren“ beschwichtigt Ralf Nolten (CDU), Landtagsabgeordneter aus Euskirchen. NRW habe mehr als 100 Millionen Euro Soforthilfe an Privatleute und Kommunen auszahlt. Henning Höne, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP im Landtag, betont, von den derzeit 8200 Anträgen aus Privathaushalten sind 2000 Anträge in der Bewilligung. „Der Wunsch nach schneller, unbürokratischer Hilfe muss mit verantwortungsvollem Umgang mit Steuergeld in Einklang gebracht werden“, sagte der Liberale. Das erfordere auch eine sorgfältige Prüfung.
Stellen können nicht besetzt werden
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte angekündigt, zusätzlich knapp 300 Stellen zu schaffen, damit die Flut-Hilfen schneller ausgezahlt werden können. Die SPD kritisiert, dass die personelle Verstärkung bislang nicht greift. „Planstellen bearbeiten keine Anträge“, sagte der SPD-Politiker Stefan Kämmerling . Ministerin Scharrenbach müsse sich stärker darum bemühen, dass die neu geschaffenen Stellen auch zügig besetzt würden. „Stand heute sind auf die 65 Stellen zur Aufbauhilfe bei der Bezirksregierung Köln aber weniger als 10 Bewerbungen eingegangen“, weiß Kämmerling. So drohe dem Wiederaufbau irgendwann der Baustopp.
Die Leidtragenden sind die Opfer der Hochwasser-Katastrophe: „Es kann nicht sein, dass viele von ihnen bisher noch nicht einen einzigen Cent an Fluthilfen erhalten haben. Sie werden von dieser Landesregierung einfach allein gelassen.“