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Einzelhandel in Köln„Downgrading“ der Hohe Straße – Leerstand lockt Süßwarenanbieter

Lesezeit 4 Minuten
Candy Jamin

Wände voller Süßigkeiten im neuen Jamin-Shop auf der Hohe Straße

  1. Die Hohe Straße ist eine sogenannte Top-Lage für den Kölner Einzelhandel
  2. An Spitzentagen ziehen 10.000 Passanten pro Stunde an den Schaufenstern vorbei
  3. Dennoch gibt es immer wieder und auch derzeit Leerstand – Süßwarenfirmen sind häufig neue Mieter

Köln – Dem süßen Duft kann man nicht ausweichen auf der Hohe Straße. Er wabert rund um das knatschbunte „Kingdom of Sweets“. Gleich nebenan wird bei „Frankies’s Churros“ das Öl erhitzt, in dem die länglichen Krapfen frittiert werden, bevor sie mit Schokolade übergossen werden. Und es geht so süß weiter.

Ein paar Meter entfernt gibt es bei „Royal Donuts“ die verrücktesten Kreationen, bei denen die ohnehin kalorienreichen Donuts mit Schokoriegeln, Erdbeerglasur und Cookies beladen werden – die Fotos davon trenden auf Instagram.

Candy Royal Donuts

Die Kreationen von Royal Donuts

Schräg gegenüber gibt es eine „Dunkin’ Donuts“-Filiale und gleich nebenan die erste deutsche Niederlassung der holländischen Kette „Jamin“. Da sind die Süßigkeiten wandhoch in durchsichtige Säulen gefüllt. Daran schließt sich der neue „Captain Candy Shop“, wo Bonbons und Zuckerzeug in Fässern und Schatztruhen präsentiert werden. Im Fenster wird um Mitarbeiter geworben: „Du bist zwischen 18 und 35 Jahre alt und hast immer ein Lächeln auf den Lippen? Dann fang bei uns an.“

Jahrmarkt-Atmosphäre auf der Hohe Straße

Die Hohe Straße ist derzeit eine Hochburg des Süßen. Eine gewisse Jahrmarkt-Atmosphäre hat sich breit gemacht. „Ja, das ist tatsächlich ein Phänomen. Es kommen immer mehr dazu“, sagt Ahmet Özer, der Chef der „Churros“-Kette. Die Lage an der Hohe Straße sei ideal, denn sie sei im bundesweiten Vergleich eine Hochfrequenzmeile. Sprich: Hier kommen viele Menschen vorbei. „Touristen macht das schon Spaß“, sagt Özer. Dass sich die süße Konkurrenz jetzt so stark knubbelt, findet er nicht schlimm. Im Gegenteil: „Konkurrenz belebt das Geschäft.“ Wenn der Passant von einem Angebot nicht angesprochen werde, nehme er halt das nächste wahr. „Und wir sind die Einzigen, die warme Süßigkeiten anbieten.“

Candy Churros

Frankie's Churros auf der Hohe Straße

Auch Serhan Cagirici, der im Oktober 2020 die erste deutsche Filiale der englischen Kette „Kingdom of Sweets“ an der Hohe Straße eröffnete, sieht die Sache ganz pragmatisch. Nach der schweren Pandemiezeit sei er mit dem Umsatz nun „zufrieden“, sagt er lächelnd. In dem 550 Quadratmeter großen, schreiend bunten Laden mit Selfie-Ecke gibt es Süßigkeiten aus aller Welt, Schwerpunkt USA. Das ist sein Alleinstellungsmerkmal.

Süßigkeiten aus aller Welt auf der Hohe Straße

Kunden sind Kinder und Jugendliche, die die ausländischen Candys aus Youtube-Videos kennen, aber auch die 20- bis 30-Jährigen, die mal ein Auslandssemester hatten und die Schokoriegel und Chips aus Amerika oder England vermissen.

Candy Kingdom

Das Kingdom of Sweets lockt mit Duft und knatschbunten Farben. 

Und natürlich auch internationale Touristen, die nun langsam wieder anreisen. „Wir sind der erste Store, den die Leute sehen, wenn sie vom Dom kommen.“ Dass jetzt so viele Mitbewerber da sind, hält auch er eher für vorteilhaft. „Da weiß man, dass man an der richtigen Stelle ist.“

Candy Captain

Bei Captain Candy gibt es Süßigkeiten aus Fässern. 

Das dachte offensichtlich auch die tschechische Kette „Captain Candy“, die bisher in absoluten Touristen-Hochburgen wie Prag, Venedig, Verona und Amsterdam Filialen hat. Köln war da offensichtlich der logische nächste Schritt.

Möglich ist die Ausbreitung der Süßigkeiten-Läden, weil die Hohe Straße seit langem im Wandel ist und es zwischenzeitlich immer wieder Leerstände gibt. Der „Churros“-Imbiss etwa fing mit einem Weihnachtsstand vor Peek & Cloppenburg an und kam auf die Hohe Straße, weil ein Handy-Anbieter über Nacht pleite gegangen war und die Räume frei wurden.

Abwärts und Aufwärts auf der Hohe Straße

Annett Polster, Geschäftsführerin des Vereins Stadtmarketing, kennt seit Jahren die Eigentums- und Mietverhältnisse in der Kölner Innenstadt. Einerseits sei die Ansiedlung der Süßigkeiten-Läden eine Folge des „Downgradings“, das die Hohe Straße in Teilen gerade noch durchmache.

Candy Strase

Jamin und Dunkin' Donuts liegen direkt nebeneinander.

„Eigentlich sind die kleinen Läden sehr gut geeignet, um Pop-up-Stores oder Individual-Konzepte gerade in der Mitte der Hohe Straße umzusetzen, denn der inhabergeführte Einzelhandel wird weiterhin rückläufig sein. Ziel ist es, mit den Eigentümern die Hohe Straße zu verbessern.“ Aber derzeit sei das Niveau in diesem Teil der Straße noch zu niedrig. „Dann ziehen natürlich schnell Konzepte wie Süßigkeiten und Fast Food ein.“

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Allerdings gebe es gleichzeitig auch positive Entwicklungen. So hat sich gerade ein Flagship-Store des Unternehmens „Waterdrop“, das Aromazusätze für Wasser entwickelt hat, angesiedelt – auch hier sieht man die stark besuchte Hohe Straße wohl als idealen Standort, um die Marke, die bisher vor allem im Internet verkauft hat, zu präsentieren.

Schon länger sind der chinesische Smartphone-Anbieter Xiaomi mit einer großen Niederlassung, das französische Einrichtungshaus „Maisons du Monde“ und der feine Schweizer Chocolatier Läderach vertreten. Auch Sneaker-Läden wie „Snipes“ sind auf die Hohe Straße gekommen.

Baustellen an beiden Enden

Es gibt also durchaus auch einen Aufwärtstrend. „Da laufen viele Entwicklungen parallel.“ Allerdings braucht es noch etwas Geduld, es gibt noch viele Baustellen. Das Dom-Hotel und das Dom-Carré am Wallrafplatz sind noch im Bau. In den Gebäudekomplex an der Ecke zur Schildergasse wird demnächst die Zentralbibliothek einziehen, während das Stammhaus am Neumarkt renoviert wird. „Von diesen Projekten wird sicherlich eine Strahlkraft auf die ganze Hohe Straße ausgehen“, sagt Annett Polster.

Und der Bedarf an Süßem wird irgendwann im wahrsten Sinne des Wortes gesättigt sein. Bis dahin zieht der Duft durch die Hohe Straße.