Köln – Der offene Brief der kirchlichen Angestellten an Kardinal Rainer Woelki findet immer mehr Unterzeichner: „Wir haben innerhalb von nur drei Tagen die 100er Marke überschritten“, bilanziert die Gemeindereferentin Marianne Arndt die Resonanz. „Das sind alles Menschen, die auf der Gehaltsliste des Erzbistums stehen. Und täglich werden es mehr“, fügt sie hinzu. In der Resolution distanzieren sich die bislang 108 Geistlichen, Pastoral- und Gemeindereferenten sowie Religionslehrerinnen von ihrem Erzbischof. Sie konstatieren, dass der Kardinal mit dem Bekanntwerden der PR-Strategien im Missbrauchsskandal „sein letztes Vertrauen“ verbraucht und die Krise „einen nicht vorstellbaren Tiefpunkt“ erreicht habe. Und sie fordern in der Resolution einen „wirklichen Neuanfang“.
Ein Ort des Widerstands
Eine Reaktion der Bistumsleitung auf die Resolution gebe es bis jetzt noch nicht, heißt es im Unterzeichnerkreis. Man sei dort wohl unsicher und warte ab. Um so wichtiger finden die Unterstützerinnen und Unterstützer, sich jetzt zu vernetzen und im Gespräch zu bleiben. Vier Abende hintereinander luden sie daher unter dem Motto „Auszeit 2.0“ ein, um sich auszutauschen - in der Marktkapelle in Ehrenfeld, die sie kurzerhand zum Ort des „Widerstands und der Neuausrichtung“ erklärten. Ein offenes Format sollte es sein. Und sie kamen an den Abenden zahlreich: Menschen aus allen Ecken des Bistums, Hauptamtliche wie ehrenamtlich Engagierte. Sie hatten sich aufgemacht – größtenteils um ihrem Leidensdruck Ausdruck zu geben, ihre Wut und Enttäuschung zu teilen und sich doch irgendwie gegenseitig Mut zu machen.
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Am ersten Abend sangen junge Frauen aus dem Jugendchor Sankt Stephan „Ich komme nicht klar mit deinem Bodenpersonal“, und Pfarrer Dirk Peters bekannte: „Wenn ich jetzt nicht aufstehe, kann ich abends nicht mehr in den Spiegel schauen.“ Am zweiten Abend formiert sich die Gruppe spontan am Brunnen vor der Kirche: „Wo sind die Quellen der Glaubwürdigkeit und Echtheit?“, fragt Arndt im Eingangsgebet.
Ulrich Fink, Pastoralreferent und Beauftragter für Ethik im Gesundheitswesen, hat eine Fahne mitgebraucht auf der er für „Arbeitsfasten für einen Neuanfang“ wirbt. Neben ihm sitzt eine ehemalige Gemeindereferentin: „Ich kann von der Kirche kein Geld mehr nehmen“, sagt sie. „Die Kirche hat abgewirtschaftet und ich frage mich, was kommt danach. Wo wächst etwas Neues?“ Die ältere Dame neben ihr, Jahrzehnte engagiert bei der Katholischen Frauengemeinschaft in Sankt Rochus in Bickendorf, nickt: Jahre habe sie mit sich gerungen, berichtet sie in die Runde. Man spürt dieses Ringen förmlich sinnlich an der Art wie sie spricht. Genauso wie deutlich wird, dass diese Kirche und das was sie in ihr erlebt hat, ein wesentlicher Teil ihres Lebens, ihres Geworden seins ist. Aber die jetzt veröffentlichte PR-Strategie des Kardinals war der letzte Tropfen: „Ich habe jetzt am 11. Oktober meinen Austrittstermin. Ich sehe keinen Lichtschein mehr“, sagt sie.
„Es tut so weh“
Bettina Straetmann ist Gemeindereferentin in Frechen und bekennt: „Was ich vor Ort tue, halte ich immer noch für sehr sinnvoll, aber es tut so weh. So schnell wie die oben alles abreißen, kann man es unten nicht wieder aufbauen.“ Regina Bannert, seit 1988 Pastoralreferentin, ist, wie sie sagt, „inzwischen die letzte Katholikin in ihrer Familie“. Obwohl sie ihren Dienst in der Klinikseelsorge als zutiefst wertvoll erlebe, gehe ihr inzwischen „die Zuversicht ab“. Gehorsam oder eben die Grenze desselben ist das große Thema, das vor allem die geweihten Kleriker umtreibt, die in ihrer Weihe einst dem Bischof Gefolgschaft schworen. „Wem habe ich ein Treueversprechen gegeben und wozu? Muss ich in der Konsequenz die Konzepte solcher PR-Agenturen mittragen?“, fragt sich etwa Pfarrer Klaus Thranberend. Neben ihm sitzt ein Mann in der Runde, der sechs Jahre die katholische Notfallseelsorge koordiniert hat. Voriges Jahr ist er ausgetreten und findet: „Es ist die Pflicht aller Klerikalen gegen diesen Bischof aufzustehen, der nicht in unserem Namen spricht und das ganze Bistum zersetzt.“
Resolution auch für Gläubige?
Viele, die hier sitzen oder die im Laufe der vier Abende kommen und gehen, haben ihren eigenen Weg gefunden: Sie wählen das, wofür das Wort „Amtskirchenfasten“ die Runde macht: Sie treten aus der Amtskirche aus, weil sie die Institution nicht mehr stützen können, und bleiben ihrer Gemeinde vor Ort dennoch treu, weil sie dem für sie Wesentlichen verbunden bleiben möchten. Artikulieren wollen sich viele, aber die Resolution sei ausschließlich eine der Angestellten der Kirche, stellt Marianne Arndt klar. Aber: Die Ehrenfelder Abende machten sehr deutlich, „dass auch die anderen, die ganz normalen Gläubigen, ein Ventil suchen, um ihrem Unmut und Kummer Luft zu machen.“ Daher würden die Initiatoren der Resolution nun auf den Diözesanrat zugehen, um zu beraten, wie ein vergleichbares Format auch auf der Ebene der Gläubigen aussehen könnte.