Köln – Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko), den Impfstoff Astrazeneca nicht Menschen unter 60 Jahre zu spritzen, bringt die Impfstrategie der Stadt bei den etwa 6000 Flüchtlingen völlig durcheinander. Wie der Leiter des Wohnungsamts, Josef Ludwig, im Sozialausschuss mitteilte, können im April keine Geflüchteten geimpft werden und im Mai sehr wahrscheinlich auch nicht. Das NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales habe die Stadt darüber informiert, dass nicht genügend Impfstoff vorhanden sei. Das kommt einem zeitweiligen Impfstopp gleich.
Die Stadt habe zuvor beim Land 3500 Impfdosen bestellt, weniger als die Gesamtzahl der Kölner Flüchtlinge, weil Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren nicht geimpft werden können. Vorgesehen war, die geflüchteten Menschen mit Astrazeneca zu impfen. Die Empfehlung der Stiko von Anfang April, der sich Bund und Länder wenig später angeschlossen hatten, macht nun die Pläne zunichte. 90 bis 95 Prozent der Geflüchteten seien unter 60 Jahre alt und könnten daher mit dem Präparat nicht geimpft werden, so Ludwig. Alternative Impfstoffe wie die von Biontech/Pfizer oder Moderna ständen weder Stadt noch Land ausreichend zur Verfügung. Diese würde derzeit an Menschen über 70 Jahren verimpft.
„Diese Aussage macht mich fassungslos“, sagte Jennifer Glashagen (Volt) im Sozialausschuss. Die Stadt müsse alles daran setzen, die Flüchtlinge zu schützen. „Warum werden die Geflüchteten nach Alter priorisiert?”, fragt Jörg Detjen (Linke). „Es würde Sinn machen, sie wie Heimbewohner und Heimbewohnerinnen einzuordnen. Die Ansteckungsquote in den Geflüchtetenheimen ist weiterhin sehr hoch." Michael Peatzold (SPD) sieht die Schuld beim Land, das zu wenig Impfdosen bereitstelle. „Es ist ein Skandal, dass schutzbedürftige Menschen, die in beengten Verhältnissen leben, nicht geimpft werden." Grüne und CDU haben Verständnis für die Stadt. Es sei derzeit schwierig abzuwägen, welche Personengruppe zuerst eine Impfung erhalten soll, sagte Marion Heuser (Grüne). „Die Stadt muss einen Mangel verwalten”, sagte Ursula Gärtner (CDU).
Die Impfstrategie für Geflüchtete sei „Kraut und Rüben“, kritisierte auch Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats. Geflüchtete gehörten in die zweite Prioritätsgruppe. Es sei daher völlig unklar, warum die Flüchtlinge so spät geimpft würden. „Es gibt offenbar keinen Fahrplan, was zu Unsicherheiten unter den Geflüchteten führt.“ Dabei sei die Lage vor allem in den Gemeinschaftsunterkünften aufgrund der Enge schwierig. „Es kann jederzeit zu einem Corona-Ausbruch kommen.“
Quarantäne in zwei Unterkünften
Corona-Fälle gibt es auch derzeit in den Flüchtlingsunterkünften. Wie Ludwig ausführte, stehen die beiden Heime am Urbacher Weg und an der Boltensternstraße 10d unter Quarantäne. Insgesamt gebe es derzeit Corona-Fälle in 25 Unterkünften, 14 seien von der britischen Mutante betroffen. Insgesamt seien 39 Menschen infiziert, 241 gelten als Kontaktpersonen. Seit April 2020 hätten sich 534 Geflüchtete mit dem Virus angesteckt, es habe vier Tote gegeben.
Für Aufsehen hatte ein Corona-Infektionsausbruch in der Notaufnahme an der Herkulesstraße im Februar gesorgt. Dabei hatten sich 41 Flüchtlinge mit dem Coronavirus infiziert, 31 davon mit der hoch ansteckenden südafrikanischen oder brasilianischen Variante. Zudem wurde bei 16 Mitarbeitenden Corona nachgewiesen, bei elf die neue Variante. Die Stadt hatte daraufhin die Unterkunft unter Quarantäne gestellt. Der Rat hatte im gleichen Monat beschlossen, innerhalb von vier Jahren alle Gemeinschaftsunterkünfte zu schließen.
Die Stadt sondiere derzeit eine alternative Unterkunft für die 78 Geflüchteten an der Herkulesstraße, sagte Ludwig. Vermutlich würde ein leerstehender Containerstandort als Ersatz dienen. Ludwig machte deutlich, dass die Herkulesstraße nicht die letzte aller Gemeinschaftsunterkünfte sein werde, die geschlossen wird. Auf einen Zeitpunkt wollte er sich aber nicht festlegen.