Das Kölner „domradio“ hat sich vom „Meisner-Radio“ zu einem anerkannten Kirchensender gemausert. Jetzt hat Kardinal Rainer Woelki andere Pläne.
Erzbistum KölnWoelkis nächste Attacke gilt dem „domradio“
Die gute Nachricht zuerst: Kardinal Rainer Woelki will das „domradio“ erhalten. Immer wieder einmal geisterten Gerüchte durchs Erzbistum Köln, der Erzbischof könnte angebliche Sparzwänge zum Anlass nehmen, dem vergleichsweise unabhängigen Sender als einem der (wenigen) Bistumsprojekte mit buchstäblich positiver Ausstrahlung den Stecker zu ziehen.
Solche Besorgnisse sind nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bis auf Weiteres hinfällig. Aber: Woelki will das Multimedia-Angebot mit UKW-Radio für Köln und Umgebung, Web-TV, Internet-Plattform und Social-Media-Kanälen seinem jetzigen Träger wegnehmen und es in eine gemeinnützige GmbH überführen, auf die er leichteren Zugriff hätte.
Zum Erreichen dieses Ziels legte Woelkis Generalvikar Guido Assmann in der vergangenen Woche eine auffallende Betriebsamkeit an den Tag. Am Dienstag tauchte er in einer Mitgliederversammlung des Bildungswerks des Erzbistums auf, außerhalb der Tagesordnung und mit Ankündigung erst in der schon laufenden Sitzung. Es gebe etwas mitzuteilen, raunte die Vorsitzende Petra Dierkes, ehemalige Leiterin der Hauptabteilung Seelsorge im Generalvikariat, zur Verwunderung der Runde.
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Träger des „domradio“ ist noch das Bildungswerk im Erzbistum Köln
Das Bildungswerk ist Träger des „domradio“. Mitglieder im „Bildungswerk der Erzdiözese Köln e.V.“ sind katholische Verbände und Organisationen. Sie stellen die gesellschaftliche Pluralität sicher, die Voraussetzung ist für die Sendelizenzen des „domradio“. Mit dieser seit mehr als 20 Jahren bewährten Konstruktion solle nun Schluss sein, erklärte Assmann den verdatterten Sitzungsteilnehmern.
„Das hat mir die Schuhe ausgezogen“, sagt Norbert Michels. Der Geschäftsführer des Kölner Diözesanrats der Katholiken gehört von Amts wegen zur Mitgliederversammlung des Bildungswerks. „Ein solchen Überfall wie in dieser Sitzung habe ich in fast 26 Jahren Tätigkeit noch nicht erlebt.“ Warum die Auslagerung aus dem Bildungswerk erforderlich sei und welche Vorteile sie bringen solle, habe Assmann nicht schlüssig erläutern können. „Da kam nichts“, sagt Michels. Assmann habe eine äußerst unglückliche Figur gemacht. „Er wirkte selbst wie ein Getriebener“, sagt Michels.
Der Sender hängt finanziell am Tropf des Erzbistums Köln
Am Freitag ging es weiter. Ebenfalls kurzfristig informierte Assmann den Verwaltungsrat des „domradio“ über die Umstrukturierungspläne. Schon am Donnerstag ließ er alle Mitarbeitenden für eine Informationsveranstaltung an diesem Montag zusammentrommeln. Ins Aufgaben-Portfolio gehört auf jeden Fall auch eine Unterrichtung der Landesanstalt für Medien (LfM), die für die Vergabe der Radio-Lizenzen zuständig ist.
Klar ist: Das „domradio“ hängt finanziell am Tropf des Erzbistums. Dem Vernehmen nach kommen rund 90 Prozent des Fünf-Millionen-Etats aus Kirchensteuermitteln. Etwa eine halbe Million Euro pro Jahr soll der Sender aus Aktivitäten wie TV-Übertragungen für Dritte erwirtschaften. Er beschäftigt auf etwa zwei Dutzend Planstellen knapp 30 Mitarbeitende – Journalistinnen und Journalisten wie auch Verwaltungsfachkräfte.
Für einen bistumseigenen Sender bemerkenswart unabhängig und kritisch
Neben 750 Gottesdienstübertragungen pro Jahr, vor allem aus dem Kölner Dom, bietet das „domradio“ eine breite Palette von journalistischen Inhalten. Unter der Leitung von Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen und Geschäftsführer Carsten Horn hat es sich mit Berichten, Reportagen, Interviews und Kommentaren einen guten Ruf in der kirchlichen Medienlandschaft erarbeitet. Es zieht nach Angaben aus Senderkreisen täglich 30.000 Menschen auf seine Homepage. Die Zahl der Seitenaufrufe belaufe sich auf 100.000 pro Tag.
