Kurz nach seinem Abitur kaufte sich Brodbeck einen Mercedes 300. Ein Auto, fast so groß wie eine Studentenbude, nur weitaus komfortabler ausgestattet.
Alte Liebe rostet nichtDer Kölner Jost Brodbec fuhr mit seinem „Adenauer-Mercedes“ bis zur Atlantikküste
Technische Daten:
Mercedes-Benz 300
Baujahr: 1952
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Hubraum ccm: 3000
PS: 115
Zylinder: 6
Km/h max: 155
Verbrauch: 16-25 Liter
Gebaute Exemplare: 4563
Neupreis: 19 900 D-Mark
Kurz nach seinem Abitur kaufte sich Jost Brodbeck nicht etwa einen VW Käfer oder eine Ente, wie andere seines Alters, sondern einen Mercedes 300. Ein Auto, fast so groß wie eine Studentenbude, nur weitaus komfortabler ausgestattet. Weil sich auch der Bundeskanzler in diesem Modell chauffieren ließ, bekam der Wagen den Beinamen „Adenauer-Mercedes“ verpasst. Medizinstudent Brodbeck setzte sich natürlich selbst an das riesige Steuer. Im Benz ging es zur Uni, an die französische Atlantikküste oder zur Bundeswehr. Aber möglichst nicht bei Regen und im Winter, die Pflege seiner zwei Tonnen schweren Karosse war dem heute 83-Jährigen von Anfang an wichtig. So kommt es, dass sein 300-er nicht nur noch immer gut in Form ist, sondern auch heute noch staatstragende Autorität ausstrahlt. Erst recht, wenn Jost Brodbeck seine selbst entworfene Standarte anschraubt.
Deshalb habe ich ihn:
1963 suchte ich nach einem großen Auto, um dann einen sparsamen Diesel-Motor einzubauen. In Holland kostete der Liter Diesel damals nur ein paar Cent. Meine Lehrer aus dem Gymnasium, das ich im Frühjahr 1963 endlich hinter mir lassen konnte, staunten nicht schlecht, als sie mich mit dem Mercedes 300 durch die Gegend fahren sahen. Viele von ihnen fuhren damals noch mit dem Fahrrad zur Schule.
Der Benz wurde mir von einem Bestattungsunternehmer angeboten, der ihn einem Teppichhändler von der Severinstraße abgekauft hatte. Der Bestatter wollte einen Leichenwagen daraus machen, aber dazu kam es nicht. Also kaufte ich ihm den zwölf Jahre alten Mercedes für 1800 D-Mark ab. Das war natürlich viel Geld, andererseits aber auch billig für ein Auto, an dem nichts dran war. Den Dieselmotor aus einem Mercedes 170 SD, den ihn generalüberholt noch in der Garage liegen hatte, habe ich am Ende doch nicht eingebaut. Das hielt ich für Frevel am 300er. Und so bin ich Weihnachten 1963 mit den originalen 115 PS zu meiner Freundin in die Eifel gefahren. Dabei habe ich erstmals gemerkt, wie viel der Wagen überhaupt verbraucht. Deswegen habe ich ihn später eher selten aus der Garage geholt.
Das kann er:
Im Vergleich zu anderen Fahrzeugen fuhr der 300-er unheimlich gleichmäßig und ruhig. Den Motor hörte man kaum – im Gegensatz zum VW Käfer zum Beispiel. Alles war einfach und bequem. Das war und ist eine wirklich luxuriöse Limousine. Zwar sind weder die Lenkung, noch die Bremsen leichtgängig. Als Sportler war aber selbst das für mich kein Problem.
Das kann er nicht:
Nachteile gibt es kaum, außer, dass er äußerst durstig ist und für mich mittlerweile kaum noch zu fahren ist. Bremsen und Lenken ohne Servo ist bei einem Auto dieses Kalibers für einen älteren Herrn kein Pappenstiel.
Das habe ich für ihn getan:
Ich habe das Auto immer geschont. Er hat selbst nach 61 Jahren in meinen Händen gerade mal knapp 90.000 Kilometer auf der Uhr und das mit dem ersten Motor. Im Winter habe ich ihn immer abgemeldet und in die Garage gestellt. Dann bin ich auf einen Renault 4 CV umgestiegen. Ansonsten habe ich ihm regelmäßige Ölwechsel und Inspektionen gegönnt. Restauriert wurde nichts, nur die hintere Stoßstange habe ich mal neu verchromen lassen. Der Rest ist original. Sogar die Sitzbezüge und die Holzverkleidungen.
Das haben wir erlebt:
Als ich noch jung war, habe ich den Wagen als Alltagsauto genutzt. In den 1970-er Jahren wurde ich auf dem Breslauer Platz am Hauptbahnhof von einem ausparkenden Käfer-Fahrer angefahren. Der Kotflügel des VW war eingedrückt, das Trittbrett lag auf dem Boden. Fast das ganze Auto war zertrümmert. Beim Mercedes allerdings blieb nur eine winzige Beule an der vorderen Stoßstange zurück. Die kann man heute noch erfühlen, aber kaum sehen. Eine kuriose Begebenheit gibt es auch von der Mülheimer Brücke zu berichten. 1973 hatte ich als Stabsarzt den Rang eines Majors bei der Bundeswehr.
Ich war im Mercedes unterwegs, als mir auf der Brücke ein Bundeswehr-Lkw auffiel, der mit ausgefahrenem Stützbein an der Seite unterwegs war. Erst habe ich gehupt. Keine Reaktion. Dann bin ich daneben gefahren und habe gewunken. Keine Reaktion. Dann habe ich das große Schiebedach aufgefahren und habe meine Majorsjacke rausgehalten. Der Fahrer hielt sofort an und salutierte. Das war mir ein bisschen unangenehm, ich wollte ja nur auf die Stütze hinweisen.
Das haben wir vor:
Gar nichts mehr. Geplant sind nur ein paar Ausfahrten mit den „Oldtimer-Freunden Bergisch Gladbach“. Mein Schwiegersohn ist zwei Meter groß, für ihn könnte der Mercedes genau passend sein. Er kriegt ihn aber erst, wenn ich nicht mehr da bin.
Aufgezeichnet von Tobias Christ