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Erneut Corona-Tote in Kölner PflegeheimWarum der neue Ausbruch ein Skandal ist

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Am 27. Dezember 2020 starteten in Köln die Impfungen in den Pflegeheimen. Ende Januar sollten sie dort abgeschlossen sein – es kam anders. (Symbolbild)

Köln – Der Corona-Ausbruch in einem Ehrenfelder Pflegeheim (hier lesen Sie mehr), bei dem sich Anfang Februar mehr als zwei Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner angesteckt haben, ist aus mehreren Gründen ein handfester Skandal.

Bis zum dritten Februar war kein Bewohner und kein Bediensteter in dem Heim geimpft – obwohl der erste Impfdurchgang in den Heimen Ende Januar abgeschlossen sein sollte. Die für die Impfstoffkoordination zuständige Kassenärztliche Vereinigung verweist auf die vom Landesgesundheitsministerium verordnete „Impfstoff-Enthaltsamkeit“ wegen eines Lieferengpasses Mitte Januar – dadurch hätten sich die Impfungen in den Heimen um eine Woche verzögert. Mitte Januar wurde indes auch schon Personal in Krankenhäusern geimpft – in dem Heim, in dem das Virus vergangene Woche ausbrach, lebten lediglich 71 Menschen. Inzwischen sind es nur noch 67, vier Menschen sind gestorben, weitere werden womöglich folgen.

Unverständlich ist auf den ersten Blick auch, wie es passieren konnte, dass das Virus zehn Monate nach dem ersten Ausbruch in einem Pflegeheim derart grassieren konnte: Die obligatorischen Schnelltests von Besuchern seien durchgeführt worden, teilt die Stadt mit. Die Bediensteten würden wie vorgeschrieben alle drei Tage schnellgetestet. Offenbar hat der Testrhythmus nicht ausgereicht. Oder gab es schlicht nicht genug Testkapazitäten?

Es wird nicht jeder Besucher getestet

Als der Autor dieses Textes vor einigen Wochen ein Kölner Pflegeheim besuchte, wurde er zuvor getestet – ihm wurde allerdings auch mitgeteilt, dass nur an zwei Tagen pro Woche Besucher getestet würden, für mehr Tests gebe es kein Personal. Leserinnen und Leser berichten von unterschiedlichen Vorgehensweisen: Hier strikt, da lax. Nicht in jedem Kölner Heim wird jeder Besucher getestet.

Die Träger und Heimleitungen sind verantwortlich für die Hygienekonzepte und deren Einhaltung: Weil die Vorschriften einigen Verantwortlichen nicht weit genug gingen, gab es seit November in einigen Heimen wieder Besuchsverbote. In anderen wurde jeder Besuch ermöglicht. Dass Pflegekräfte bei einer leichten Erkältung wie vom Robert-Koch-Institut empfohlen zu Hause bleiben, ist bei der Personalsituation der meisten Einrichtungen völlig unrealistisch. Die Einhaltung der Hygieneregeln strikt zu kontrollieren, womöglich auch. Es ist überraschend, dass die jüngeren Ausbrüche in Heimen nicht schon die Staatsanwaltschaft beschäftigen.

Die Einrichtungen sind überfordert

Die Gründe dafür, dass in der zweiten Welle jedes zweite Kölner Corona-Opfer zuvor in einem Seniorenheim gelebt hat, sind struktureller Natur: Schon mit den manchmal wöchentlichen neuen behördlichen Anordnungen und Zusatzaufgaben im Frühjahr 2020 waren die Träger personell überfordert. Die vom Gesetzgeber geforderte Schaffung von Zentren für Schnelltests konnte erst nach Wochen und längst nicht von allen Anbietern umgesetzt werden. Vor den Türen der Heime trifft man auf Bedienstete, die über den Rande der Erschöpfung lange hinaus sind – und sich über immer neue Aufgaben bei gleichbleibend schlechter Bezahlung beklagen.

Laut Barmer-Pflegereport sind Altenpflegekräfte deutlich häufiger krank als Arbeitnehmer in anderen Berufen. Überdurchschnittlich viele Beschäftigte halten nicht bis zur Rente durch, da der Job sie aufzehrt. Neben Rückenschmerzen treten vor allem Depressionen überproportional häufig auf. Bis ein Heim eine gesuchte Pflegefachkraft findet, dauert es im Schnitt ein halbes Jahr.

Mangelnde Wertschätzung politisch gewollt

So wie die öffentlichen Gesundheitssysteme seit Jahrzehnten kaputtgespart wurden, um für Wettbewerb zu sorgen, hat die Politik es versäumt, die Pflegeberufe attraktiver zu gestalten – und sich nachhaltig um das Image eines Berufsstands zu kümmern, der in der Pandemie eine Last trägt, die viel zu schwer ist. Ein Altenpfleger, der vor der vergangenen Bundestagswahl öffentlichkeitswirksam auf Missstände aufmerksam machte, ein kleiner Pflegebonus in der Krise oder öffentliches Klatschen reichen nicht aus.

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Die mangelnde Wertschätzung für die Pflege, die sich in mangelnder personeller Ausstattung und geringen Gehältern widerspiegelt, war politisch über Jahre hinweg gewollt. Das ist der eigentliche Skandal in einem Land, das seit fast einem Jahr vergeblich versucht, seine alten Menschen in Heimen zu schützen.