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In NRW kommen scharfe Corona-RegelnSo lief Wüsts 2G-Deal mit der FDP

Lesezeit 4 Minuten
Wüst und FDP-CHef Stamp

Wüst (rechts) mit FDP-Chef Joachim Stamp.

Düsseldorf – Die Rede von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst dauerte 28 Minuten. In einer Sondersitzung des Landtags erläuterte der Regierungschef sein Konzept für die künftige Corona-Politik. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), die am Donnerstag mit Noch-Kanzlerin Angela Merkel stattfindet, will er die Umsetzung einer 2G-Regel für die Teilnahme an Freizeitaktivitäten bundesweit durchsetzen. Kinos, Theater und Restaurants sollen danach nur noch von Genesenen und Geimpften besucht werden dürfen. NRW sei weiterhin „vor der Lage“, handle also rechtzeitig, erklärte Wüst.

Thomas Kutschaty, Chef der SPD-Fraktion im Landtag, warf Wüst vor, mit der Entscheidung zu lange gewartet zu haben. „Warum gilt die 2G-Regel nicht ab heute, wie zum Beispiel in Baden-Württemberg?“, fragte der Politiker aus Essen. NRW habe kostbare Zeit verloren, weil Wüst „nicht den Mut und nicht die Kraft“ gehabt hätte, die 2G-Regel rechtzeitig flächendeckend einzuführen. Nun seien in NRW täglich mehr als 7000 Neuinfektionen zu verzeichnen.

Die Ampel-Koalition verhandelt in Berlin

Wüst ist seit 21 Tagen im Amt. Er hatte den Ruf nach einem eigenen Regelwerk in der Corona-Politik zunächst zurückgewiesen. Der Regierungschef schlug stattdessen die Einberufung einer MPK vor, deren Vorsitz er übernommen hat. Es sei für die Akzeptanz von Maßnahmen wichtig, sich auf bundesweite Regeln zu verständigen, erklärte Wüst noch am Montag. Einen Tag später stellte der neue Regierungschef von NRW dann aber doch ein eigenes 2G-Konzept vor. Die Opposition warf Wüst einen Zick-Zack-Kurs vor. Wie kam es zu dem Vorstoß?

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Wüsts Amtszeit startete unter schwierigen Rahmenbedingungen. In Berlin verhandeln SPD, Grüne und FDP über die Bildung einer Ampelkoalition. Erklärtes Ziel der FDP ist, eine neue Corona-Politik durchzusetzen. Lockdowns und andere massive Beschränkungen der Freiheitsrechte sollen künftig nicht mehr möglich sein. Um den Kurswechsel deutlich zu machen, soll die Feststellung der „epidemischen Lage“ nicht mehr verlängert werden.

Die FDP, die in Berlin mit SPD und Grünen regieren will, sitzt in NRW allerdings mit der CDU auf der Regierungsbank. Christof Rasche, Fraktionschef der FDP im Landtag, betont zwar, die „NRW-Koalition sei noch nie die verlängerte Werkbank von Berlin“ gewesen. Aber auch in der NRW-FDP gibt es viele, die eine Rückkehr der restriktiven Corona-Politik unbedingt verhindern wollen.

Neuer Wind in der Staatskanzlei

Bei den Liberalen hat man längst bemerkt, dass mit der Wahl von Wüst zum Ministerpräsidenten ein anderer Wind in der Staatskanzlei weht. Wüst hat nur wenige Monate Zeit, um sich bis zur Landtagswahl am 15. Mai nächsten Jahres im Land bekannt zu machen. „Er will in der Corona-Politik nicht als jemand wahrgenommen werden, der sich vor harten Entscheidungen drückt oder zu spät reagiert“, heißt es in FDP-Kreisen. Wüst setze auf das Image eines Hardliners, nachdem der Öffnungskurs seines Vorgängers Armin Laschet bei der Bundestagswahl nicht gut angekommen sei.

Friktionen in der Koalition

In der vergangenen Woche kam es in der NRW-Koalition dem Vernehmen nach zu ernsthaften Friktionen. Als Wüst sich in den Gesprächen für das 2G-Modell aussprach, hielten die Liberalen dagegen. Der Koalitionsausschuss kam, völlig unüblich, sogar in den Abendstunden zusammen, um die Wogen zu glätten. Am Dienstag stand dann die Kompromisslinie. 2G wird kommen – aber nur im Freizeitbereich. Und für Kinder gilt die liberale Linie: Sie sollen weiterhin Zugang zu allen Aktivitäten haben.

CDU wollte 3G im Handel

Damit hat die FDP aus ihrer Sicht Schlimmeres abgewendet. Denn zugleich wurde festgelegt, dass es keine flächendeckenden Schließungen von Schulen und Kitas mehr geben wird. Auch Handel und Tourismus sollen von der 2G-Regel befreit werden. Der Vorschlag aus Unionskreisen, einen negativen Test zur Voraussetzung für den Einkauf im Supermarkt zu machen, wurde ebenfalls von den Liberalen zurückgewiesen. Dass die Schüler im Unterricht weiterhin keine Masken tragen müssten, sei ebenfalls der FDP zu verdanken, hieß es.

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Wüst und Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp, der zugleich Landesschef der FDP ist, verstehen sich gut. Beide bekräftigen, dass sie die Zusammenarbeit von CDU und FDP auch nach der Landtagswahl fortsetzen wollen. Beim „2G-Kompromiss“ kam der Union wohl zugute, dass Stamp in Corona-Fragen eher zum „Team Vorsicht“ gehört. Die steigenden Infektionszahlen und der Vorwurf der Untätigkeit erhöhten den Handlungsdruck.

NRW reagierte vor Sachsen und Bayern

Mit dem 2G-Konzept haben Wüst und Stamp eine Grundlinie für das künftige Vorgehen in der Pandemie vorgegeben. Die konkrete Ausgestaltung soll aber erst nach der MPK in einer neuen Coronaschutzverordnung erfolgen. Damit sei NRW der Linie, dem Bund-Länder-Treffen nicht vorzugreifen, treu geblieben, hieß es in CDU-Kreisen. NRW führt die verschärften Regeln rechtzeitig ein. In Sachsen etwa sei 2G erst bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 491 zum Tragen gekommen, in Bayern erst bei einem Wert von 348. In NRW lag die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in sieben Tagen am Mittwoch bei 183.

Regierungschef Wüst forderte den designierten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu einer Kurskorrektur in der Corona-Politik auf. „Bei dieser Entwicklung die epidemische Lage auslaufen zu lassen, ist ein Fehler und ein falsches Signal. Noch ist es nicht zu spät, diesen Fehler zu korrigieren“, sagte Wüst. Auch dem künftigen Kanzler würde „kein Zacken aus der Krone brechen, an dieser Stelle umzukehren“.