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Jahresempfang der Kölner KatholikenDreikönige im Sunnesching

Lesezeit 4 Minuten
Dreikönigsempfang 1

Stadtdechant Robert Kleine (r.) mit der Kölner OB Henriette Reker und Gregor Stiels vom Kölner Katholikenausschuss

Köln – Wenn Stadtdechant Robert Kleine am 9. Mai „ein gutes neues Jahr“ wünscht, dann ist das – verkehrte Welt oder aber Ausdruck des Wunsches nach Rückkehr in die Normalität nach Corona.

Zweimal musste der traditionelle Neujahrsempfang des Stadtdekanats und des Kölner Katholikenausschusses wegen der Pandemie ausfallen. Jetzt wurde er im „Garten der Religionen“ des Sozialverbands „In Via“ in der Kölner Südstadt nachgeholt: Dreikönige im Sunnesching.

OB Henriette Reker unter den Gästen

Vor zahlreichen Gästen aus der Stadtgesellschaft und der Politik – unter ihnen Oberbürgermeisterin Henriette Reker, NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP), der Kölner Sozialdezernent Harald Rau und CDU-Chef Bernd Petelkau – probten Kleine und Gregor Stiels, Vorsitzender des Katholikenausschusses, den Spagat zwischen innerkirchlicher Krisendiagnostik und katholischer Aufmerksamkeit für die großen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Tage.

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Dreikönigsempfang 2 Gebauer

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) mit dem Kölner City-Pfarrer Dominik Meiering 

Ohne Kardinal Rainer Woelki namentlich zu nennen, beklagte Kleine eine „enorme Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise“ im Erzbistum Köln. Die Strahlkraft des Evangeliums werde „zurzeit leider verdunkelt – und zwar aus der Kirche heraus“. Demgegenüber klängen die jüngsten Rufe nach Kirchenreformen, die aus dem Erzbistum an den Papst gerichtet werden, mit der Überwindung eines monarchischen Selbstverständnisses zugunsten einer Kirche von der Basis her „schon mal nicht schlecht, oder besser gesagt: sogar gut“, befand Kleine.

Katholikenausschuss beklagt Stillstand im Erzbistum

Stiels wurde in seiner kritischen Rückschau auf die vergangenen zwei Jahre noch deutlicher. Fehlendes Vertrauen sei der Grund, „warum wir seit Jahren in diesem Bistum nicht weiterkommen. Der Glaube daran, „dass mit unserem Kardinal der dringend notwendige Kulturwandel gelingen kann“, sei bei ihm kaum vorhanden, sagte Stiels und kritisierte, dass der Diözesanpastoralrat als wichtigstes Beratergremium im Erzbistum schon viel zu lange um die Frage kreise, „ob und wie wir mit Kardinal Woelki weiterarbeiten können“. Das sei angesichts drängender Themen in der Welt, im Erzbistum und in der Stadt „kaum noch vermittelbar“.

Dreikönigsempfang 3 Steinhäuser

Weihbischof Rolf Steinhäuser mit Hannelore Bartscherer, der ehemaligen Vorsitzenden des Kölner Katholikenausschusses

Stiels ging hier – wie zuvor schon Kleine – insbesondere auf den Ukraine-Krieg und seine Folgen ein. Der Stadtdechant sicherte der Stadt die Partnerschaft der katholischen Kirche bei der Hilfe und der Unterstützung für die Flüchtlinge zu. Er lobte OB Reker für ihre klaren Worte gegen pro-russische Autokorsos am vergangenen Sonntag und zitierte zustimmend Rekers Satz, wer mit den Angriffskrieg einer Diktatur gegen eine Demokratie in Europa billige oder unterstütze, müsse mit der Gegenwehr der Kölnerinnen und Kölner rechnen. Stiels vermisste auf der anderen Seite in der Debatte über militärische Hilfen für die Ukraine „die deutlich vernehmbare Stimme der Kirche, die alternative Wege und Möglichkeiten aufzeigt und sich für diese stark macht“.

OB Reker dankt Helfern der Ukraine-Flüchtlinge

Reker dankte ihrerseits allen Privatpersonen, Initiativen und Institutionen für deren Einsatz zugunsten der Geflüchteten. Sie habe die Träger der Wohlfahrtspflege – „alles meine alten Kumpel“ – ausdrücklich um ihre weitere Unterstützung gebeten. Verständnis zeigte die OB für die Besserstellung ukrainischer Flüchtlinge im Vergleich mit Menschen aus anderen Krisengebieten. „Nachbarn werden eben anders behandelt“, sagte sie zur Erklärung und fügte hinzu: „Die Ukrainerinnen und Ukrainer kämpfen auch für unsere Rechte, sie führen Krieg auch für uns.“ So werde das zumindest von vielen Menschen in Deutschland empfunden.

Als Indiz für wachsende soziale Herausforderungen nannte Reker die Tafeln für Bedürftige, die vor immer größeren Versorgungsproblemen stünden: „Sie haben weniger, und es wird mehr gebraucht.“ Die OB appellierte an Lebensmittelproduzenten und Einzelhändler, die Tafeln auch weiterhin und jetzt umso großzügiger zu unterstützen.

Seitenhieb auf neues Stadt-Logo ohne Domtürme

Mit einem eher beiläufigen Seitenhieb auf das erneuerte Stadt-Logo ohne die stilisierten Domtürme traf Kleine einen Nerv seiner Zuhörerinnen und Zuhörer, speziell aber der OB. Erst versuchte es Reker mit dem „beruhigenden“ Hinweis, dass im Stadtwappen doch nach wie vor die heiligen drei Könige mit ihren Kronen vorkämen. „Und das Wappen ist das Hoheitszeichen.“

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Als dieses Argument erkennbar nicht recht fruchtete, berichtete Reker von einem Besuch in Rio de Janeiro. Dort komme das Logo der Stadt auch ohne deren bekannteste Sehenswürdigkeit aus, die monumentale Statue des „Cristo Redentor“ auf dem Berg Corcovado. „Aber ich merke schon, ich kann nicht alle überzeugen“, versetzte sie auf leise Unmutsbekundungen. Und: „Man darf unterschiedliche Meinungen haben.“ Mit dieser Ermächtigung zur Toleranz von oben war der milde Abend im lauschigen Garten der Religionen dann doch noch gerettet.