Frau Reker, was sagen Sie zur Rolle rückwärts der Bundeskanzlerin bei der Osterruhe?Henriette Reker:Erst einmal finde ich es immer gut, wenn man Fehler beizeiten korrigiert. Wenn allerdings ein Gremium von Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin gemeinsam etwas verabredet, dann müssen auch alle zusammen die Verantwortung dafür übernehmen.
Hätten Sie es besser gefunden, es wäre bei dem fünftägigen Oster-Shutdown geblieben?
Wenn Kontakte vermieden werden, dann gibt es weniger Infizierte und deswegen ergibt das natürlich schon einen Sinn. Ich hätte Sympathie dafür gehabt, für einen bestimmten Zeitraum eine Ruhephase einzulegen.
Sie haben selbst gesagt, dass Sie Anhängerin der No-Covid-Strategie sind. Sind Sie noch immer eine Befürworterin einer Inzidenz von unter zehn? Damit haben Sie ja für reichlich Verwirrung gesorgt.
Ich habe betont, dass es mittelfristig unser Ziel sein muss, Wellenbewegungen zu vermeiden und die Inzidenz nachhaltig niedrig zu halten. Ich habe nie geglaubt, dass wir unter zehn kommen – jedenfalls nicht in dieser Stadt. Wir waren im Herbst leider nicht ambitioniert genug. Wir hätten damals ein paar Wochen zumachen müssen. Danach hätten wir wieder aufmachen können – und jetzt schleppen wir uns dahin.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung?
Ich bin zwar nur für unsere Stadt verantwortlich, aber ich weiß, wie schwierig es ist, Entscheidungen zu treffen, die immer wieder von den Rahmenbedingungen überholt werden. Es ist immer auch eine Frage der Haltung und hängt davon ab, wie viel Druck man aushalten kann. Ich finde es nach wie vor richtig, den Impfstoff gemeinsam über die EU besorgt zu haben. Ich hoffe, dass alle Mengen bestellt wurden, die möglich waren.
Wie groß ist Ihre Sorge, dass die Kölner Innenstadt als Folge der Pandemie verödet?
Die aktuelle Situation ist ein weiterer Tiefschlag für den Einzelhandel. Die Innenstädte sind ohnehin durch den Internethandel und veränderte Lebensgewohnheiten in Mitleidenschaft gezogen. Es geht ja keiner mehr nur in die Innenstadt, um etwas zu kaufen. Deshalb müssen wir auch die Aufenthaltsqualität deutlich attraktiver und besser machen.
Kommen bei Ihnen konkrete Hilferufe der Händler an?Viele sagen, dass es jetzt für sie noch schwieriger wird. Alle hatten gedacht, sie könnten vor Ostern wieder aufmachen. Am vergangenen Samstag war auf der Hohe Straße einiges los, viele Menschen hatten Tüten in der Hand. Es gibt eine gewisse Lust darauf, einzukaufen, ein Nachholbedürfnis. Wenn man jetzt die Geschäfte erneut zumacht, ist das wieder vorbei. Wir setzen uns darum bei der Landesregierung dafür ein, dass Köln aufgrund seiner vorhandenen Expertise, was digitale Lösungen betrifft, in vielen Bereichen zur Modellkommune wird. Wann in diesem Rahmen überhaupt punktuell Öffnungen möglich sind, hängt immer auch von der Inzidenzzahl ab.
Wird Köln nach der Pandemie nicht mehr so sein wie davor?
Ich werde alles dafür tun, dass so gut wie möglich mit Landeshilfen und auch mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft unterstützt und das Schlimmste verhindert wird. Aber Köln wird sich verändern. Ich hoffe, dass möglichst viele Händler und Gastronomen durchhalten und wir zum Beispiel mit den Brauhäusern, die zu dieser Stadt dazu gehören, eine Möglichkeit finden, schnell wieder anzufangen.
Dass es 2022 wieder Kneipenkarneval geben wird, ist aber aus heutiger Sicht unvorstellbar, oder?
Für mich nicht. Ich gehe davon aus, dass wir im Herbst eine Impfquote erreicht haben, die für eine Herdenimmunität ausreicht und uns wieder große Möglichkeiten gibt. Es gibt Licht am Ende des Tunnels, auch wenn wir gerade noch einmal eine Kurve fahren. Ich verstehe es, dass die Kölnerinnen und Kölner es langsam satt haben. Aber es ist jetzt eine Frage des Durchhaltens.
Im städtischen Haushalt fehlen wegen geringerer Gewerbesteuereinnahmen bereits mehr als 300 Millionen Euro. Welche Auswirkungen hat das? Muss Köln jetzt auf bestimmte Projekte verzichten?
Nein, das bedeutet, dass wir andere Möglichkeiten finden müssen, Geld zu generieren. Man muss natürlich auch schauen, ob sich Dinge zurückstellen lassen. Wir sparen die Stadt aber jetzt nicht kaputt. Das wäre das komplett falsche Signal. Wenn wir uns entscheiden, unser altes Leben zurückhaben zu wollen, dann müssen wir auch etwas dafür tun. Nur dann kommen auch wieder die Steuereinkünfte.
Es gibt ein neues Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt. Wie bewerten Sie den Vertrag, der geschlossen wurde?
Der Vertrag ist zukunftsgewandt. Es ist manchmal sehr kleinteilig, aber im Zweifel ist das besser, als wenn man in einer Kooperation sitzt, ein Ziel geschlossen hat, aber nicht weiß, wie man das erreicht. Das Bündnis wird die Stadt im Verkehrsbereich umbauen, und es wird die Stadt im Bildungsbereich unterstützen – das habe ich mir beides gewünscht. Ich kann mich an vielen Stellen wiederfinden, viele Dinge sind dadurch aber noch längst nicht gelöst. Das Programm ist innerhalb von fünf Jahren nicht zu schaffen. Das ist aber nicht weiter schlimm. Man muss auch einen Blick für die Zukunft haben.
In den vergangenen Wochen gab es viele Diskussionen über den Ebertplatz. Welche Lösung wünschen Sie sich?
Eine dauerhaft machbare Lösung. Wenn es so bliebe wie jetzt, würde der Platz immer städtische oder private Fürsorge benötigen. Ich wünsche mir, dass man etwas daraus lernt, wenn man über zehn Jahre lang aus Kostengründen die Rolltreppen an einem Ort stillgelegt hat. Eine oberirdische Lösung wäre hell und einsehbar. Dann kann dort ein Raum für Bürgerengagement, Kultur und Kreativität entstehen – so wie wir es derzeit erleben. Wir müssen generell mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber diskutieren, wie wir unsere Stadt umgestalten. Wir dürfen Druck aber auch nicht in jedem Fall nachgeben – sondern dann erklären, welche Argumente wir aufnehmen und welche nicht.
Köln will eine fahrradfreundliche Stadt sein, belegt aber im aktuellen ADFC-Fahrradklimatest den letzten Platz. Wie passt das zusammen?
Es kann doch niemanden wundern, dass wir uns nicht innerhalb eines Jahres vom letzten Platz nach vorne gearbeitet haben. Köln ist vor Jahrzehnten als autogerechte Stadt gebaut worden. Die Verkehrsdezernentin und neue Stadtdirektorin Andrea Blome hat so viele Radwege gebaut wie kein Dezernent vor ihr. Das ist aber ein langwieriges Ziel und nicht in kurzer Zeit zu machen. Wir haben mit dem Projekt „Ring frei“ etwas, worum wir in der ganzen Republik beneidet werden. Und wir arbeiten daran, den Menschen ein Angebot zum Umsteigen auf das Fahrrad zu machen.