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Verbotene Treffen unter GefahrRundgang zur schwulen Geschichte Kölns

Lesezeit 5 Minuten
Stadtrundgang CSD1

Martin Sölle – hier vor dem ehemaligen Tom Tom – hat auf seinem Rundgang auch historische Fotos dabei.

Köln – Zu sehen ist nichts mehr, denn das Gasthaus „Ewige Lampe“, das in der Nähe von St. Andreas an der Komödienstraße stand, ist längst verschwunden. Immerhin bekommt die Gruppe, die Martin Sölle vom Centrum Schwule Geschichte durch die Altstadt führt, dank eines historischen Fotos einen Eindruck von dem Gebäude. In den 1920er Jahren trafen sich in der Gaststätte gerne homosexuelle Männer, erzählt Sölle – Treffen in einer Zeit, in der der Paragraf 175 galt, der sexuelle Handlungen unter Männern Strafe stellte.

Entsprechend „zurückgenommen und dezent“ hätten sich die Schwulen in der Öffentlichkeit verhalten, sagt Sölle und zählt weitere beliebte Treffpunkte der damaligen Zeit auf, etwa die „Tempelhof-Diele“ auf der Deutzer Freiheit und das „Dornröschen“ in der Friedrichstraße (heute Neue Weyerstraße), wo Travestiekünstler Johann Baptist Welsch als „Tilla“ auftrat. So groß die Vielfalt, so überschaubar die Zahl der Orte. Kein Vergleich zu heute, wo an einschlägigen Lokalen in Köln kein Mangel ist. Die Gruppe erfährt, wo sie sich konzentrieren: in der Altstadt und im sogenannten Bermudadreieck nahe dem Rudolfplatz.

Kölner Rundgang zur schwulen Stadtgeschichte

Auch an der zweiten Station des Rundgangs zur schwulen Stadtgeschichte ist der Ort, um den es geht, nicht mehr vorhanden: eine „Klappe“, also eine öffentliche Toilette, die sich in der Minoritenstraße befand. Dass sich Männer dort für „anonymen Sex“ trafen, hänge ebenfalls mit dem – unter den Nazis verschärften – Paragrafen 175 zusammen, sagt Sölle. Die Männer hätten Angst gehabt, mit Namen bekannt und eventuell von Sexpartnern erpresst zu werden. Dass solche Treffen unter Gefahr abliefen, galt auch in späteren Zeiten, wie Sölle an einem Beispiel deutlich macht: Im Juni 1966 wurde bei einer Razzia in einer „Klappe“ am Waidmarkt, in unmittelbarer Nähe des Polizeipräsidiums, ein Mann von der Polizei aufgegriffen, bei dem sich herausstellte, dass es Franz Grobben war, Regierungspräsident von Köln. Gegen ihn und andere Beteiligte wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Nachdem die Information an die Presse lanciert worden war, trat Grobben zurück, offiziell „aus gesundheitlichen Gründen“.

Alles zum Thema Christopher Street Day

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„Viele Orte sind nicht mehr sichtbar“, sagt Sölle in der Straße Große Sandkaul vor dem Hotel „Monte Christo“, in dessen Kellergewölbe lange Zeit eine Schwulendisco war. Wieder kommt er auf den berüchtigten Paragrafen zu sprechen, der nach 1945 in der NS-Version in Kraft blieb und den das Bundesverfassungsgericht 1957 als rechtmäßig bestätigte.

Sexuelle Handlungen zwischen Männern waren strafbar

Nach einer ersten Liberalisierung 1969 waren sexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Männern ab 21 Jahren nicht mehr strafbar; erst 1994 wurde der Paragraf aufgehoben. Sölle erzählt davon, dass das Jugendamt sich auf das Klischee von „bunten, schrillen Paradiesvögeln, die mit Tuntenschreien durch die Gegend laufen“ fokussiert habe; dabei seien die Männer eher darauf bedacht gewesen, nicht aufzufallen. Ebenso kommt er darauf zu sprechen, wie man den Behörden ein Schnippchen schlug: Damit ein Lokal nicht als schwul eingestuft wurde, sorgten die Männer dafür, dass sich dort mindestens eine Frau aufhielt.

