Die Deutsche Bahn hat den Pächter Ende 2023 zwar erfolgreich herausgeklagt, aber dennoch ist unklar, wie die Mietverhältnisse an den Bahnbögen aussehen.
„Man hört nachts Schreie“Situation an Ehrenfelder Bahnbögen eskaliert – Ex-Pächter räumt Bögen nicht

Müll, aufgebrochene Bauzäune, Besetzung durch Obdachlose: Die Ehrenfelder Bahnbögen geben ein Bild der Misere ab.
Copyright: Martina Goyert
Der Zustand der Bahnbögen – es sind 55 in Ehrenfeld und 35 am Eigelstein – ist eine Kölner Endlosgeschichte der Verwahrlosung. Während die Gewölbe am Eigelstein weitestgehend saniert sind, verkommen jene in Ehrenfeld zusehends. Ein Blick nach Wien oder Berlin zeigt: Es kann auch anders gehen. In den Gewölben der S-Bahn-Haltestelle Hackescher Markt reiht sich ein Lokal an das nächste. Die Gastromeile mit internationalem Flair ist ein Vorzeigeprojekt. Ideen für Nutzungen gibt es auch für die Kölner Bögen zuhauf. Der Club Bahnhof Ehrenfeld etwa zeigt seit Jahren, dass es auch klappen kann. Doch statt weiterer schicker Lokale oder gemeinnütziger Begegnungsstätten stößt man seit zwei Jahrzehnten vor allem auf: Misere.
Ein Freitagvormittag im März. Dennis und Andrej Weissenberger vom Verein „Ehrenfelder Bahnbögen“ zeigen an der Hüttenstraße auf die teils aufgebrochenen Bauzäune, die die Bögen eigentlich sichern sollen. Sie beklagen, dass die Situation im vergangenen Jahr weiter „eskaliert“ sei. Im Januar hat es in einem der Bögen gebrannt, es gab einen Feuerwehreinsatz. Die Brandspuren sind immer noch deutlich erkennbar und reichen bis oben an die Absperrung der Trasse. Im Bogen selber liegen Aschereste, verbrannte Kleidung, Metallschrott, alte Fahrradreifen. Anwohner berichten davon, dass Fäkalien und Essensreste Ratten anziehen.

Brand im Januar, in einem Bahnbogen ist ein Feuer entfacht. Drinnen liegen noch die verbrannten Überreste: Kleidung und anderer Müll.
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Jahrelanger Rechtsstreit zwischen aufgelöster Bahnbögen Gmbh und der Deutschen Bahn
In anderen Bögen türmen sich Schrott und kaputte Möbel. Ob das Mieter sind, die die Gewölbe zur Deponie umfunktioniert haben oder Privatpersonen hier eine günstige Gelegenheit zur illegalen Entsorgung sehen, ist nicht klar. Teilweise zieht sich der Schimmel über die ganze Decke: Seit Jahren ist bekannt, dass die Feuchtigkeit das Hauptproblem der dringend sanierungsbedürftigen Gewölbe ist.
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Seit der ehemalige Pächter Lutz Figge mit seiner mittlerweile aufgelösten Bahnbögen Gmbh aus dem Mietvertrag mit der Deutschen Bahn, der Eigentümerin, herausgeklagt wurde, fühle sich nun keiner mehr so richtig für die Sicherung des Privatgeländes zuständig, sagt Weissenberger, der im Umfeld der Bögen wohnt. „Die Menschen machen sich Lagerfeuer, um sich zu wärmen. Den Sperrmüll schaffen sie sich zum Teil auch als (Lärm-)Schutz an, teilweise bleibt der dann auch auf dem Gehweg liegen, was gefährlich sein kann.“ Nicht selten höre man nachts Schreie. „Es handelt sich teilweise um psychisch kranke Menschen, die einen sicheren Hafen brauchen, aber das sind keine würdigen Umstände.“

