Köln – Sollte sich am Dienstag jemand unbedarft ins Rathaus verirrt haben, hätte er viel über die üblichen Mechanismen von Politik lernen können: Da reden Parteivertreter von der gleichen Sache und kommen zu völlig unterschiedlichen Bewertungen, obwohl sie vorgeben, doch alle die gleichen Ziele zu haben. SPD und Linke feuerten aus allen Rohren auf das Haushaltsbündnis von CDU, Grünen und FDP.
Und deren Vertreter werfen den selbst ernannten Oppositionsparteien „Demagogie“ und „Showpolitik“ vor. Einzig die FDP bemüht sich auch um inhaltliche Unterscheidbarkeit: Die Steuerungsinstrumente zur Wohnungspolitik lehne man ab, bei der Verkehrspolitik ließe sich die CDU von den Grünen dominieren. Ob man Partner im „Reker-Bündnis“ bleibe, sei längst nicht ausgemacht, so FDP-Fraktionschef Ralph Sterck. Die Ansage war die einzige mit echtem Nachrichtenwert bei der Haushaltsdebatte im Rathaus.
Gräben sind tief
Die zweite Erkenntnis: Zur Halbzeit der laufenden Ratsperiode scheinen die Gräben zwischen Schwarz-Grün auf der einen Seite und SPD und Linken auf der anderen so tief wie lange nicht. SPD und Linke haben sich klar für die Opposition entschieden. Wer den bestimmenden Fraktionen wie in der Debatte um die Zukunft der Akademie für die Künste der Welt „Heimtücke“, einen „Handstreich“ und Wortbruch vorwirft, ist weit entfernt von einer konstruktiven Kooperation.
„Sie werden den eigenen Ansprüchen nicht gerecht“, kritisierte SPD-Fraktionschef Martin Börschel. Für 2018 sei ein „großer Wurf“ versprochen worden, mit einer Aufgabenkritik und der Benennung von Schwerpunkten. Tatsächlich sei der Finanzplan „ohne jede Vision“. „Es gibt keine klare Linie, auf die sich die Stadtgesellschaft einstellen kann.“ CDU und Grüne hielten dagegen. Es sei durchaus gelungen Schwerpunkte zu setzen. „Wir gestalten die wachsende Metropole“, so Kirsten Jahrn, Fraktionschefin der Grünen. Wie unterschiedlich man die Dinge sehen kann, zeigte sich am Beispiel Wohnungspolitik. Bei der Beschreibung ihrer Wichtigkeit ließen sich die Zitate der Redner von SPD, CDU, Grünen und Linken austauschen. Bei der Frage, was daraus folgt, fielen die Bewertungen jedoch höchst unterschiedlich aus.
Während die SPD ein 500-Millionen-Euro-Programm für den Wohnungsbau forderte, setzt die CDU mehr auf eine Verwaltungsreform. Die Ursache dafür, dass in Köln zur Zeit so wenig Wohnungen wie lange nicht gebaut würden, liege nicht daran, dass zu wenig Geld in den Fördertöpfen sei, sagte CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau. Die Ursache liege vielmehr daran, dass die Stadtspitze zu Zeiten der SPD-Dominanz, eine Verwaltungsreform verweigert habe. Jetzt seien Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Stadtdirektor Stephan Keller dabei, Hemmnisse und Hürden abzubauen. Kirsten Jahn zählte Maßnahmen zur Verbesserung der Lage am Wohnungsmarkt auf.
Der Fraktionschef der Linken, Jörg Detjen, sah dagegen neoliberale Kräfte am Werk. Darauf zu setzen, dass der Markt alles regeln werde, sei ein Irrweg. Er warf dem Haushaltsbündnis auch vor, bei der Sozialpolitik zu versagen. Das „Jamaika-Bündnis“ interessiere sich nicht für die Armen, es werde zu wenig getan gegen die zunehmenden „sozialen Verwerfungen“. Die Kritisierten wehrten sich: „Gerade in Zeiten, in denen sich immer mehr Menschen abgehängt fühlen und ihren Protest zum Ausdruck bringen, in dem sie bei den rechtspopulistischen Seelenfängern der AfD und anderen rechten Gruppierungen ihre Kreuzchen machen, brauchen wir eine starke und engagierte Sozialpolitik“, so Kirsten Jahn von den Grünen. Dies sei ein Schwerpunkt des schwarz-grünen Bündnisses, genau wie Klimaschutz, Schulbau, ein „Mobilitätsmix“ bei der Verkehrspolitik oder die Förderung einer vielfältigen Kulturszene. Petelkau nannte darüber hinaus die Wirtschaftsförderung und die Förderung des Ehrenamts. Man habe einiges auf den Weg gebracht, ohne „Luftschlösser“ zu bauen.
Lob für die Geschwindigkeit
Bei allen Differenzen gab es aber auch zwei Gemeinsamkeiten in allen Redebeiträgen: Dass die Stadt im November den Haushalt für das kommende Jahr beschließe, sei ein echter Fortschritt. Was manchem wie eine Selbstverständlichkeit vorkommt, war tatsächlich seit Jahrzehnten nicht der Fall. Dafür gab es viel Lob für die Finanzverwaltung. Einig waren sich alle Parteien auch in der Feststellung, dass Bund und Land für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen sorgen müssen. Bliebe es so, wie es ist ist, werde eine Stadt wie Köln niemals einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen können.
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So klafft auch in diesem Jahr ein Defizit von rund 120 Millionen Euro zwischen Ausgaben und Einnahmen – und dass trotz sprudelnder Steuereinnahmen mit einem Rekord bei der Einkommenssteuer. Fast 4,6 Milliarden Euro wird die Stadt Köln 2018 ausgeben. Die meisten Ausgaben sind gar nicht verhandelbar, weil es sich um Pflichtausgaben der Kommune handelt, die Folgen von Gesetze von Land, Bund und EU sind.
Das „Haushaltsbündnis“ von CDU, Grünen und FDP zu dem sich noch die kleine Zwei-Mann-Gruppe „Gut“ gesellt, hat diesmal nur Ausgaben in Höhe von rund 36 Millionen Euro im Haushalt umgeschichtet – ein Bruchteil des Gesamtvolumens. Erwartungsgemäß stimmten die vier Parteien am Dienstag dem Haushaltsplan der Verwaltung – ergänzt um ihre Änderungen – zu.