Der Samstag des CSD in Köln ist bei knallender Sonne gut besucht. Neben lauter Party wird immer auch die Ernsthaftigkeit betont.
ColognePrideHollywood-Regisseur besucht Musical Dome – So bunt war der CSD-Samstag in Köln
Während der Heumarkt, auf dem am Freitag offiziell das Straßenfest eröffnet wurde, noch schläft, startet am Samstagmorgen, circa 250 Meter weiter, die nächste Party. Im Hard Rock Café versüßen Kimberly Kiss, Laila Licious und Marcella Rockefeller beim Drag-Brunch den Besucherinnen und Besuchern den Morgen.
Es ist erstaunlich, wie viele zu dieser „unchristlichen Uhrzeit“, wie ein Besucher 9.30 Uhr betitelt, da sind, haben doch einige bis tief in die Nacht noch gefeiert. Doch mit Sekt, amerikanischem Frühstück und der liebevollen Schroffheit dreier Dragqueens lässt es sich gut in den CSD-Samstag starten. Während der „Tageslicht-Travestie“, wie Laila Licious es nennt, lipsyncen (die Dragform von Synchronsingen), tanzen, singen sie und machen etliche Witze auf ihre Kosten und auf die des Publikums.
Doch sie nutzen die Veranstaltung auch, um auf die Bedeutung des CSD aufmerksam zu machen und rufen für die Demonstration am Sonntag auf. In Zeiten wie diesen würden Veranstaltungen wie der CSD am liebsten von manchen Parteien wieder verboten werden, sagt Marcella Rockefeller. „Deswegen ist es umso wichtiger, laut zu sein, auf die Straße zu gehen. Kommt morgen alle zur großen Demo, die wird Rekorde sprengen“, appelliert die Dragqueen.
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CSD: Kölner Altstadt ist voller bunter Menschen
Danach, um 12 Uhr, öffnet das Straßenfest wieder seine Pforten. Während auf der Hauptbühne der Soundcheck läuft, füllt sich die Altstadt langsam wieder mit bunten Menschen. Unter ihnen die Kölner Chris und André, die die Ruhe vor dem Sturm nutzen, um Videos mit riesiger Regenbogenflagge zu drehen. „Wir finden es wichtig, uns als homosexuelles Paar, gerade mit großem Altersunterschied, auf Social Media zu zeigen“, sagt Chris.
Das Ehepaar müsse wegen der 22 Jahre, die zwischen ihnen liegen, nicht nur immer gegen die Diskriminierung von außerhalb, sondern auch von innerhalb der queeren Community kämpfen. Der CSD in Köln bedeute ihnen deshalb viel. „Es ist jedes Jahr wieder irre, dieses politische Statement zu setzen, aber auch den Spaß und die wundervollen Menschen zu sehen“, so André. Es habe auch eine gewisse Nostalgie, so viele junge Menschen zu sehen, ergänzt Chris: „Das erinnert mich an mich damals, es ist einfach ein Safespace (sicherer Ort, Anm. d. Red.)“.
Dieses Gefühl des Safespaces scheint sich auch am Samstag durch den CSD zu ziehen. Die Leute tragen, was sie wollen, geben sich gegenseitig immer wieder Komplimente, feuern sich an. „So viele hotte Menschen hier“, ruft auch Rapperin JNNRHNDRXX (ausgesprochen Jenner Hendrix) auf dem Heumarkt, als sie um 15 Uhr das Bühnenprogramm eröffnet.
CSD-Straßenfest setzt Dolmetschende für Gebärdensprache ein
Mit ihren feministischen Texten und heißem Tanz, der von Twerking dominiert wird, lockt die Berlinerin die Menschen vor die Bühne. Neben ihr rappt ein Gebärdensprachdolmetscher ihre Songs mit vollem Körpereinsatz mit und nimmt sich ihrer Energie an. Gebärdendolmetschende stehen den ganzen Tag mit auf den Bühnen, neben Demonstrierenden. Es ist eine weitere Form der Inklusion.
Der Heumarkt, die Altstadt füllen sich über den Tag immer mehr. Freundesgruppen, Familien, Junggesellinnenabschiede und Paare aus ganz Deutschland kommen am Samstag zum CSD-Straßenfest. So ist Mel mit ihrer Tochter Liv aus Dortmund angereist. Am Abend wollen sie sich Pink im Stadion angucken. Den Tag nutzen sie, um den Regenbogen zu feiern – entsprechend bunt hat Mel ihre kurzen Haare gefärbt.
Trotz 34 Grad und knallender Sonne tanzt, singt und jubelt das Publikum mit den Performerinnen und Performern auf den Bühnen auf dem Heumarkt und Alter Markt. Vor der Bühne auf dem Elogiusplatz sitzen die Leute entspannt auf dem Boden. Sie lauschen vorrangig queeren Podcasterinnen und Podcastern, die live Folgen aufnehmen und vor allem über politische, soziale Themen reden – meistens mit ein bisschen Witz.
