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Blindgänger am Krankenhaus?Köln steht aufwendigste Evakuierung seit Kriegsende bevor

Lesezeit 3 Minuten
Das Klinikum Merheim in Köln und die LVR Klinik in Merheim

Das Klinikum Merheim (rechter Bildrand) und die LVR-Klinik (Psychiatrie) in der Bildmitte

Auf dem Klinikgelände in Köln-Merheim liegen möglicherweise mehrere Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg.

Köln steht in zwei Wochen größte Bomben-Evakuierung seit Ende des Zweiten Weltkriegs bevor – jedenfalls gemessen am planerischen Aufwand. Im äußersten Fall müssten am Freitag, 11. Oktober, nicht nur Tausende Anwohnerinnen und Anwohner rund um das Klinikum in Merheim ihre Häuser während der Entschärfung mehrerer Blindgänger verlassen. Betroffen wären auch die Patientinnen, die Patienten und das Personal des Krankenhauses, der angebundenen Rehanova-Klinik und der LVR-Klinik sowie die Bewohner und Bewohnerinnen eines großen Seniorenwohnheims. Auch Schulen und Kitas könnten im Evakuierungsradius liegen.

Die Vorbereitungen des Ordnungsamts, des Klinikums, der Feuerwehr, der Rettungsorganisationen und der Polizei laufen längst auf Hochtouren. Dabei wird sich erst noch herausstellen, ob tatsächlich eine Evakuierung nötig sein wird – und wenn ja, in welchem Umfang.

Köln: Evakuierung des Klinikums Merheim in Vorbereitung

Im Zuge der Bauplanungen für den neuen Gesundheitscampus am Klinikum Merheim hat die Stadt in den vergangenen Monaten das gesamte, bislang noch unbebaute Gelände vom Kampfmittelbeseitigungsdienst (KBD) untersuchen lassen. Das Ergebnis: An gleich mehreren Stellen im Boden haben die Experten anhand von Luftbildauswertungen aus dem Zweiten Weltkrieg sowie konkreten Messungen vor Ort „verdächtige Strukturen“ geortet. Diese befinden sich teilweise in mehreren Metern Tiefe. Dabei könne es sich um Bombenblindgänger und kleinere Kampfmittel wie Munition oder Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg handeln, teilte Stadtsprecher Robert Baumanns mit.

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Am 9. Oktober werden Mitarbeiter des KBD und einer Kampfmittelräumfirma die Verdachtspunkte mit Baggern und Handschaufeln einzeln aufgraben und untersuchen. Erst dann wisse man, „was sich konkret im Boden befindet“, sagte Baumanns.

Im besten Fall passiert dann: nichts. Häufig stellen sich „Bomben-Verdachtspunkte“ als harmloser Metallschrott heraus oder als Reste eines unterirdischen Stahlbauwerks. In Riehl entpuppte sich erst im April ein vermeintlicher Blindgänger beim Aufgraben als Überbleibsel einer Treppe. Mit einer eher hohen Wahrscheinlichkeit sind für Merheim allerdings tatsächlich mehrere Blindgänger zu erwarten. Denn das Gelände diente den Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg als Kaserne und Flugplatz, der mehrfach von den Alliierten bombardiert wurde. Noch heute zeugen alte Barackenbauten, die inzwischen von der Klinik genutzt werden, von dem ehemaligen Fliegerhorst Köln-Ostheim.

Köln: Klinikgelände war Fliegerhorst im Zweiten Weltkrieg

Sollten am 9. Oktober eine oder sogar mehrere zündfähige Bomben gefunden werden, liefe die vorbereitete Evakuierung an. Voraussichtlich am Donnerstag, 10. Oktober, würde die Räumung der Klinik beginnen. Die Patientinnen und Patienten würden vorübergehend in andere Kölner Krankenhäuser verlegt. Sorgsam geplant wird dabei vor allem die Betreuung von Patienten mit besonders kritischem Gesundheitszustand, Merheim ist ein Spezialstandort für die Behandlung von Schwerstverbrannten, Lungenerkrankungen und Schlaganfallpatienten.

Am Freitagmorgen, 11. Oktober, dem letzten Schultag vor den Herbstferien, wären dann die Anwohner an der Reihe. Der genaue Radius, innerhalb dessen Menschen ihre Häuser verlassen müssten, wird erst nach den Aufgrabungen am 9. Oktober festgelegt, teilt die Stadt mit. Betroffen wären im äußersten Fall ungefähr 5000 Haushalte. Die Stadt will am 9. Oktober eine Karte mit dem genauen Evakuierungsradius veröffentlichen. Bereits in den kommenden Tagen sollen alle potenziell betroffenen Anwohner in Merheim und Neubrück ein Rundschreiben mit weiteren Informationen per Post erhalten.

Man bitte die Menschen, „sich bereits im Vorfeld zu überlegen, wo sie sich im Evakuierungsfall aufhalten können“, sagt Stadtsprecher Baumanns. In der Aula der Gesamtschule Holweide wird am 11. Oktober vormittags eine Anlaufstelle eingerichtet. Läuft alles wie geplant, sollen die Entschärfungen am selben Abend abgeschlossen sein.

Weitere Infos zu den geplanten Maßnahmen gibt es beim Bürgertelefon unter der Rufnummer 115 oder als Frage-Antwort-Katalog im Internet unter www.stadt-koeln.de/kampfmittel.