Keine Frage, warum beim Rundgang die Stephanstraße nicht fehlen darf: Hier feierten im Juli 1991 ein paar Hundert Leute den ersten „Kölner Lesben- und Schwulentag“ (Klust), aus dem der Kölner CSD hervorgegangen ist. Anlass für Sölle, auf den Ursprung des CSD einzugehen: Am 28. Juni 1969 kam es zum Aufstand, als die Polizei in der Homosexuellen-Bar „Stonewall Inn“ in der New Yorker Christopher Street, in der sich zu der Zeit viele Dragqueens aufhielten, eine Razzia veranstaltete. Tagelange Straßenschlachten folgten – der Beginn der Schwulenbewegung.

Erste Kölner Schwulenvereine gründen sich

Stadtrundgang CSD2

In der Stephanstraße  feierten im Juli 1991 ein paar Hundert Leute den ersten „Kölner Lesben- und Schwulentag“ (Klust)

Die Initialzündung in Deutschland habe 1971 Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ gegeben, sagt Sölle, In jenem Jahr gründete sich in Köln nach dem Vorbild der New Yorker Gruppe die Gay Liberation Front (glf, später lglf), die 1982 die erste Parade des CSD-Vorläufers „Gay Freedom Day“organisierte. 1980 gründete sich der SC Janus, der erste und größte queere Sportverein Europas. 1984 entstand das Centrum Schwule Geschichte, und 1985 eröffnete in der Bismarckstraße das Schwulen- und Lesbenzentrum „Schulz“, das 1994 am Kartäuserwall einen neuen Anlauf nahm und etwa zehn Jahre bestand.

Steinstele erinnert an Kölner Aids-Tote

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Die Steinstele zum Gedenken an die Aids-Toten im Lichthof  an St. Maria im Kapitol

Der Lichthof an St. Maria im Kapitol macht die Gruppe vor der „Aids-Säule“ Halt, einer Steinstele, die an die Aids-Toten erinnert. Hier wird am CSD-Samstag wieder eine Gedenkveranstaltung stattfinden, die der „Orden der Perpetuellen Indulgenz“ ausrichtet. Nicht weit entfernt davon, an der Pipinstaße, hat die Kölner Aidshilfe kürzlich ihr neues Domizil bezogen. Das Erdgeschoss beherbergt das „Café Bach“, benannt nach dem 2012 gestorbenen Komiker Dirk Bach, der das „Lebenshaus“ der Aidshilfe mitgegründet hat und dessen Todestag sich in diesem Jahr zum zehnten Mal jährt.

In der Hühnergasse am Alter Markt geht es zurück in die 1980er Jahre. Hier befand sich das „Tom Tom“, bundesweit bekannt geworden durch die Kießling-Affäre der Jahre 1983/84: Dem Vier Sterne-General Günter Kießling wurde „vorgeworfen“, er sei schwul und deshalb erpressbar. Nach Vorlage von Fotos behaupteten Personal und Gäste, Kießling gesehen zu haben. Nachforschungen des „Express“ und Debatten im Bundestag ergaben, dass die „Vorwürfe“ unhaltbar waren. Nach kurzer Rückkehr in den Dienst wurde Kießling „ehrenhaft“ entlassen.

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„Stolperstein“ für den im KZ Dachau ermordeten  Heinrich Malmedy

Noch weiter zurück geht es in der Salzgasse. Hier liegt vor einer Pizzeria ein Stolperstein, der an Heinrich Malmedy erinnert, der nach den Worten von Sölle doppelt stigmatisiert war: Er war obdachlos und schwul. Mehrfach wurde er zu Haftstrafen verurteilt. 1944 stufte die Kölner Kriminalpolizei ihn als „asozial“ ein und ordnete seine Einweisung in ein Konzentrationslager an. Er wurde zunächst in das KZ Natzweiler-Struthof deportiert. Von dort kam er ins KZ Dachau, wo er am 31. Januar 1945 ermordet wurde.