Köln – Gewöhnt ist man die Menschenmassen nicht mehr. Die Fangesänge in der überfüllten Bahn. Die Staus auf dem Gehweg der Aachener Straße Richtung Stadion. Die Fantrauben vor den Kiosks und Restaurants am Militärring. Die Einsatzwagen der Polizei-Hundertschaften vor der als Risikospiel eingestuften Partie gegen Leverkusen.
„Wo ist nochmal die Osttribüne?“
Auch einige Fans des 1. FC Köln müssen sich erst wieder daran gewöhnen, dass das Stadion beim Derby am Sonntag gegen Bayer 04 Leverkusen erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wieder mit 50 000 Menschen gefüllt werden darf: Ein paar von ihnen fotografieren die Menschenschlangen vor dem Eingang am Marathontor, ein junger Mann fragt seinen Kumpel lachend: „Wo ist nochmal die Osttribüne?“
Vor allem sind da Freude und Erleichterung. „Wir haben das Gefühl, zusammen ins Stadion zu gehen, die Hymne zu singen und auf der Tribüne mit dem FC zu bangen, mehr als eineinhalb Jahre entbehrt“, sagt Mike Ciczba, der eine gute halbe Stunde vor Spielbeginn mit seiner Frau Birgit und Kumpel Michael Limberger auf der Stadionvorwiese steht. „Am Anfang ging es noch, man hatte dann samstags halt mal mehr Zeit. Aber es wurde mit jeder Woche schwerer.“ - „Fußball ohne Fans im Fernsehen, das hat einfach keinen Spaß gemacht“, sagt seine Frau.
Jetzt leuchtet der Rasen wieder für fast 50 000 Menschen grün und der Himmel blau, aus dem Innenraum schallen Fangesänge.
„Noch mehr als die Spiele hat das Soziale gefehlt“, sagt Birgit Ciczba. „Wir sind eine Gruppe von rund zehn Leuten, die sich seit mehr als 20 Jahren beim FC im Stadion trifft. Viele von uns haben sich eineinhalb Jahre nicht gesehen. Ich hatte Tränen in den Augen, als ich beim Spiel gegen Hertha einige zum ersten Mal wiedergesehen habe.“
„Man weiß es seit Corona mehr zu schätzen, was es heißt, hier alle zwei Wochen hingehen zu dürfen“, sagt Michael Limberger. Als Privileg haben es die Fans des 1. FC Köln nicht immer empfunden, zu den Heimspielen ins Stadion zu gehen. Seit den Lockdown-Erfahrungen der Corona-Pandemie haben die singenden Fans, die Hymne vor dem Spiel, das Wegebier mit Kumpels und der grün leuchtende Rasen, etwas Neues, Schützenswertes. „Es ist einfach nicht selbstverständlich, das regelmäßig zu erleben“, sagt Mike Ciczba. „Auch wenn man das vor Corona immer gedacht hat.“
Der Jubel ist: laut
Nach 15 Minuten (und dem 0:1) leuchtet der Rasen für die Kölner Fans nicht mehr ganz so grün, nach 17 Minuten (und dem 0:2) nicht mehr lückenlos blau. Die Rückstände sind gut bekannt – in der Corona-Zeit führten sie häufig dazu, dass die Kölner vor leeren Rängen nicht mehr zurückkamen. Jetzt feuern gut 48 000 (mit Ausnahme der Leverkusener Fans) ihren FC an, und tatsächlich kommt Köln durch zwei Tore von Anthony Modeste zurück. Der Jubel ist: laut.
Kioskbetreiber freuen sich
Freuen können sich auch die Geschäftsleute rund um das Stadion. „Wir haben in der Corona-Zeit geblutet, fast hätten wir das nicht überstanden“, sagt Ashish Channa, Betreiber des „Kiosk am Mili“. Der Getränkeverkauf vor den FC-Heimspielen sei „der wichtigste wirtschaftliche Faktor für unseren Laden“. 300 bis 400 Flaschen Kölsch hat das Kiosk vor dem Derby verkauft, dazu Kurze, nicht alkoholische Getränke, Süßigkeiten und Zigaretten. „Dass der FC wieder 50 000 Menschen ins Stadion lassen darf, ist für uns definitiv auch ein Grund zum Jubeln“, sagt Channa.
Ein Platzverweis, zwei zerstörte KVB-Fenster
Positiv fällt auch das vorläufige Resümee der Polizei nach dem Großeinsatz aus: Ein Leverkusener Fan erhielt nach Provokationen mit Kölner Anhängern vor dem Stadion einen Platzverweis, am Deutzer Bahnhof wurden zwei Glasscheiben von KVB-Wagen zerstört, ein Fan wurde dabei direkt gefasst. Die Polizei hatte die Kölner und Leverkusener Fans weiträumig voneinander abgeschirmt.