Köln – „Jeder Jeck ist anders“, sagt Aline Ackers und ergänzt: „Und mancher ist halt taub.“ Ackers ist Dolmetscherin für Gebärdensprache, übersetzt zwischen Hörenden und Gehörlosen meist für Justiz und Polizei.
An Weiberfastnacht ist die 30 Jahre alte Kölnerin auf dem Alter Markt im Sondereinsatz, übersetzt bei der Eröffnung des Straßenkarnevals kölsche Lieder, damit auch Jecke ohne Hörvermögen mitschunkeln können. Schon oft stand sie neben den Karnevalsstars auf der Bühne, sang geräuschlos bei den Höhnern mit, gebärdete „Kölsche Jung“ für Brings und transportierte die Texte von Kasalla mit Mundbild, Armen und Händen.
Gebärden im Takt
Genau wie die Sänger Gefühl in ihren lauten Gesang legen, macht Ackers es bei ihrem stillen Vortrag. Bewegt sich im Takt, ihre Gebärden gestaltet sie so hart oder sanft, wie es das jeweilige Lied gerade hergibt. Aber es braucht noch mehr als nur Gefühl und das Studium der Gebärdensprache: „Ich muss Kölsch verstehen, damit ich Kölsch auch gebärden kann“, sagt Ackers. Sie ist bestens gerüstet, sei schon immer Karnevalistin gewesen, sagt sie.
Ihre eigene Rolle nimmt sie nicht zu wichtig. „Wir sind nicht Teil der Band, sondern nur ein Kanal, der es noch mehr Leuten ermöglicht, an der Veranstaltung teilzuhaben“, sagt die 30-Jährige über sich und ihren männlichen Kollegen, mit dem sie sich an Weiberfastnacht abwechselt.
Im vierten Jahr in Folge schließt sie auf dem Alter Markt ihre Finger zu einem Kussmund, der ihre Wange berührt, wenn „Bützje“ gesungen wird. Ahmt mit ihren Händen die beiden Türme des Doms nach, wenn „Köln“ auftaucht. „Prinz“, „Bauer“ und „Jungfrau“ hat sie ebenfalls in Gebärdensprache drauf, „Alaaf“ sowieso.
Schwer sind die „Lalalas“
Ganz bescheiden, verliert sie kaum ein Wort darüber, dass sie mit ihrer Arbeit für Gleichberechtigung sorgt und dafür, dass wirklich jeder Jeck am kölschesten aller Feste teilnehmen kann. Dafür bekommt sie etwa zwei Wochen vor den Auftritten die Setlist der Bands, dazu die neuen Texte, die sie dann übersetzt.
Bei Ackers Zuhause laufen kölsche Tön rauf und runter, egal ob gerade ein neuer Text eingeübt wird oder nicht. Besonders Lieder von Kasalla singt sie gerne in Gebärdensprache: „Die haben viel mehr Inhalt als andere Karnevalslieder“, meint sie.
Schwer zu übersetzen seien Lieder mit vielen Lalalas und Ohohohs. „Die einzelnen Buchstaben übersetze ich dann nicht. Das wäre sowas von unnatürlich und nicht schön.“ Statt einer Gebärde benutzt Ackers dann eher ein Schunkeln oder Klatschen.
Neue Dimensionen eröffnen
Menschen, die nichts hören, die auch kein Resthörvermögen mehr haben, die Musik bislang nur durch die Vibration des Basses und das Zuschauen der Musiker wahrnehmen konnten, eröffnet Aline Ackers eine neue Dimension. „Ich hatte mal eine Dame im Publikum“, erzählt sie, „die hat sich bei Brings kaputtgelacht.“
Nach dem Konzert habe sie die Frau gefragt, was denn so unfassbar witzig gewesen sei. Die Frau habe ihr gesagt, sie habe Brings immer schon gut gefunden, die würden auf der Bühne immer so ein riesen Tamtam veranstalten. Ackers: „Das war schon was fürs Auge, hat sie gesagt. Aber sie hatte nie verstanden, worum es in den Liedern geht und hat mir dann gesagt: Ich hätte nicht gedacht, dass Brings auch noch so lustig sind.“ Dank Ackers änderte sich das.