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Rhein-Energie sind Hände gebundenFernwärme liegt vor der Tür, doch Kölner darf sein Haus nicht anschließen

Lesezeit 5 Minuten
88 Wohneinheiten umfasst das neue Objekt an der Ecke Josefine-Clouth-Straße / Xantener Straße.

Das gesamte Clouth-Gelände in Nippes, hier die 88 neuen Wohnungen der Kölner Wohnungsgenossenschaft, sind alle ans Fernwärmenetz angeschlossen. Beim alten Wohnungsbestand in der Nachbarschaft geht das nicht. Die Wärmelieferverordnung steht dem entgegen.

Eine zehn Jahre alte Verordnung steht der Wärmewende im Weg. Jetzt befasst sich der Stadtwerke-Kongress in Köln mit der Wärmeplanung.

Gerade mal 20 Meter trennen Peter-Richard Becker von der Wärmewende. Sie liegt auf der anderen Seite der Sudermanstraße im Agnesviertel, doch die Wahrscheinlichkeit, dass die Rhein-Energie sein Mietshaus mit fünf Wohnungen und einer Gewerbeeinheit in den nächsten Jahren an das Fernwärmenetz anschließen kann, geht gegen null.

„Wir könnten den Mietern hohe Kosten über eine Investitions- und Verbesserungsumlage sparen, wenn wir nicht in Wärmepumpen, Solarthermie und eine neue Gasheizung als Unterstützung investieren müssten“, sagt Becker. „Die Fernwärme wäre für uns perfekt, selbst wenn es derzeit bis zu zwei Jahre dauern kann, ehe ein Haus in Köln angeschlossen ist.“

Je mehr Kunden man anschließt, desto rentabler sind die Leitungen

Noch bis Ende 2025, so Becker, könne er das Gas von der Rhein-Energie zu mieterfreundlichen Konditionen beziehen. „Ich habe einfach gut verhandelt.“

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Peter Richard Becker, Eigentümer eines Mietshauses am Sudermanplatz im Agnesviertel

Peter-Richard Becker, Eigentümer eines Mietshauses am Sudermanplatz im Agnesviertel, kämpft um den Anschluss ans Fernwärmenetz.

An der Rhein-Energie liegt es nicht. Mietshäuser wie das von Becker, die direkt am bereits vorhandenen Fernwärmenetz liegen, sind hochattraktiv für den Energieversorger. Je mehr Kunden man anschließt, desto rentabler sind die Leitungen.

Ein Instrument des Mieterschutzes verkehrt sich ins Gegenteil

Doch dazwischen steht die Wärmelieferverordnung, die der Gesetzgeber vor allem aus Mieterschutzgründen vor zehn Jahren erlassen hat. Danach kann ein Vermieter, der den Heizungskessel im Keller austauschen muss, zwar die Eigenversorgung aufgeben und zu einem Energieversorger wechseln, muss dabei aber die Kostenneutralität beachten.

„Die Fernwärme darf nicht teurer sein als die Durchschnittskosten für die drei letzten Heizperioden“, sagt Becker. „Die für viel Geld in Köln verlegte Fernwärme findet mit Ausnahme von Neubaugebieten keine Nutzer, weil sich der Anschluss so nicht bezahlen lässt. Auch wenn der Gaspreis nach 2025 erheblich steigen wird, darf aufgrund der Kostenneutralität nicht an die Fernwärme angeschlossen werden, weil diese immer die Investitionskosten beinhaltet.“

Dass dies für die Wärmewende und die Dekarbonisierung kontraproduktiv ist, sieht man auch bei der Rhein-Energie so. „Bei den Preiskapriolen der letzten Monate hat sich die Preiserhöhung bei der Fernwärme durch die steigenden Energiekosten schneller durchgeschlagen als auf der Gas-Seite. Wir können seither bei den Bestandsgebäuden, also überall dort, wo vermietet ist, keine Kostenneutralität mehr erreichen“, sagt Matthias Dienhart, Leiter für energiewirtschaftliche Grundsatzfragen.

„Die Wärmelieferverordnung verhindert bis heute, dass wir bei Bestandsgebäuden Öl- und Gasheizungen durch Fernwärme ersetzen. Das geht nur bei Neubaugebieten oder dem Austausch von Nachtspeichern. Ein Beispiel ist das Clouth-Gelände. Das haben wir an die Fernwärme angeschlossen. Im Bestand rechts und links durften wir das aber nicht.“

Anschlussverbot gilt auch rund um das neue Clouth-Gelände

Die Frage, ob sich das ändern lässt, ist ein Thema beim zweitägigen Stadtwerke-Kongress mit rund 600 Vertretern kommunaler Unternehmen in Köln, der am heutigen Dienstag beginnt und in dessen Mittelpunkt die Wärmewende steht.

