Köln – „Das ist unsere letzte Chance“, sagt Fassaneh Ghamanry. Seit ihrem Umzug während der iranischen Revolution im Jahr 1979 träumt sie davon, dass sie irgendwann in ein demokratisches Land zurückkehren wird. Doch seit 44 Jahren herrscht dort ein absolutes Freiheitsverbot.
Genauso wie die anderen Protestierenden stand sie Samstagnachmittag auf dem Roncalliplatz, um ein Zeichnen der Solidarität mit dem iranischen Volk zu setzen und einen Regierungswechsel im Iran zu fordern. „Das ist nicht mehr wie im Jahr 2009, dieses Mal müssen wir es zum Ende durchziehen“, sagt sie.
Demonstration in Köln: Rufe nach „Freiheit" im Iran
Die Demonstranten skandieren dreimal „Azadi", was auf Kurdisch „Freiheit" bedeutet. „Seit vier Wochen leben wir wieder“, sagt Ghamanry. Seit 40 Tagen wüten die Proteste im Iran. Der Auslöser war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie aufgrund ihres „falsch bedeckten Kopfes“ festgenommen.
Daraufhin starb sie am 16. September in einem iranischen Krankenhaus. Dieser Vorfall hat zu einer revolutionären Bewegung geführt. „Es ist nicht nur ein Protest der Frauen und schon gar nicht ein „Kopftuch-Protest“. Inzwischen stellt eine breite Protestbewegung die Verfasstheit der Islamischen Republik in Gänze infrage“. So fängt die Petition an, die am Samstag an alle Teilnehmende verteilt wurde.
Sie stellt elf Forderungen an den Bundestag, darunter nicht nur die sofortige Beendigung der politischen, sowie wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen dem Iran und Deutschland, sondern auch das Aussetzen der Atomverhandlungen und eine Erleichterung der Einreisebestimmungen für iranische Staatsbürgerinnen.
Zur heutigen Kundgebung haben sich Menschen mit unterschiedlichen Staatsbürgerschaften und Absichten versammelt. Was sie vereint, ist der gemeinsame Wunsch nach Freiheit und einer besseren Zukunft. Bei Samira und Shiva geht es um die Heimat ihrer Eltern. Auf ihren beiden Wangen steht „Women, life, freedom“.
„An der Stelle von Mahsa Amini könnten auch meine Schwester und ich sein“, sagt die 36- jährige Samira. Laut aktuellen Berichten von Menschenrechtsorganisationen wurden seit Anfang der Proteste 250 Menschen getötet, unter diesen waren mindestens 35 Kinder.
Iran-Proteste in Köln: „Sie haben keine Angst mehr“
Neda war zum letzten Mal vor 16 Jahren zu Hause im Iran. Dort wurde sie schon als kleines Kind von Beamten am Flughafen festgenommen, weil kein Kopftuch getragen hat. An diese traumatisierenden Ereignisse kann sie sich immer noch mit Augen voller Tränen erinnern. Im Iran lebt nur noch ein Teil von ihrer Familie und ihren Freunden. „Sie sagen, dass viel mehr junge Menschen auf die Straßen gehen als vorher. Sie haben keine Angst mehr aufgrund der fehlenden Zukunftsaussichten“.
Laut Angaben der Polizei startete die Demonstration am Roncalliplatz mit 1600 Teilnehmern, obwohl nur 500 angemeldet waren. Am Heumarkt haben sich 5000 weitere Teilnehmer versammelt. Insgesamt ging die Polizei von 7000 Teilnehmenden im Laufe des Nachmittags aus. „Die Atmosphäre ist friedlich und störungsfrei“, so die Pressestelle der Polizei. Ab 18 Uhr gab es eine Menschenkette am Heumarkt. Sonntagnachmittag soll eine Mahnwache um 18 Uhr am Roeckerathplatz stattfinden.