Im Ermittlungsverfahren gegen Kardinal Rainer Woelki interessieren besonders elektronische Daten, die etwas über den Wissensstand des Erzbischofs aussagen könnten.
Durchsuchungen beim KardinalMeineid-Verdacht: Ermittler beschlagnahmen auch Woelkis Handy und Laptop
Bei ihren Durchsuchungen im Erzbistum Köln hat die Staatsanwaltschaft Köln unter anderem auch das Handy und den Laptop von Kardinal Rainer Woelki sichergestellt. Dies bestätigte der zuständige Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn dem Kölner Stadt-Anzeiger. Zuvor hatte die Online-Ausgabe der „Zeit“ berichtet. Spezialisten des Polizeipräsidiums Köln hätten die Inhalte von Mobiltelefon und Laptop forensisch gesichert und „gespiegelt“ worden. Die Geräte seien danach im Original wieder an den Erzbischof gegangen. Ein Bistumsinsider, der mit Woelkis Kommunikationsverhalten vertraut ist, kommentierte die anstehende Auswertung von Handy und Laptop mit den Worten: „Da werden wir jetzt bald in weitere Abgründe schauen.“
Wie Willuhn weiter erklärte, haben die Ermittler mit der Durchsicht der bei der Razzia in verschiedenen Diensträumen des Erzbistums mitgenommenen Unterlagen begonnen. Der Großteil liege noch bei der Kriminalpolizei. Die beschlagnahmten elektronischen Daten würden jetzt forensisch gesichert.
Woelkis Anzeige wegen Geheimnisverrats ist eingegangen
Eine von Woelkis Anwalt Björn Gercke angekündigte Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses ist am Donnerstag (29. Juni) bei der Staatsanwaltschaft eingegangen. Sie bezieht sich auf die Tatsache, dass Medienvertreter über die bevorstehende Durchsuchung informiert waren und am Dienstagmorgen den Moment abpassten, an dem die Ermittler an der Tür des erzbischöflichen Hauses klingelten und Woelki persönlich ihnen die Tür öffnete.
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Gercke, dessen Kölner Kanzlei Gercke und Wollschläger im Auftrag Woelkis ein Rechtsgutachten zum Missbrauchsskandal angefertigt und im März 2021 präsentiert hatte, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, ihn störe, dass der Termin der Durchsuchungen im Vorfeld offenbar an Medienvertreter durchgestochen worden sei. Das sei unzulässig und strafbar. Er gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft nichts damit zu tun habe. „Aber an einem solchen Verfahren sind ja viele beteiligt.“
Willuhn erklärte, nach Erfassung der Anzeige werde das Verfahren an eine auswärtige Behörde abgegeben, da die Staatsanwaltschaft Köln selbst und die Kölner Polizei Ziel von Ermittlungen sein könnten. Ein von Gercke ebenfalls angekündigter Einspruch gegen die Razzia hat die Staatsanwaltschaft nach Willuhns Worten hingegen noch nicht erreicht. Hierzu hatte Gercke gesagt, die Durchsuchung sei „überflüssig“ gewesen, weil man alles, was die Staatsanwaltschaft benötige, auch freiwillig herausgegeben hätte.
Die Kölner Behörde führt gegen Woelki ein Ermittlungsverfahren wegen Meineidverdachts. Es geht um Aussagen des Erzbischofs vor dem Landgericht Köln im März, in denen er sich zu seinem Kenntnisstand über Missbrauchsvorwürfe gegen einen von ihm 2017 beförderten Priester äußerte.
Weiteres Verfahren betrifft Woelkis Wissen im Fall Winfried Pilz
Woelki bestreitet, vor Gericht unter Eid falsche Angaben gemacht zu haben. Im selben Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft auch wegen des Verdachts einer falschen eidesstattlichen Versicherung Woelkis. Ein weiteres Verfahren betrifft eidesstattliche Versicherungen des Kardinals zum Missbrauchsfall des früheren „Sternsinger“-Präsidenten Winfried Pilz. Auch hier geht es darum, wann Woelki von den Vorwürfen gegen Pilz erfahren haben will.