„Die Wärmeplanung der Zukunft ist vor allem eine komplexe Abwägung der Kosten für die Infrastruktur und der richtigen Technologie für das jeweilige Gebäude“, sagt Rhein-Energie-Chef Andreas Feicht bei der Auftakt-Pressekonferenz. Bis zum 30. Juni 2026 muss sie für Großstädte wie Köln vorliegen. „Wir werden dann klar sagen können, wo Fernwärme und wo Wärmepumpen eine Rolle spielen werden.“

Es werde aber in jeder Stadt auch Gebiete geben, wo man auf Wasserstoff-Insellösungen oder auf Wasserstoff im Gasverteilnetz setzen müsse. Das alles müsse mit der Öffentlichkeit diskutiert werden, weil es um Fragen gehe, die über die Energieversorgung weit hinausgingen. Jede Entscheidung werde auch gesellschaftspolitische Folgen haben. „Da geht es von der Entwicklung der Mieten über die Verschuldung von Eigentümern bis hin zu Fragen der Altersversorgung.“

Energiebranche schätzt Investitionen bis 2030 auf 600 Milliarden Euro

Sorgen bereite den Energieversorgern die auf dem Berliner Wohngipfel am Montag erneut geäußerte Einschätzung, dass Hauseigentümer, die sich ans Fernwärmenetz anschließen lassen, auf die Sanierung ihrer Gebäude verzichten können, sagt Feicht. Das sei falsch. Weil sich auch die Fernwärme in Zukunft deutlich verteuern wird, ist auch bei diesem Energieträger eine bessere Wärmedämmung notwendig, um das Kostenniveau zumindest zu halten. „Wir verteilen heute etwa eine Milliarde Kilowattstunden, also eine Terawattstunde an Fernwärme in Köln und werden das durch unser Investitionsprogramm um 40 Prozent auf 1,4 Terawattstunden erhöhen.“ Blieben alle neu angeschlossenen Gebäude unsaniert, kämen noch einmal 40 Prozent hinzu. Und jeder Euro, der zusätzlich in die Fernwärme-Erzeugung investiert werden müsse, lande am Ende auf der Heizungsrechnung.

Nach Angaben des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) werden die Investitionen der Energiebranche in die Wärmewende bis 2030 rund 600 Milliarden Euro betragen. Derzeit seien in Deutschland nur knapp 20 Prozent der Gebäude mit klimafreundlichen Heizungen ausgestattet. „Es geht um den Netzausbau, um neue Erzeugungskapazitäten, um Kraftwerke für gesicherte Leistung und den Ausbau der Fernwärmenetze“, sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.

Rhein-Energie-Chef fordert Änderungen bei Wärmelieferverordnung

Ohne Infrastrukturförderung des Bundes sei der Fernwärmeausbau nicht zu finanzieren. Das Bundesprogramm effiziente Fernwärmenetze sei mit drei Milliarden Euro bis 2028 viel zu gering. „Das Geld ist so gut wie vergeben. Wir brauchen drei Milliarden Euro jährlich bis Mitte der 2030er Jahre“, so Liebing.

Die Wärmewende werde auch ohne Änderungen bei der Wärmelieferverordnung nicht in Schwung kommen, weil es nicht nur um Neubauten, sondern um die Umstellung bestehender Wohnungen auf Fernwärme gehe. „Ich erwarte, dass der Bund alle Regulierungen und Verordnungen so verändert, dass sie zu den politischen Zielen passen, die vom Heizungs- und dem Wärmeplanungsgesetz vorgegeben werden“, sagt Rhein-Energie-Chef Feicht. „Wir brauchen eine konsistente politische Regulierung.“

Der Zeitplan für die Wärmewende in Deutschland sei mit den Investitionen ins Stromnetz und die Fernwärme schon „superehrgeizig“. Hinzu kämen die Gebäudesanierungen, die Erneuerung der Verkehrsinfrastruktur bei der KVB und der Deutschen Bahn und der weitere Ausbau des Glasfasernetzes. „Das ist durchaus vergleichbar mit den ostdeutschen Bundesländern nach dem Fall der Mauer oder mit Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg“, so Feicht.

Da kann Peter-Richard Becker aus dem Agnesviertel mitreden. Seine Großeltern haben das zerstörte Mietshaus nach dem Krieg unter großen Entbehrungen wieder aufgebaut.