Köln – Der Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) hat mit Empörung auf die Veröffentlichung im „Kölner Stadt-Anzeiger“ zur PR-Strategie des Kölner Kardinals Rainer Woelki für den Umgang mit Missbrauchsopfern reagiert. „Das Erzbistum Köln und allen voran sein Erzbischof haben den eigenen Betroffenenbeirat für profane Zwecke instrumentalisiert. Sie haben in nahezu menschenverachtender Art und Weise die Betroffenen sehenden Auges einer massiven Retraumatisierungsgefahr ausgesetzt“, sagte der Sprecher des DBK-Beirats, Johannes Norpoth, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Ein solches Verhalten sei „gleichermaßen schändlich wie verwerflich.“
Zuvor hatte die Zeitung geheime Papiere des Erzbistums mit den Plänen von Woelkis PR-Beratern öffentlich gemacht, wie der Kölner Betroffenenbeirat 2020 dazu gebracht werden sollte, die Rücknahme eines ersten Missbrauchsgutachten und die Beauftragung einer Ersatzstudie gutzuheißen und öffentlich zu unterstützen.
Vorwurf der Instrumentalisierung bestätigt
Norpoth erinnerte daran, dass die später zurückgetretenen Mitglieder Gremiums – unter ihnen die Co-Sprecher Patrick Bauer und Karl Haucke –bereits unmittelbar nach der Entscheidung des Erzbistums zur Nicht-Veröffentlichung des ersten Gutachtens sehr deutlich den Vorwurf der Instrumentalisierung erhoben hätten. „Entgegen allen bisherigen Dementis aus dem Erzbistum haben sich spätestens jetzt diese Vorwürfe vollumfänglich bestätigt.“
Bauer sagte, er sei „wütend, enttäuscht und tieftraurig, jetzt zu wissen, dass ich von der Bistumsleitung anderthalb Jahre lang wie ein dressierter Schimpanse durch die Manege geführt worden bin“. Andererseits sei er auch „froh und zufrieden“, dass er mit seinem Vorwurf einer Instrumentalisierung des Beirats 2020 „absolut recht hatte“.
Missbrauchsbeauftragte der Regierung entrüstet
Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, reagierte ähnlich entrüstet. „Betroffene im Kontext von institutionellen Aufarbeitungsprozessen zur Verfügungsmasse zu degradieren und neuerlich die sich beteiligenden Mitglieder eines solchen partizipativen Gremiums massivster Machtmanipulation zu eigenem Nutzen zu unterwerfen, ist anmaßend und empörend“, sagte Claus.
Die Sprecherin der Initiative Maria 2.0, Maria Mesrian sagte, „was seit Oktober 2020 für uns klar war, wird nun bestätigt. Der Betroffenenbeirat sei bewusst instrumentalisiert worden, „um den Ruf und die Existenz Woelkis als Erzbischof von Köln zu retten“. Diese Strategie sei nunmehr gescheitert. Mesrian forderte Woelki auf zu erklären, „wie er sich unter diesen Umständen ein Verbleiben im Amt vorstellt“.
Erzbistum lehnt Stellungnahme ab
Das Erzbistum antwortete auf Anfrage lediglich mit der Bemerkung, dass der „Stadt-Anzeiger“ offensichtlich über vertrauliche Papiere verfüge und daraus seine Schlüsse ziehe. „Zu vertraulichen Papieren nehmen wir grundsätzlich keine Stellung.“ Der amtierende Vorsitzende des Kölner Betroffenenbeirats, Peter Bringmann-Henselder, reagierte nicht auf eine Bitte um Stellungnahme.
Woelkis Berater verteidigten ihr Vorgehen. „Die Bedürfnisse des Betroffenenbeirats nach Transparenz und Konsequenz waren stets handlungsleitend für die von uns empfohlene Strategie“, sagte der Chef der Kommunikationsagentur „Ewald&Rössing“, Torsten Rössing, der Katholischen Nachrichten-Agentur KNA.
„Das Erzbistum richtigerweise bestärkt“
Das Erzbistum sei „richtigerweise“ darin bestärkt worden, „dass eine Entscheidung in der Sache nicht ohne den Betroffenenbeirat erfolgen kann und sollte, da dessen Stimme gewichtig ist und die Stimme der Betroffenen, sowie deren berechtigtes Bedürfnis nach Transparenz keineswegs übergangen werden sollte“, ergänzte Medienanwalt Carsten Brennecke von der Kölner Kanzlei Höcker: „Hätte der Betroffenenbeirat gegen die Nichtveröffentlichung des WSW-Gutachtens gestimmt, dann wäre auch eine Neubewertung der Situation und Handlungen erfolgt.“
Norpoth prangerte ein Missverhältnis zwischen den Ausgaben für „Eigenschutz des Erzbistums und seines Bischofs“ und den Anerkennungsleistungen für Betroffene an. „Auch hier wird wieder einmal mehr als deutlich: Der Schutz von Institution und Würdenträgern ist dieser Kirche mehr wert als die finanzielle Anerkennung des Leids, das Betroffene durch Missbrauchstaten, Vertuschung und Strafvereitelung bis heute zu tragen haben.“
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Der Sprecher des DBK-Beirats forderte, den Bischöfen die Verantwortung für Betroffenenarbeit und Aufarbeitung zu entziehen und in unabhängige Hand zu geben. „Mit der Schaffung geeigneter und vor allem unabhängiger Strukturen könne die Bischofskonferenz dann an Aufarbeitung, Prävention und Schadensausgleich tatkräftig mitwirken. „Aber eben als Täterorganisation ohne Einfluss und Macht auf Inhalte und Mitarbeitende, auf Studienergebnisse und deren Veröffentlichung“, so Norpoth.