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Studie zur WahlbeteiligungIn Chorweiler sind Wahlen kein Thema

Lesezeit 3 Minuten

Im Kölner Stadtteil Chorweiler lag die Wahlbeteiligung bei der vergangenen Wahl nur bei 42,5 Prozent

Chorweiler – Das Wahlprogramm der Nichtwähler wird mündlich weitergetragen. Es manifestiert sich in den immer gleichen Sätzen: "Die da oben machen, was sie wollen. Daran ändert meine Stimme nichts." Solche Aussagen hört Bea Metten vor jeder Wahl. "Die Leute sind desillusioniert." Metten ist Arbeitslosen- und Sozialberaterin des Vereins "Engagiert in Chorweiler" (Echo).

In Chorweiler haben gerade einmal 42,5 Prozent der Wahlberechtigten bei der vergangenen Bundestagswahl ihre Stimme abgegeben. Am anderen Ende Kölns, im Stadtteil Hahnwald, lag dieser Wert um statistische Welten höher: 88,7 Prozent gingen zur Wahlurne.

Die Diskrepanz zwischen den Stadtteilen setzt die Studie "Prekäre Wahlen" der Bertelsmann-Stiftung in Zusammenhang mit Faktoren wie Arbeitslosigkeit und Bildungsstand. Die nicht ganz so neue Erkenntnis: In reichen Stadtteilen mit niedriger Arbeitslosigkeit und gut gebildeten Bürgern wie Hahnwald machen die Menschen eher von ihrem Wahlrecht Gebrauch als in armen Stadtteilen wie Chorweiler, in dem viele ohne Beschäftigung und ohne Schulabschluss sind. Während in Hahnwald annähernd Vollbeschäftigung herrscht, liegt die Arbeitslosenquote in Chorweiler bei fast 20 Prozent.

Alles zum Thema Jochen Ott

Abschied aus der Teilhabe

1.004 Stadtteile in 28 deutschen Städten haben die Wissenschaftler der Bertelsmann-Stiftung untersucht. Der Vergleich Hahnwald - Chorweiler war ihnen dabei einer der offensichtlichsten Belege ihrer These: "Gemessen an der Sozialstruktur der Bevölkerung" sei das Ergebnis der Bundestagswahl "auch in Köln nicht repräsentativ", denn besser Situierte seien aufgrund ihrer starken Wahlbeteiligung überrepräsentiert. Dagegen "ziehen sich in den ökonomisch schwächeren Vierteln viele Menschen aus der demokratischen Teilhabe zurück."

"Mit einem Begriff wie Demokratie können viele nichts Konkretes verbinden", sagt Metten. "Zum Teil wissen die Leute gar nicht, wie das funktioniert: wählen gehen. Oft sind schon die Eltern nicht wählen gegangen, und die Kinder gehen dann auch nicht." Mitunter fragen ihre Kunden aber, bei welcher Partei sie denn nun ihre Kreuzchen machen sollen. Da helfe dann nur ein Schnellkursus in den Grundausrichtungen der Parteien.

Dieter Klütsch, Rentner aus Köln-Kalk: "Es wird über unsere Köpfe hinwegbeschlossen und wir müssen sehen, wie wir klarkommen."

Bea Metten, Sozialberaterin in Köln-Chorweiler: "Der kleine Mann hat oft das Gefühl, der Betrogene zu sein."

Fausto Tanzini, Gastwirt in Köln-Kalk: "Die Leute gehen nicht wählen, weil man ihre Sorgen und Nöte nicht ernst nimmt."

Jochen Ott, Vorsitzender der Kölner SPD: "Menschen, die sich in Parteien engagieren, müssen damit rechnen, von Nichtwählern für Fehler anderer in Haftung genommen zu werden."

Fatih Cevikkollu, Comedian aus Köln-Nippes: "Nimm den Stimmzettel in deine Hand, für dein Vaterland."

Gerade vor Wahlen entlädt sich der Frust ihrer Kunden etwa über Jobverlust oder Perspektivlosigkeit. "Dann gehe ich aber nicht tiefer in die Diskussion. Ich sage: »Meckert nicht bei mir, meckert bei den Leuten, die auf den Straßen bunte Fähnchen verteilen«", den Straßenwahlkämpfern also.

Aktion „Kalk wählt“ hat mobilisiert

Ein aufwendiger Versuch, Nichtwähler zu mobilisieren, war die Aktion "Kalk wählt" des "Kölner Stadt-Anzeiger". Bei der Bundestagswahl war das Ziel, im Stadtteil Kalk durch eine wochenlange Kampagne mit einer Fülle von Aktionen und Aufrufen mehr Menschen zum Urnengang zu bewegen. Kalk, das mit ähnlichen sozialen und strukturellen Problemen zu kämpfen hat wie Chorweiler, hatte bei der vorangegangenen Bundestagswahl eine der niedrigsten Wahlbeteiligungen Kölns.

Ergebnis dieses Mal: 58,8 Prozent beteiligten sich, 4,5 Prozentpunkte mehr als 2009. Stadtweit stiegt die Wahlbeteiligung nur um 0,4 Prozent. Die Aktion "schreit nach Wiederholung", sagte damals NRW-Sozialminister Guntram Schneider. Wie die Bertelsmann-Studie kam auch er zu dem Schluss: "Durch die wachsende Schere zwischen Arm und Reich drohen viele Menschen gesellschaftlich außen vor zu bleiben."