Wer Trost braucht in düsteren Zeiten, sollte einen Abstecher in die Ankunftshalle des Köln/Bonner Flughafens machen.
„Ich war so aufgeregt“Endlich wieder zusammen – Wie sich die Liebe am Flughafen zeigt
Auch seichte Weihnachtsfilme können kluge Denkanstöße liefern – „Tatsächlich Liebe“ beispielsweise. Der Film nimmt Zuschauende gleich zu Beginn mit an einen Ort der Hoffnung, Liebe und Freude: in die Ankunftshalle von London-Heathrow, dorthin, wo sich Menschen in die Arme fallen, glücklich darüber, einander zurückzuhaben. Unsere Geschichte spielt nicht in London, sondern in Köln, die Szenerie aber ist ähnlich: Menschen sehen sich wieder, nach zwei Tagen, zwei Wochen oder zwei Monaten. Eltern und Kinder, Freunde, Paare. Manche haben Blumen dabei, andere Schilder, wieder andere kommen mit leeren Händen und aber übervollen Herzen. Über einen tröstlichen Ort in oft untröstlichen Zeiten.
Auf dem großen Schild, das Noah über seinen Kopf hält, steht in fetten, bunten Buchstaben Daddy. Gestern hat er damit angefangen, es zu malen, heute hat er es fertiggestellt. Gerade rechtzeitig, denn jetzt steht der Neunjährige mit dem Pappschild neben seiner Mutter Anika in der Ankunftshalle des Köln/Bonner Flughafens und wartet auf seinen Papa Justin. Der lebt in Coventry in England und besucht seinen Sohn für ein paar Tage in Köln. Normalerweise sehen die beiden sich einmal im Monat, jetzt sind schon zwei Monate seit dem letzten Wiedersehen vergangen. Viel Zeit – kein Wunder, dass Noah aufgeregt ist.
Eingangsmonolog „Tatsächlich Liebe“, Film von 2003
Wenn mich die weltpolitische Lage deprimiert, denke ich immer an die Ankunftshalle in Heathrow. Es wird immer behauptet, wir leben in einer Welt von Hass und Habgier, aber das stimmt nicht. Im Gegenteil, mir scheint, wir sind überall von Liebe umgeben. Oft ist sie weder besonders glanzvoll noch spektakulär, aber sie ist immer da. Väter und Söhne, Mütter und Töchter, Ehepaare, frisch Verliebte, alte Freunde.
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Als die Flugzeuge ins World Trade Center flogen, gab es unter den Anrufen der Menschen an Bord meines Wissens nach keine Hass- oder Rachebotschaften, es waren alle Botschaften der Liebe. Ich glaube, wer darauf achtet, wird feststellen können, dass Liebe tatsächlich überall zu finden ist.
„Mama, fühl mal, mein Herz schlägt ganz doll“, hat er auf dem Weg zum Flughafen noch zu seiner Mutter gesagt. Immer wieder schauen beide rüber zum anderen Terminal, weil nicht ganz klar ist, wo Justin herauskommen wird. Als der endlich durch die Milchglastür und in die Ankunftshalle tritt, drückt Noah das Schild, das er eben noch hochgehalten hat, seiner Mutter in die Hand und rennt in die Arme seines Vaters. Der nimmt ihn hoch, drückt ihn fest an sich – es sieht aus, als wollten sich beide am liebsten nicht mehr loslassen.
Vor Weihnachten muss Papa Justin aber noch einmal zurück nach England. Doch pünktlich zum Weihnachtsfest kommt er wieder – dann auch mit Noahs Schwester im Gepäck.
Als die drei sich umarmen, ist nur ein Knäuel aus langen Haaren, dunkelbraunen und rot-blonden, zu sehen. Die rot-blonden Haare gehören Martha (4) und Mathilda (7), die dunklen ihrer Mutter. Endlich wieder zusammen.
Eine Dreiviertelstunde vorher: Die beiden Mädchen stehen mit ihrem Vater Raphael in der Ankunftshalle des Flughafens und warten. Katharina, Mutter und Ehefrau, war eine Woche lang auf Dienstreise in den USA und soll an diesem Nachmittag wieder heimkommen. Mathilda hat in der Schule am Morgen extra bunte Armbändchen geflochten, als Willkommensgeschenk für ihre Mutter. Der Flug über München, wo Katharina umsteigen musste, ist längst gelandet, aber sie kommt und kommt nicht.
