Köln – Man nennt sie die „Generation Alpha“. Das sind die digital maximal affinen Jahrgänge, die zwischen 2010 und heute geboren wurden. Aber die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) hat längst intern einen anderen Namen für sie: Generation Nichtschwimmer. Schon vor der Pandemie hat sich das Problem zunehmend verschärft, seit der Pandemie hat es sich potenziert.
Dabei war es schon unter regulären Bedingungen ohne Corona so, dass die Wasserzeiten der Schulen bei den Kölner Bädern kaum ausreichten, um den Bedarf an Schwimmzeiten im Schule- und Vereinssport nachzukommen.
„Die laufen nur durchs Wasser"
Wer Schulleitern wie Dirk Külker von der Grundschule Merianstraße in Chorweiler oder Thomas Zaczek von der Eichendorffrealschule in Ehrenfeld zuhört, der bekommt eine Ahnung von der Dimension des Problems. Denn das Gros der Eltern, die dort ihre Kinder zur Schule schickt, bemüht sich nicht außerhalb der Schule um einen Schwimmkurs. Von den Kindern seiner Schule können in diesem Jahr am Ende des 4. Schuljahrs gut 70 Prozent nicht schwimmen, rechnet Schulleiter Külker vor. Schon vor Corona habe man nie die 50 Prozent erreicht. „Aber jetzt ist es durch die langen Einschränkungen der Pandemiejahre noch schlimmer.“ „Sehr viele unserer Schüler wissen gar nicht, was schwimmen ist, die laufen durchs Wasser“, sagt Külker.
„Bei uns kommen die meisten Fünftklässler ohne Schwimmfähigkeit"
Auf vielen Real- und Hauptschulen sieht das nicht besser aus: „Die allermeisten unserer Fünftklässler kommen derzeit von der Grundschule ohne Schwimmfähigkeit“, beschreibt der Schulleiter der Eichendorff-Realschule die Situation. 80 Prozent seiner Schülerinnen und Schüler haben Migrationshintergrund. Das Problem: Seit Corona haben sie es hier auch in der 5. und 6. Klasse nicht mehr lernen können.
Eigentlich haben die Schüler laut Lehrplan in der 5. und 6. Klasse je ein Halbjahr schwimmen. Aber nachdem die Bäder erst wegen Corona lange geschlossen waren, fiel die Schule durch eine Fehlplanung durchs Raster: Um wegen der Pandemie die Schülerdichte in den morgendlichen Bahnen geringer zu halten, gibt es einen von der Stadt organisierten entzerrten Schulbeginn. Die Eichendorff-Realschule darf daher erst um 8.30 Uhr beginnen. Die der Schule von der Stadt zugeteilte Wasserzeit im Ossendorfbad ist aber von 8 bis 9 Uhr. Da das logistisch nicht umsetzbar ist, findet in der Konsequenz bis heute in der Pandemie kein Schwimmunterricht statt. An anderen Schulen gab es in der Coronazeit Schwimmwochen, in denen jeweils ein Teil des Jahrgangs ein paar Wochen im Schuljahr schwimmen konnte. Gereicht hat das für viele nicht.
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Da nach der sechsten Klasse kein Schwimmunterricht mehr vorgesehen ist, macht Zaczek sich Sorgen, jetzt da der Sommer kommt und wieder Berichte aufkommen über tödliche Badunfälle. Es sind seine eigenen Schülerinnen und Schüler, die er da vor Augen hat. Dabei, so betont Schulleiter Zaczek, sei Schwimmen kein Luxus: „Es ist eine Frage der Sicherheit und im Zweifel überlebenswichtig.“
Dabei hat die Stadt Köln große Anstrengungen unternommen, trotz der langen Schwimmbadschließungen, Angebote zu machen, damit möglichst viele Kölner Schülerinnen und Schüler das Schwimmen dennoch erlernen. So wurde etwa im Schuljahr 2020/21 so genannte Schwimmwochen angeboten: Dabei konnten die Schulen für einen Zeitraum von ein bis zwei Wochen im Schuljahr ein Schwimmbad als einzige Schule nutzen. Im Rahmen des Programms „Sicher Schwimmen“ wurden die Schulen von Schwimmassistenzkräften unterstützt, um kleinere Gruppen zu ermöglichen.
„Schwimmen gehört zur Grundbildung"
In diesem Schuljahr gab es wieder feste Schwimmbadzeiten für alle Schulen. Außerdem gibt es an Grundschulen im Ganztag Schwimmförderkurse, für die die Schulen immer jeweils acht bis zehn Kinder für nachmittags anmelden können, sowie seit letzten Sommer in allen Schulferien für Grundschüler 67 kostenlose Ferienschwimmkursen. „Wir fühlen uns gut unterstützt. Aber der jetzige Rahmen reicht eben nicht, um mehr Kinder zum Schwimmen zu bringen“, sagt Schulleiter Külker. Dass nur zwei Halbjahre – also ein einziges Schuljahr – während der gesamten Grundschulzeit für das Schwimmen vorgesehen sei, sei schon unter normalen Bedingungen zu wenig.
Für Schulleiter Zaczek müssen „öffentliche Schulen eine Grundbildung garantieren“. Und dazu gehört, dass Kinder am Ende des 6. Schuljahres schwimmen können. „Für unsere Schüler ist die Schule der einzige Ort, an dem sie das lernen können. „Wir brauchen eine Anpassung der Lehrpläne mit mehr Schwimmunterricht und kommunale Pools mit Schwimmassistenten, die die Schulen unterstützen“, fordert er.
Mehr Wasserzeiten für Schulen gefordert
„Vor allem müssen die KölnBäder an den Vormittagen deutlich mehr Wasserflächen zur Verfügung stellen“, fordert Jochen Ott (SPD). Den schulpolitischen Sprecher der Sozialdemokraten im Landtag treibt das Thema Schwimmunterricht schon seit Monaten um. Es könne nicht sein, dass die Bäder aus kommerziellen Gründen lieber für das Schwimmen zahlender Gäste Kapazitäten freihielten. Jetzt müssten viel mehr Wasserzeiten für Schulen ermöglicht werden, um den Rückstand aufzuholen. Die Stadt weist darauf hin, dass die Bahnstunden genau aus diesem Grund bereits von bisher 1537 auf wöchentlich 2000 Bahnstunden ausgeweitet worden sein.