Köln – Die Kirchenglocken kommen kaum gegen den Baulärm an. Gegenüber des neuen Antoniterquartiers in der Schildergasse befinden sich gleich zwei große Baustellen. An der Ecke Herzogstraße ragt ein riesiger Kran aus der Baugrube. Hier stand einst das Benetton-Haus, und hier entsteht nun ein neues Geschäfts- und Bürogebäude. Im Erdgeschoss wird ein Schuhgeschäft einziehen.
Lange mussten Passanten an dem leerstehenden Benetton-Haus vorbeigehen. Doch eine solche Bauentwicklung braucht Zeit. Genehmigungen müssten eingeholt werden und Mietverträge auslaufen. „In der Wahrnehmung der Passanten entsteht oft der Eindruck von vielen Leerständen in der Innenstadt, doch die tatsächliche Situation ist eine andere“, sagt Manfred Janssen, der Geschäftsführer der Köln-Business Wirtschaftsförderung bei einem Rundgang durch die City. Auch wenn ein Ladenlokal in der Kölner Innenstadt augenscheinlich nicht belegt ist, sei es in den meisten Fällen bereits wieder vermietet, nur noch nicht erneut genutzt.
Ein paar Schritte weiter ist das ehemalige Kämpgen-Haus verrammelt. Es sieht ein bisschen so aus, als solle das für sehr lange so sein. Doch es tut sich etwas. Es gibt schon einen Nachmieter. Nach dem Auszug der Traditionsfirma, deren Werbung noch an der Fassade hängt, wird hier umgebaut für einen Online-Textilhändler. Gleich nebenan ist vor kurzem Armani Exchange als weitere internationale Marke an die Schildergasse gezogen.
„Die Nachfrage nach Flächen hier in der Innenstadt ist sehr hoch und kann oft gar nicht erfüllt werden“, so Janssen. Tatsächlich gibt es das ein oder andere Ladenlokal, das zurzeit nicht genutzt wird, zum Beispiel das Haus neben dem Rimowa-Laden auf der Hohe Straße. Hier gibt es jedoch längst einen Mieter – die Firma Waterdrop, die Geschmackszusätze für Wasser vertreibt –, doch der kann noch nicht einziehen, weil die Ladeneinrichtung wegen der Pandemie-Engpässe noch nicht geliefert wurde. Ansonsten könnte es sofort losgehen.
Köln-Business, eine städtische Tochter, hat im Oktober bis Dezember 2021, also mitten in der Krise, nachgezählt. Betrachtet man ausschließlich die Kölner City (einschließlich Ringe) liegt der sichtbare Leerstand bei rund acht Prozent und damit ähnlich wie 2020. Dies sei keineswegs ein alarmierender Wert. Im Gegenteil: Ein gewisser Leerstand sei grundsätzlich notwendig, um die Nachfrage auf dem Markt bedienen zu können, etwa wenn sich bereits ansässige Unternehmen in Köln vergrößern wollen oder Firmen neu ansiedeln.
Stadtweit nur 2,5 Prozent Leerstand
Gerade in den Haupteinkaufsstraßen wie Hohe Straße und Schildergasse seien Ladenlokale nach wie vor begehrt. Beide Meilen gehören zu den meistfrequentierten Einkaufsstraßen Deutschlands und Europas. Stadtweit gibt es in den Handelslagen rund 22.000 Ladenlokale im Erdgeschoss, die durch den Einzelhandel, aber auch durch Gastronomie und Dienstleistungen genutzt werden. Ein sichtbarer Leerstand war bei nur 2,5 Prozent davon festzustellen.
Köln stehe damit robuster da als vergleichbare andere Städte. Wie groß die Anziehungskraft Kölns ist, zeige die noch recht frische Ansiedlung der chinesischen Marke Xiaomi auf der Ecke Hohe Straße/Brückenstraße. Der nach Stückzahlen weltweit größte Handyhersteller hat hier einen seiner beiden deutschen Flagshipstores in der ehemaligen Hallhuber-Modefiliale eingerichtet.
Köln-Business hat dabei geholfen, mehrere Mitarbeiter sprechen Mandarin. Sie unterstützten beim Einholen von Genehmigungen für Umbauten, erklärten Reklamevorschriften und deutsche Öffnungszeiten-Regelungen. Denn die Chinesen hätten durchaus gerne rund um die Uhr geöffnet.
Wempe zieht an Wallrafplatz
Dieser vorübergehende Leerstand ist nun behoben, schräg gegenüber tun sich jedoch zwei neue auf. Der Komplex, in dem sich unter anderem der Lego-Store befindet, sieht vor allem auf den oberen Etagen verlassen aus. Doch dahinter steckt Planung: Hier wird die Stadtbibliothek während der Sanierung der Gebäude am Neumarkt übergangsweise residieren.
Ein weiterer Komplex an der Ecke Hohe Straße/Schildergasse wird ebenfalls gerade „leergezogen“, wie die Fachleute sagen, weil er komplett umgestaltet wird. Auch der Juwelier Wempe hat deshalb sein angestammtes Quartier verlassen und ist in das Stollwerck-Haus am Wallrafplatz gezogen, wo einst die Modekette Esprit Mieter war. Ein ständiger Wechsel also.
Köln-Business erwartet angesichts dieser Daten und Erfahrungen keinen flächendeckenden strukturellen Leerstand in der City, trotz der Pandemie. „Von Verödung in der Kölner Innenstadt kann keine Rede sein“, sagt Manfred Janssen. Ausruhen dürfe man sich auf dieser Erkenntnis aber natürlich nicht.