Dennis und Andrej Weissenberger vom Verein Bahnbögen e. V. bei einem Spaziergang entlang der Hüttenstraße, wo die Verwahrlosung nochmal zugenommen habe.
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Gegenstand des jahrelangen Rechtsstreits zwischen DB und Figge waren „Vertragsverletzungen“, denn Figge hatte nur die Nebenkosten und nicht die volle Pacht gezahlt. Der Ex-Pächter beharrte auf einen Passus im Vertrag, laut dem die Bahnbögen GmbH die vereinbarte Pacht von 14.819 Euro erst an die Bahn zahlen muss, „wenn sie selbst ‚nachhaltige Mieteinkünfte erzielt“.
Doch warum geht es seit dem Urteil des Oberlandesgerichts vom Dezember 2023 nicht weiter? „Eine ordentliche Übergabe“ der Bögen sei noch immer nicht erfolgt, sagt ein Bahnsprecher auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Bis heute hat die Deutsche Bahn keine ausführliche Übersicht über die einzelnen Mieter der ehemaligen Bahnbögen GmbH erhalten. Daher hat die DB eigenständig eine Dokumentation aller Mieter und Nutzer angestoßen. Einige Mieter haben selbständig den Kontakt zu uns gesucht. Mit diesen Mietern sind wir bereits in Gesprächen“, heißt es weiter.
Dennis und Andrej Weissenberger vom Verein „Ehrenfelder Bahnbögen“ unterstützen die Bahn bei der Dokumentation und gehen von aktuell rund zehn Mietern in Ehrenfeld aus, so Dennis Weissenberger.
Deutsche Bahn und Stadt Köln führen Gespräche zur Zukunft der Bahnbögen
Es klingt einfach: Der Ex-Pächter braucht nur die Bögen zu räumen, dann kann die Belebung und Vermarktung der Flächen beginnen. So das erklärte Ziel der Deutschen Bahn. Vertreter der Stadt, wie Wirtschaftsdezernent Andree Haack, sind dem Vernehmen nach an Gesprächen mit der Bahn zur Zukunft der Bögen beteiligt.
Auch die Stadt bestätigt auf Anfrage, dass „es bereits einen ersten Auftakttermin mit der DB“ gab, weitere Abstimmungen seien für das zweite Quartal 2025 geplant. Das Stadtplanungsamt solle die Maßnahmen begleiten, um den öffentlichen Raum im „Kontext der Bögen“ zu gestalten. Doch die undurchsichtigen Mietverhältnisse blockieren diesen Prozess.
Grund dafür ist offenbar, dass Figge nicht nur Pächter, sondern gleichzeitig auch Mieter von Bahnbögen war und möglicherweise weiterhin ist. Auf Anfrage dementiert Figge, „weiter die Bahnbögen zu okkupieren. Wir sind aus allem raus“, sagt er dieser Zeitung. Firmen, die in Verbindung mit Figge oder seiner Frau Ulrike Figge stehen und dieselbe Büroadresse, nämlich die Plankgasse 44a aufführen, sind unter anderem: Mestah Gmbh, Köln Kätschup Gmbh, die Künstleragentur Art Arch Cologne sowie die Bahnbögen Gmbh. Letztere wurde im Januar aufgelöst. „Mit der Mestah sind wir komplett raus. Die Art Arch Cologne hat einen eigenen Kunstbogen im Bereich Bartholomäus-Schink-Straße“, so Figge.
Dort sei man aber, genauso wie bei der Kätschup Gmbh – ein soziales Projekt zusammen mit Gastronomen aus Ehrenfeld – nicht mehr operativ tätig, sagt Figge. „Diese werden von Fachleuten, die wir kennen, weitergeführt. Wir sind zwar noch beteiligt, aber nicht mehr in der Geschäftsführerrolle.“ Ein Blick ins Internet zeigt aber: Figge wird auf den Webseiten von AAC und Mestah Gmbh weiter als Geschäftsführer angegeben, bei der Köln Kätschup Gmbh nennt North Data Ulrike Figge als Geschäftsführerin.

Schimmel überall und zugestellt mit Sperrmüll: In den Bögen entsorgen Leute kaputte Möbel und Schrott.
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Bahnbögen: Firmenkonstruktionen des Ex-Pächters sind undurchschaubar
Die Firmenkonstruktionen und welche Rolle Figge darin weiter spielt, werden selbst auf wiederholte Nachfrage nicht klar. Stattdessen sieht Figge das Versagen bei der Bahn: Er wirft ihr seinerseits undurchschaubare Zuständigkeiten in den vergangenen Jahren vor, dass sie ihrer Pflicht zur Sanierung nicht nachgekommen sei, keinen Zukunftsplan vorlege und auch nicht vordergründig an der Nutzbarkeit der Bögen interessiert sei. Weshalb es seit Jahren nicht vorangehe, so Figge.
„Wir haben immer Ordnung gehalten, ein bis zwei Mal die Woche kontrolliert, ob es Besetzungen gibt. Eine Ordnungsgruppe hat sich gekümmert, sauber gemacht und den Müll auf eigene Kosten entsorgt, die Polizei Köln hat immer geholfen, obwohl es nicht in ihre Zuständigkeit fällt.“ Zum Schluss schlägt Figge versöhnliche Töne an: „Wir würden uns freuen, wenn die Entwicklung der Bahnbögen weitergehen würde, angestoßen von wem auch immer.“
Bahnbögen: Mieter verunsichert – Nicht alle zahlen aktuell die Pacht
Derweil verschärft sich die Verwahrlosung vor Ort. Diesem Vorwurf widerspricht die Deutsche Bahn jedoch: „Es gibt Kollegen vor Ort, die sich um die Instandhaltung der Bauwerke kümmern“, so der Sprecher. Und: Unter Hunderten von Brücken im Ballungsgebiet lebten Menschen. „Wir werden Menschen, die einen Schutzraum dort suchen, nicht grundlos wegschicken.“ Auch die Bürgerbeschwerden nehmen zu: Das Ordnungsamt der Stadt Köln erreichten 2024 sieben Beschwerden wegen der Situation an den Bögen, 2023 eine und 2022 keine.
Und die Mieter? Die sind verunsichert. Manch einer überweist seine Miete an ein Sonderkonto des Amtsgerichts Köln, wo sie zunächst hinterlegt wird. Die Mieter wollen diese Informationen nicht mit ihrem Klarnamen nennen. Sie sind dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ jedoch bekannt. Der ein oder andere hat die Zahlung der Pacht seit dem Gerichtsurteil ganz ausgesetzt, weil ihm kein neuer Mietvertrag mit der DB vorliegt.