Das Label „Meisner-Radio“, mit dem der Sender unter Woelkis Vorgänger Joachim Meisner etikettiert war, haben Brüggenjürgen und sein Team erfolgreich von den Studiotüren gekratzt. Im Gegenteil: Eine ganze Reihe von Recherchen und Beiträgen ist für einen bistumseigenen Sender bemerkenswert unabhängig und kritisch – auch gegenüber Woelki.
Woelki will Gefolgsmann als weiteren Manager installieren
Diese Positionierung entspricht ganz den Vorstellungen des bisherigen Trägers. Natürlich habe das „domradio“ einen Auftrag für Verkündigungssendungen. Zugleich aber sei es ein genuin journalistisches Medium. Als „Propaganda-Organ“ tauge das „domradio“ nicht, sagt einer aus den Reihen des Trägers. Woelki hingegen sehe im „domradio“ ein Werkzeug der „Evangelisierung“, ein Begriff, den er auch in den Reformdiskussionen über die Zukunft der Kirche gern im Mund führt. Auch missfielen ihm die inhaltlichen Freiheiten, die sich die Redaktion herausnehme. „Kritische Fragen sind bei Woelki unerwünscht.“
Für eine Neuausrichtung nach Woelkis Gusto spricht, dass er dem amtierenden Geschäftsführer Carsten Horn einen treuen Gefolgsmann an die Seite stellen will. Dafür ist dem Vernehmen nach der derzeitige Leiter der Diözesanstelle für Berufungspastoral, Gerald Mayer, vorgesehen. Er hat beim „domradio“ gelernt. Somit könne Woelki ihn dem Team als ehemaligen Kollegen verkaufen und zugleich sagen: „Seid doch froh, das ‚domradio‘ bleibt bestehen.“
Sendelizenzen lassen sich nicht ohne Weiteres umwidmen
Offenbar drückt Woelki gewaltig aufs Tempo. Der Neue, dessen Management-Stelle im Übrigen seitens des Erzbistums voll finanziert sei, soll seinen Posten schon am 1. April antreten. Das Problem des ganzen Konstrukts: Die vorhandenen Sendelizenzen lassen sich nicht ohne Weiteres umwidmen. Ein anderer Rechtsträger müsste sie bei der LfM neu beantragen und nachweisen, dass er die erforderliche Pluralität des Sende-Angebots gewährleistet. Das, sagen Insider, dürfte sich durch entsprechende Gremien wie Beiräte erreichen lassen. Aber: Es könnten konkurrierende Medien oder sogar unbeteiligte Dritte auf den Plan treten und verlangen, dass die Vergabe etwa der begehrten UKW-Lizenz völlig neu ausgeschrieben wird. Auf eine Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ teilte das Erzbistum lediglich mit, sobald Veränderungen anstünden, „werden wir zeitnah auch die interessierten Medien informieren“.
„Desaströs und schizophren“ nennt ein hochrangiger Bistumsmensch Woelkis Umgang mit dem „domradio“. „Unsere Kirche verliert rasant an Vertrauen, das Erzbistum ebenfalls, der Kardinal sowieso, und dann geht Woelki hin und legt die Axt an einen Außenauftritt, der als glaubwürdig gilt und mit dem wir Menschen in relevanter Größenordnung erreichen. Aber das zeigt nur wieder: Woelki macht, was er will – und niemand hält ihn auf.“
Der Vorsitzende des „domradio“-Programmbeirats, Professor Jürgen Wilhelm, will zumindest den Versuch unternehmen. Das – wie er sagt – „handstreichartige Vorgehen“ des Erzbistums kritisiert Wilhelm scharf. Der Programmbeirat stehe für ein journalistisch unabhängiges Angebot, das durch die Ansiedlung des „domradio“ beim Bildungswerk des Erzbistums gewährleistet sei. „Unter dem eher durchsichtigen Vorwand einer bloßen Umorganisation der Trägerstruktur und der unnötigen Vergrößerung des Managements ist jetzt offenbar die Degradierung zu einem reinen Verkündigungssender des Erzbistums beabsichtigt“, sagt Wilhelm im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Für ein solches Profil habe das „domradio“ aber keine Sendelizenz. „Der Beirat wurde eingerichtet, um die Pluralität der Gesellschaft zu spiegeln. Deshalb widersetzen wir uns dem Versuch einer Gleichschaltung der Institutionen im Erzbistum Köln.“ Für Dienstag hat Wilhelm dazu eine Sondersitzung des Programmbeirats anberaumt. Für wen das eine gute Nachricht ist, sei dahingestellt.