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Interview mit OB Reker zur Europa-Wahl„Die DNA von Köln ist zutiefst europäisch“

Lesezeit 5 Minuten
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Oberbürgermeisterin Henriette Reker

  1. Henriette Reker hat sich ein Ziel gesetzt: Eine Wahlbeteiligung von 50 bis 60 Prozent bei der Europawahl am 26. Mai.
  2. Damit nicht nur die Rechtspopulisten zur Wahl gehen, sondern auch die große Mehrheit, die Europa wertschätzt.
  3. Dafür hat sie extra eine Aktion ins Leben gerufen.

Frau Reker, warum gehen Sie am 26. Mai wählen?Weil ich bei jeder Wahl wählen gehe. Und weil für mich Europa etwas ganz Besonderes ist. Europa ist in meinem Leben der Garant für Frieden und für Freiheit. Europa gibt uns unheimlich viele Chancen. Und es stützt den Wohlstand, den wir haben.

Wann haben Sie Europa zum ersten Mal greifbar erlebt – woran können Sie sich erinnern?

Meine Eltern haben sich im Krieg kennengelernt und nach vier Tagen geheiratet. Und ich bin elf Jahre nach Kriegsende geboren. Da sah Köln noch anders aus. Und meine Eltern und Großeltern erzählten vom Krieg – aber auch davon, dass durch die Gründung der Europäischen Gemeinschaft die Hoffnung aufkam, dass es solche Zeiten nicht mehr geben wird. Das hat sich ja zumindest bis heute bewahrheitet. So bin ich an Europa gekommen.

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Und wie erleben Sie Europa heute?

Ich schätze natürlich die Reisefreiheit sehr – und die Möglichkeit, in einem anderen Land zu arbeiten, was ich selbst nie getan habe. Und ich sehe an meinem Ehemann, der ja Australier ist, wie kompliziert für ihn manche Dinge sind.

Die EU gilt vielen Bürgern als intransparent, als eine Art Bürokratiemonster. Wie ließe sich dieser Eindruck denn ändern aus Ihrer Sicht?

Ganz schwierig an Europa ist ja, dass die Beschlüsse einstimmig sein müssen. Außerdem glaube ich, dass man die Geschichten positiv erzählen muss. Man darf nicht davon sprechen, wie viel Grad Krümmung die Banane haben darf, man muss vielmehr davon sprechen, wie hoch die Standards bei der Lebensmittelkontrolle sind.

Pulse of Europe

Die europafreundliche "Pulse of Europe" hält in deutschen Städten Kundgebungen ab.

Auch die europaweiten Bildungsprojekte wie etwa Erasmus – deren Bedeutung kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Außerdem müssen wir uns doch klar machen, dass wir in Zukunft als Nationalstaaten überhaupt keine Chance hätten, gegen die USA, China oder Indien wirtschaftlich zu bestehen.

Die EU muss weiblicher werden

Wenn man so auf die europäische Politik schaut, ist die immer noch sehr männerlastig. Müssten nicht mehr Frauen in Entscheidungsämter?

Ja, die EU muss weiblicher werden. Es gibt inzwischen ja ganz tolle Frauen in der EU-Kommission. Aber es dürften ruhig noch mehr werden.

Sie haben die „Köln-Challenge“ angestoßen und wollen die höchste Wahlbeteiligung in Deutschland erzielen. Ist das machbar.

Ja, das schaffen wir. Und wir werben weiter bis zur Wahl: Jeden Tag um fünf vor zwölf spielt das Glockenspiel am Rathausturm die Europahymne. Und an diesem Sonntag gibt es die große Europa-Demonstration in der Stadt. Ich setzte auf die Kölnerinnen und Kölner, dass Sie am 26. Mai ein Zeichen setzen für Europa.

Was wäre denn für Sie ein gutes Ergebnis bei der Wahlbeteiligung?

Über 50 Prozent sollten es schon sein, noch lieber wäre mir über 60 Prozent.

Das ist ein hohes Ziel.

Ich habe immer hohe Ziele. Die höchste Wahlbeteiligung lag bei der Europawahl vor fünf Jahren bei 66 Prozent. Wir lagen damals mit rund 53 Prozent immerhin fünf Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt. Ich habe aber letzte Woche einen Brief geschrieben an alle Oberbürgermeister der großen Städte in Deutschland, dass sie sich anschließen sollen.

Gibt es ein Thema, das Ihnen Sorgen macht, wenn Sie an Europa denken?

Ja, es macht mir Sorge, dass es immer noch keine Einigung gibt über Quoten bei den Flüchtlingen. Selbst wenn Städte wie etwa unsere Partnerstadt Barcelona oder auch wir aufnahmebereit sind – es sind die Nationalstaaten, die das nicht wollen.

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Und das wird auf Dauer nur funktionieren, wenn es in Europa Absprachen gibt. Allein mit Abschottung ist das Problem nicht zu lösen.

Was wäre denn das Worst-Case-Szenario bei der Wahl?

Das wäre eine Wahlbeteiligung, die den rechtspopulistischen Parteien einen sehr großen Einfluss im Europäischen Parlament geben würde. Manchmal ist man ja erschreckt über die Ergebnisse für solche Parteien, die in anderen Ländern zu Stande kommen.

Aber mit diesem Erstarken der rechtspopulistischen Parteien muss man ja rechnen.

Und genau deswegen brauchen wir ja eine hohe Wahlbeteiligung. Damit nicht nur die Rechtspopulisten zur Wahl gehen, sondern auch die große Mehrheit, die Europa wertschätzt.

Gibt es bei aller Leidenschaft, mit der Sie für Europa werben, auch Dinge, die Sie lieber noch selber entscheiden würden hier in Köln?

Klar, Dinge wie die europaweite Vergabe bei Aufträgen oder Anschaffungen sind oft schon kompliziert für uns. Aber das muss man wahrscheinlich einfach in Kauf nehmen. Auch die Grenzwerte bei den Dieselabgasen sind ja europaweit einheitlich festgesetzt. Nur müssten sich dann auch alle dran halten.

Was verbindet Köln mit Europa?

Die DNA. Köln ist ja zutiefst europäisch. Als römische Stadt hat Köln die Stadtrechte bekommen. Die Franzosen waren hier und haben viel von ihrer Lebensart hier gelassen. Es ist wirklich ein Schmelztiegel der Nationen geworden.

Muss sich Köln als europäische Stadt besser positionieren?

Das Bessere ist immer des Guten Feind. Klar kann sich Köln noch besser positionieren. Dass wir etwa mit unserer Exzellenz-Universität so großartige Forschungsmöglichkeiten haben, ist für uns völlig normal. Und die Kölner neigen dazu, sich immer wieder mit Städten zu vergleichen, die gar nicht zu ihnen passen. Mit Städten, die vielleicht ein paar hunderttausend Einwohner haben. Dort ist es ja auch schön, es hat aber mit uns gar nichts zu tun. Sie vergleichen sich aber nie mit anderen Millionenstädten. Diese Haltung, wirklich auch Metropole sein zu wollen – daran fehlt es noch so ein bisschen.