Europarlament statt Straßenblockaden? Drei Kölner Aktivisten erklären, warum sie sich nicht mehr auf die Straße kleben wollen.
„Wir werden weiter stören“Nach Ende der Klebeaktionen – das plant die „Letzte Generation“ in Köln
Das Ende der Klebeaktionen der „Letzten Generation“ fällt in Köln unspektakulär aus. Am 15. Dezember 2023 wollen zwölf Aktivistinnen und Aktivisten den Theodor-Heuss-Ring am Ebertplatz blockieren. Doch offenbar ist die Polizei vorbereitet. Noch bevor sich die Aktivisten festkleben können, räumen Beamte die meisten von ihnen von der Straße. Eine Stunde nach Beginn der Aktion fließt der Abendverkehr wieder ungestört weiter. Es sollte die letzte Klebeaktion der Klimagruppe gewesen sein. Eineinhalb Monate später verkünden die Aktivisten, dass sie fortan auf Straßenblockaden mit festgeklebten Aktivisten verzichten wollen.
Seither ist es ruhig geworden um die „Letzte Generation“. Zuletzt machte sie mit der Ankündigung, für das Europaparlament kandidieren zu wollen, von sich reden. Ist das der erste Schritt eines langen Marsches von der Straße durch die Institutionen? Ganz so will Caroline Schmidt den Strategiewechsel nicht verstehen: „Wir wollen den Protest ins Parlament bringen“, sagt sie bei einem Treffen in einem Kölner Café.
Die „Letzte Generation“ und die Frage, welchen Preis man bereit ist, zu bezahlen
Die 42-Jährige ist das wohl prominenteste Kölner Gesicht der Klimagruppe. In den vergangenen eineinhalb Jahren war sie an zahlreichen Klebeaktionen beteiligt, immer wieder stand sie deswegen schon vor Gericht. Im vergangenen Jahr erhielt sie die bisher höchste Strafe für eine Klimaaktivistin – acht Monate auf Bewährung lautete das Urteil eines Berliner Gerichts. Dagegen hat sie Berufung eingelegt. Zusammen mit Lucas Valter und Thorsten Rochelmeyer will sie erklären, wie der Strategiewechsel zu verstehen ist.
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„Die Europawahl ist für uns eine Tür, die so sperrangelweit offensteht, dass wir gar nicht anders können als da durchzugehen“, sagt Rochelmeyer. Zum einen seien die bürokratischen Hürden niedriger als bei Bundestagswahlen, es gibt etwa keine Fünf-Prozent-Klausel. „Zum anderen dürfen zum ersten Mal schon Menschen ab 16 Jahren wählen.“ Für junge Menschen gebe es kein politisches Angebot. In den Augen des 41-Jährigen ist das die Chance für die „Letzte Generation“. „Wir sind momentan bekannt wie ein bunter Hund und wollen Lösungen anbieten, die das Übel des Klimawandels an der Wurzel packen.“
Ihren hohen Bekanntheitsgrad verdankt die Bewegung aber gerade jenen Aktionen, denen sie nun abschwören: dem Festkleben auf der Straße. Doch die sorgten nicht nur für Staus und hupende Autofahrer. Sie stellten die Aktivisten auch vor die Frage, welchen Preis sie für diese Aufmerksamkeit zu zahlen bereit sind. Denn die Aktionen stießen zunehmend auf Ablehnung. In einer Umfrage aus dem vergangenen Jahr erklärten 85 Prozent der Befragten, dass sie kein Verständnis für die Straßenblockaden haben.
„Letzte Generation“ will künftig unangemeldete Demonstrationen veranstalten
„Es macht uns auch keinen Spaß, beschimpft und angespuckt zu werden. Wir sind uns darüber bewusst, dass der Protest für alle Seiten belastend war. Aber er war notwendig“, sagt der 19-jährige Valter. „Um ein Beispiel zu nennen“, ergänzt Rochelmeyer: „Zu Caren Miosga in die ‚Tagesthemen‘ sind wir erst gekommen, nachdem wir einen Flughafen blockiert haben. Dort wären wir nicht gelandet, wenn wir ein paar Schilder in der Fußgängerzone hochgehalten hätten.“
Mittlerweile sei der Unterstützerkreis aber groß genug, um auf solche Aktionen verzichten zu können, glauben sie. In Deutschland gebe es über 1000 aktive Mitglieder und ein Vielfaches an Menschen, die die Bewegung unterstützen würden, so Schmidt. Diese Unterstützung wollen sie nun ausbauen. „Es ging uns nie darum, beliebt zu sein“, sagt sie. Und doch sagt sie: „Wir wollen anschlussfähiger werden.“
Dieses Ziel wollen sie mit „ungehorsamen Versammlungen“ erreichen. „Wir wollen uns auf der Straße versammeln und Menschen aus der gesamten Gesellschaft ermutigen, sich mit uns für Klimaschutz einzusetzen.“ Auch in Köln ist am 16. März eine solche Versammlung geplant. Was sie von normalen Demonstrationen unterscheidet: Sie werden nicht angemeldet. „Sobald wir eine Versammlung anmelden, sorgen die Veranstaltungsbehörden dafür, dass sie niemanden stört“, so Rochelmeyer. Das stehe im Widerspruch zum wichtigsten Ziel: „Aufmerksamkeit erzeugen.“
Außerdem wolle man sich mit Aktionen in Zukunft stärker auf „Orte der Zerstörung“ konzentrieren, „etwa Flughäfen oder fossile Konzerne“, führt Rochelmeyer als Beispiele an. Ins Detail wollen sie nicht gehen. Valter versichert aber: „Wir werden weiter unübersehbar bleiben. Ohne Störungen funktioniert das nicht.“