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Verkauf abgelehntBezirksvertretung fordert Erbbaurecht statt Verkauf der Hallen Kalk

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Eingang in die Hallen Kalk

Eingang in die Hallen Kalk

Politiker fordern eine Vergabe nach Erbbaurecht. Dezernent Stefan Charles rät angesichts der Haushaltslage zum Abschied von Kulturromantik.

Die sehr persönliche Betroffenheit von Denis Badorf war nicht zu überhören. „Ich bin hier aufgewachsen. Ich habe als Kind vor den Hallen Kalk Fußball gespielt. Wenn es die nicht mehr gibt, reißt man dem Veedel das Herz heraus“, erklärte der Bezirksvertreter der Linken während der jüngsten Sitzung des Stadtteilparlaments.

„Die Art und Weise, wie man bis jetzt mit diesen Hallen umgeht, ist eine unfassbare Respektlosigkeit vor der Lebensleistung der Menschen, die hier wohnen und dort Jahrzehnte geschuftet haben.“

Fassade der Hallen Kalk

Fassade der Hallen Kalk

Europaweite Markterkundung für Kalker Hallen 75 bis 77

Kulturdezernent Stefan Charles war zu Gast in der Kalker Bezirksvertretung, um zum Tagesordnungspunkt „Weiteres Vorgehen Hallen Kalk (Halle 75–77)“ Rede und vor allem Antwort zu stehen. Denn was er zu sagen hatte, stand ja schon in der Verwaltungsvorlage, über die die Kalker Bezirksvertreter als erstes politisches Gremium diskutierten. Die Verwaltung schlägt vor, dass sie einen Projektentwickler sucht, der die Hallen 75 bis 77 kauft oder nach Erbbaurecht übernimmt und stadtentwicklungspolitisch sinnvoll nutzt.

Dazu soll es eine europaweite Markterkundung geben, um zu ermitteln, welche Nutzungen zu welchen finanziellen Konditionen am Markt platziert werden können. Auf diese Weise soll ein erfolgreiches Vergabeverfahren ermöglicht werden. Sollte sich jemand melden, der Interesse an den Hallen hat, entscheidet der Rat.

Die Art und Weise, wie man bis jetzt mit diesen Hallen umgeht, ist eine unfassbare Respektlosigkeit vor der Lebensleistung der Menschen, die hier wohnen und dort Jahrzehnte geschuftet haben
Denis Badorf, Bezirksvertreter in Kalk

Bezirksbürgermeisterin Claudia Grewen-Thürmer bedauerte zu Beginn der Aussprache mit Charles, dass niemand von der städtischen Gebäudewirtschaft zugegen sei. Die sei schließlich dafür verantwortlich, dass man jahrelang beim „Zerbröseln der Hallen“ zugeschaut habe. Charles berichtete von Ideen für den Erhalt der Hallen oder zumindest der Verlangsamung der Schäden wie die Einhausung. Das alles sei aber mit Kosten in Höhe von 46 bis 90 Millionen Euro verbunden. Das Fazit aller Prüfungen: „Die Stadt kann die Instandhaltung der Hallen und deren anschließenden Betrieb nicht finanzieren.“

Die heruntergekommene Fassade der Hallen Kalk.

Die heruntergekommene Fassade der Hallen Kalk.

Optimistisch stimmt Charles, dass bei der Markterkundung keinerlei Vorgaben gemacht werden, was die spätere Nutzung angeht. Der Dezernent erinnerte daran, dass andere Teile der Hallen Kalk bereits „toll“ kulturell bespielt würden. Im Sommer habe es Veranstaltungen auf dem Osthof gegeben. „Das sind doch gute Nachrichten.“

Auch der Verweis auf ein Leuchtturmprojekt durfte nicht fehlen. Das Domid – Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland, das in der benachbarten Halle 70 an der Dillenburger Straße entstehen soll. Die Stadt hat dem Domid-Verein bereits das Erbbaurecht über 99 Jahre für die Halle übertragen. Das Domid werde bundesweit Strahlkraft entwickeln und den Standort Kalk stärken.

BV Kalk reagiert skeptisch auf Konzept des Kulturdezernenten

„Wir haben lange über Kalk geredet. Wir haben lange geplant. Jetzt sollten wir umsetzen, was realistisch ist“, warb Charles für Pragmatismus angesichts der desolaten städtischen Haushaltslage. Jetzt gelte es, die Kräfte zu bündeln. Die Initiativen auf dem Osthof würden aus dem Dezernat nach Kräften unterstützt. Sie seien zarte Pflanzen, die es behutsam zu wässern gelte. Geplant sei, dass schon bald Räume in den Hallen für die Aktivisten zur Verfügung gestellt würden.

Die Kalker Bezirksvertreter reagierten erwartbar skeptisch. „Bei uns stößt Ihr Konzept auf keine Gegenliebe“, erklärte Michael Robyns, Vorsitzender der SPD-Fraktion. „Wir haben immer wieder nach einem Nutzungskonzept gefragt. Es kam nie was. Stattdessen hat die Verwaltung nach zehn Jahren festgestellt, dass die Hallen marode sind. Das kommt mir vor wie passive Sterbehilfe.“ Als hätte die Verwaltung auf den Einsturz gewartet.

Die SPD-Fraktion werde einem Verkauf der Hallen „niemals“ zustimmen. Für sie käme höchstens ein Erbbaurecht infrage, bei dem die Stadt Eigentümerin bleibe. „Was passiert eigentlich, wenn die Markterkundung erfolglos bleibt? Gibt es einen Plan B?“, fragte der Fraktionsvorsitzende. Charles gab sich optimistisch: „Wenn wir wüssten, dass wir niemanden finden, würden wir die Markterkundung nicht machen.“

Teile der Hallen 75, 76 und 77 stünden unter Denkmalschutz. Ein Abriss, so der Dezernent, sei eine Option, wenn gesichert sei, dass eine wirtschaftliche Nutzung nicht möglich sei. Denis Badorf hatte eine Idee: „Würde sich die Lage eigentlich grundlegend ändern, wenn wir die Hallen Oper Kalk nennen? Wäre die Verwaltung dann bereit, hier nicht auf ganzer Linie zu versagen?“

Keine Fantasie für Neubauten

Charles empfahl, sich von einer sogenannten „Kulturromantik“ zu verabschieden. Die Hallen seien toll und er wünsche sich eine kulturelle Nutzung, schließlich sei er Kulturdezernent. „Aber im Moment fehlt sogar mir die Fantasie für neue Kulturbauten.“

Die Bezirksvertretung beschloss gegen die Grünen, Badorf und Aaron von Kruederer, die Hallen nicht zu verkaufen, sondern nur nach Erbbaurecht zu vergeben. Und es bleibt eine Erkenntnis, die Heinz-Peter Fischer von den Linken formuliert hat: „Das linksrheinische Köln, das diese Stadt prägt, mit seinen Händlern und Beamten, versteht das rechtsrheinische ehedem industrielle Köln nicht.“