Weil die Aufklärung durch Vernehmung zahlreicher Zeugen laut Willuhn nicht wirklich weitergeführt habe, beantragten die Ermittler beim Amtsgericht Köln einen Durchsuchungsbeschluss für verschiedene kirchliche Räume, unter anderem das erzbischöfliche Haus, das Offizialat (Kirchengericht) und das Archiv des Erzbistums.
Razzia gegen Woelki: Interesse an Korrespondenz und E-Mail-Verzeichnissen
Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ interessierten sich die Ermittler insbesondere für die Korrespondenzen und E-Mail-Verzeichnisse von Kardinal Woelki, seinem Generalvikar Guido Assmann sowie von dessen Vorgängern Dominik Schwaderlapp, Stefan Heße, Dominik Meiering und Markus Hofmann.
Auch soll der Mailverkehr des früheren Offizials Günter Assenmacher (Leiter des Kirchengerichts), der Personalchefs Stefan Weißkopf und Mike Kolb, des früheren Interventionsbeauftragten Oliver Vogt sowie der früheren Bistumsjustiziarin Daniela Schrader beschlagnahmt worden sein.
Auch Funktionspostfächer wie das des erzbischöflichen Hauses – also Woelkis Büro - waren dem Vernehmen nach im Visier der Ermittler. Woelkis Büroleiterin Gerlinde Schlüter und ihre Korrespondenzen blieben hingegen dem Vernehmen nach außen vor. Was wegen der bekanntermaßen engen Zusammenarbeit Woelkis mit Schlüter in informierten Kreisen für Verwunderung sorgte, begründete Willuhn mit der Beachtung des sogenannten Übermaßverbots. „Wir sind gehalten, uns bei der Durchsuchung auf Material zu beschränken, von dem wir aufgrund von tatsächlichen Anhaltspunkten Beweisrelevanz vermuten dürfen.“
Die von den Ermittlern beschlagnahmten Daten lassen nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ auch die Rekonstruktion von möglicherweise gelöschten Schriftwechseln zu. „Da geht nichts verloren“, hieß es dazu aus informierten Kreisen.
Nach Informationen der Wochenzeitung „Die Zeit“ beschlagnahmten die Ermittler auch Woelkis Laptop und sein Handy. „Wenn das stimmt, werden wir bald in neue Abgründe schauen,“ sagte ein Bistums-Insider, der mit Woelkis Kommunikationsverhalten vertraut ist.
Meineid-Verdacht gegen Woelki: Erweiterten Beschluss fürs Archiv erwirkt
Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, mussten die Ermittler für das Archiv kurzfristig bei Gericht einen erweiterten Beschluss erwirken. Dieser Durchsuchungsort soll von der ursprünglichen Version nicht erfasst gewesen sein. Offenbar wollten die Ermittler dort aber trotzdem Materialien beschlagnahmen, auf deren Existenz und Aufbewahrung im Archiv sie bei den Durchsuchungen andernorts aufmerksam geworden waren.
Mit einem erweiterten Beschluss erhielten sie dann dem Vernehmen nach ungehinderten Zugang und konnten die von ihnen gewünschten Unterlagen mitnehmen. Dabei soll es sich um den „Vorlass“ von Kardinal Woelki handeln, also um private Unterlagen, die Woelkis Tätigkeit als Erzbischof dokumentieren und im Archiv aufbewahrt werden. Willuhn wollte zu dem Vorgang auf Anfrage aus ermittlungstaktischen Gründen keine Stellung nehmen.
Update am 29. Juni: Der Beitrag enthält verschiedende Aktualisierungen einer ursprünglich am 28. Juni veröffentlichten Fassung. Ergänzt wurde auch die Information, dass Woelki sein Handy und seinen Laptop inzwischen zurückerhalten hat.