CSD in Köln: Fette Party und wichtige Demonstration in einem
Besonders geht es vor der Partybühne an der Gürzenichstraße ab. Ähnlich eng wie in Clubs bewegen sich die Menschen zur Musik. Alter, Herkunft und Sexualität spielen dabei keine Rolle. Alle kommen zusammen, um ausgelassen zu queeren Klassikern und klassischer Clubmusik zu tanzen – mit ständiger Taktbegleitung von bunten und glitzernden Fächern. Es ist ein Fest queerer Liebe und Freiheit.
Dass der CSD aber immer auch eine Demonstration ist, zeigt sich am frühen Abend dann auf dem Roncalliplatz. Eine große rosa-weiß-orangefarbene Flagge wird in die Luft gehalten. Ein Symbol für lesbische Menschen. Hinter ihr der Kölner Dom. Im Hintergrund tönen laute Trommeln. Sie werden von weiblich gelesenen Personen gespielt. Es ist der Beginn des Dyke-March-Cologne. Dykes ist das englische Wort für Lesben und wurde lange als Beleidigung genutzt, bevor es eine Umdeutung ins Positive erfahren hat.
Die Kölner Dykes und ihre Verbündeten demonstrieren am Samstagabend für mehr Aufmerksamkeit für die lesbische Community und ihre politischen Forderungen. Die Ausrufe „Stop killing trans* people“ und „Solidarisch und bereit gegen Trans*feindlichkeit“ werden mit Nachdruck geprobt. Es scheint allen bewusst, wie viel Kraft diese Worte haben können. Danach marschieren gegen 18.30 nach Schätzung der Veranstalterinnen circa 2000 Menschen los, unter ihnen Henriette Reker.
Emotionales Lichterbad gegen das Vergessen auf dem Heumarkt
Als es dunkel wird, leuchtet dann der Heumarkt zum Gendenken und gegen das Vergessen von verstorbenen HIV- und Aids-Erkrankten. Es ist ein Lichterbad aus Emotionen, als Tausende Menschen eine Kerze anzünden oder ihre Handylampen einschalten, während Dragqueen Marcella Rockefeller kraftvolle, langsame Lieder singt oder absolute Stille herrscht.
Zuvor erzählen vier HIV- und Aids-Erkrankte ihre Geschichten. So berichtet einer, dass er wegen Drogen erkrankt sei. Er hätte Angst gehabt, von der Gesellschaft verstoßen zu werden. Heute gehe er offen und selbstbewusst mit seiner Krankheit um. Auch eine Kenianerin will offen mit ihrer Krankheit umgehen. „Ich bin schwarz und habe HIV, ich will mich nicht länger verstecken, sondern stolz drauf sein.“ Dann erstrahlt der Heumarkt im Lichtermeer. Das Publikum ist sichtlich gerührt. Einige staunen, bei anderen laufen die Tränen.
Währenddessen ist auch die Schaafenstraße zum Leben erwacht. Gegen 23 Uhr ist sie voll, die Polizei sperrt alles ab. Wie viele Menschen da sind, können die Beamtinnen und Beamten nicht einschätzen, aber an dem queeren Hotspot fange die große Party jetzt erst an. Die Community feiert in den Bars und Clubs, aber auch auf der Straße. Georg und Chris sind das erste Mal auf dem CSD. Sie sind wegen des Moulin Rouge aus Karlsruhe herkommen, aber wollen jetzt auch den CSD mitnehmen. Diese Mischung aus Party und Emotionalität zieht sich eben schon durch den gesamten Samstag des Kölner CSD.
Hollywood-Regisseur zu Gast im Musical Dome
„No matter your desire, you’re welcome here – Egal, was du begehrst, hier bist du willkommen“ – Diesem Motto hat sich das Kölner Musical „Moulin Rouge“ auf und hinter der Bühne verschrieben. Die Macher setzen auf eine divers besetzte Cast und Crew in puncto Geschlecht, Sexualität, Hautfarbe, Kleidergröße, Ausbildung oder Herkunft. Die Show repräsentiert queere und trans* Personen und will so eine neue Normalität auf die Bühne bringen. Mit dieser Botschaft passt „Moulin Rouge“ natürlich perfekt zum Cologne Pride und setzt sich als offizieller Partner für die Ziele der Bewegung ein.
Bevor am Sonntag ein eigener Wagen des Musicals bei der Demo startete, gab es am Samstagabend bereits die große „Get ready to Rouge“ im Musical Dome. Nach der Abendvorstellung des Musicals wurde im Foyer zu Live-Music weitergefeiert. Später legte dann noch ein DJ auf. Und ein besonderer Gast stürzte sich ins Getümmel: Hollywood-Regisseur Baz Luhrmann, der vor 22 Jahren den Film mit Nicole Kidman und Ewan McGregor drehte, auf dem das Musical basiert, ist nach Köln gekommen. Der Australier, dessen Film „Elvis“ jüngst für viel Aufmerksamkeit sorgte, unterhielt sich unter anderem mit dem Hauptdarsteller der Kölner Produktion, Riccardo Greco.