Vielleicht der Koffer, vielleicht der Zoll, Raphael hat noch kein Update von seiner Frau bekommen. Die Mädchen halten sich trotz der langen Wartezeit tapfer. „Meine Frau weiß, dass wir kommen – am Hauptbahnhof ist sie uns schon einmal entwischt, als wir sie überraschen wollten“, sagt er. Dann biegt sie endlich um die Ecke – und alles ist wieder gut.
Mama Patricia hat Tränen in den Augen, auch noch, als sie ihren Sohn schon drei Mal umarmt hat. Fast sechs Monate hat Familie Kehl Sebastian nicht mehr gesehen. Denn er studiert mittlerweile am Comenius-Kolleg in Mettingen, während der Rest der Familie in Mexiko lebt. Fünf Stunden ist er mit dem Zug gefahren, um seine Eltern und Schwester abzuholen.
„Mir fällt das Wort nicht auf Deutsch ein, aber es ist einfach amazing, wieder zusammen zu sein“, sagt Mama Patricia und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Mit „wundervoll“ könnte man ihre Gefühle wohl am besten beschreiben. Wundervoll findet es auch Sebastian, dass seine Familie über Weihnachten bleibt. Der Berg an roten Koffern lässt vermuten, dass es ein längerer Besuch wird.
Nach zehn Tagen auf Pilgerreise in Mekka kehrt Shaheela Baig mit ihren Freundinnen, ihrer Mutter, ihrer Tochter und ihrem Mann zurück nach Köln. „Ich hatte gehofft, dass uns jemand abholt“, erzählt sie, „aber dann hier anzukommen und die Mädels standen mit Blumen da – das war wirklich schön.“ Die Mädels, das sind die Töchter ihrer Freundinnen. Baig und ihre Mutter sind als Erste mit ihren Koffern aus der Ankunftshalle gekommen, während die restliche Gruppe noch auf sich warten lässt. Einer der Ehemänner der Frauen läuft ungeduldig auf und ab. Doch als schließlich alle eintreffen, bildet sich vor Gate 2 ein großes Knäuel aus Umarmungen.
Besonders stolz ist Shaheela Baig auf ihre Mutter: „Sie wollte unbedingt alles allein schaffen – ohne Rollator.“ Das sei ihr auch gelungen, berichtet Baig, die in Hamm lebt, mit einem Lächeln. Die Wiedersehensfreude wird jedoch bald von Abschiedsstimmung abgelöst: Die Mutter reist bald weiter nach Dänemark, der Rest der Gruppe macht sich auf den Weg zurück nach Hamm, Dinslaken und Oberhausen. „Jetzt werden wir uns erstmal drei Wochen nicht sehen. Ist vielleicht auch besser so“, sagt Baig, lacht – und alle wissen, wie ihre Reisebegleiterin es meint.
Als Tina ihre Schwester Nicole sieht, werden ihre Schritte schneller. Kaum ist sie aus dem Sicherheitsbereich heraus, fallen sich die beiden in die Arme. Und nochmal. Und nochmal – als könne Nicole kaum glauben, dass ihre Schwester wieder zurück in Deutschland ist. Ein Jahr lang war Tina in Spanien. Dort hat sie „Work and Travel“ gemacht, auf Biohöfen gearbeitet und sich mit regenerativer Landwirtschaft beschäftigt. „So ein bisschen Öko-Hippie-Krams“, sagt sie lachend.
Für Weihnachten ist sie nun zurück bei ihrer Familie in Haan-Gruiten im Kreis Mettmann. Doch das Wiedersehen hält noch eine Überraschung bereit: Nicole hat ihren Sohn Nero mit zum Flughafen gebracht. Tina wuschelt ihm – wie es sich für eine Tante gehört – durch die Haare: „Du bist so groß geworden!“
Im Januar geht es für Tina wieder zurück nach Spanien. Doch bis dahin genießt sie die gemeinsame Zeit: „Auf einer Skala von eins bis zehn ist die Wiedersehensfreude eine zwölf.“
Jutta springt von ihrem Stuhl in der Ankunftshalle eins auf. Ihre Freundin Heidi ist aus München gelandet. Die beiden fallen sich in die Arme. Einmal im Jahr sehen sie sich, wenn sie sich entweder gegenseitig besuchen oder gemeinsam verreisen.
Dieses Mal stehen vier Tage in Köln an, mit Besuchen auf den verschiedenen Weihnachtsmärkten. „Es hat von Anfang an super funktioniert“, erzählt Jutta. Die beiden kennen sich seit elf Jahren, seit sie sich zufällig im Urlaub in Namibia kennengelernt haben. Heidi ergänzt: „Ich hätte eigentlich woanders untergebracht werden sollen. Es war purer Zufall, dass wir uns eine Hütte geteilt haben.“