Köln – Seit Monaten steht Kardinal Rainer Woelki wegen der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals im Erzbistum Köln in der Kritik. Viele Katholikinnen und Katholiken haben ihrer Kirche den Rücken gekehrt. Dem Papst hat der Erzbischof schon vor langem seinen Rücktritt angeboten, doch Franziskus lässt sich Zeit mit der Entscheidung. Vor einigen Tagen traf Woelki mit dem Papst in Rom zusammen. Nach seiner Rückkehr sprach der „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit dem Kardinal – im Garten des Erzbischöflichen Hauses.
Herr Kardinal, vor wenigen Tagen hat Papst Franziskus 20 neue Kardinäle ernannt. Sie waren in Rom dabei. Wie geht es denn jetzt mit dem Kardinal von Köln weiter?
Woelki: Hoffentlich gut. Der Papst und ich haben einander herzlich begrüßt. Es gab ein kurzes Gespräch. Er hat gefragt, wie es mir geht. Aber was Sie bei Ihrer Frage interessiert…
… hat dabei keine Rolle gespielt. Ich wollte den Papst in keiner Weise bedrängen. Er hätte die Möglichkeit gehabt, mir dazu in unserer Begegnung etwas zu sagen oder mich zu bitten, bei ihm vorbeizukommen. Das ist nicht passiert. Also gehe ich davon aus, dass er in seiner Entscheidungsfindung noch nicht so weit ist, um jetzt mit mir darüber sprechen zu können.
Was erwarten Sie jetzt?
Stand der Dinge ist das, was der Papst jüngst in Interviews gesagt hat.
Ein Satz lautete: Unter Druck könne man nicht entscheiden. Das heißt doch: Je größer der Druck, desto günstiger für Sie.
Ich weiß es nicht. Als Jesuit wird der Papst die Situation gewiss immer wieder neu bedenken, abwägen und ins Gebet bringen.
Finden Sie eigentlich, er sollte Sie weitermachen lassen?
Das ist nicht meine Entscheidung. Ich habe den Rücktritt angeboten. Jetzt ist der Papst am Zug.
Viele Menschen im Erzbistum sagen: Es geht nicht mehr. „Es besteht die Gefahr, dass Sie uns alle verlieren“, hieß es jüngst in einem Schreiben Ihrer eigenen Mitarbeitervertretung. Und Zehntausende Katholikinnen und Katholiken haben Sie schon verloren. Sehen Sie bei den massenhaften Kirchenaustritten einen „Woelki-Effekt“?
Natürlich sind viele auch meinetwegen ausgetreten – wegen meiner Art der Aufarbeitung des Missbrauchs, wegen meiner Positionierung in kirchlichen Fragen. Das sind die einen. Es gibt aber jede Menge andere, die sagen: Genau deshalb sind wir eingetreten. Oder: Ihretwegen bleiben wir in der Kirche. Wir sind froh und dankbar, dass Sie da sind, und wir beten für Sie.
Gleichgewichtig sind diese beiden Gruppen aber sicher nicht.
Das vermag ich nicht zu sagen. Ich höre aber immer, auch viele Priester des Erzbistums stünden hinter mir, wollten sich aber nicht äußern, weil sie Sorge haben, dann öffentlich angegangen zu werden.
Wie fühlen Sie sich persönlich in dieser Gemengelage? Und warum tun Sie sich das überhaupt noch an?
Antun? Weil ich weiter fest davon überzeugt bin, dass wir gute Arbeit gemacht haben. In der Aufarbeitung des Missbrauchs etwa haben wir – bei allen Schwierigkeiten – Maßstäbe gesetzt. Auch in Vermögensfragen – Stichworte: Compliance, Kontrolle – sind wir gut aufgestellt. Die Neustrukturierung der pastoralen Räume ist auf dem Weg, neue Formen von Gemeindeleitung eingeschlossen, was dazu dienen soll, dass Kirche vor Ort erfahrbar und erlebbar wird. Und wir müssen schauen, das Generalvikariat so zu organisieren, dass wir eine schlanke, wirklich zeitgemäße Verwaltung bekommen, die noch zweckdienlicher ist mit Blick auf die Gemeinden.
„Ich kämpfe für Jesus Christus”
Wenn Sie alle diese vielen Projekte auf ihren Kern konzentrieren sollten: Wofür kämpfen Sie?
Für Jesus Christus. Und für seine Kirche. (Pause) Und wenn Sie es doch noch etwas ausführlicher wollen: Ich kämpfe natürlich für meine Überzeugungen, und ich möchte dafür gehen, dass das Evangelium, das ich für die beste Botschaft der Welt halte, unter die Menschen kommt.
Ihre „Auszeit“ sollte die Lage im Erzbistum befrieden. Kein halbes Jahr später sagt der Chef der Laienvertretung, es sei alles nur noch schlimmer geworden. Wie sehen Sie das?
Ich kann das aus meiner Erfahrung heraus nicht teilen und will das auch nicht unwidersprochen stehen lassen.
14 von 15 Stadt- und Kreisdechanten haben Ihnen im Grunde das Misstrauen ausgesprochen.
Nein, das haben sie nicht. Sie haben einen Brief nach Rom geschrieben, aber danach haben sie sich in der Weise nicht wieder gemeldet.
Die Stadtdechanten der vier größten Städte im Erzbistum haben sich zuletzt erneut öffentlich positioniert.
Ich werbe dafür, nicht öffentlich übereinander zu sprechen. Also werde ich jetzt mit Ihnen nicht über meine Stadt- und Kreisdechanten reden. Wir haben im September eine gemeinsame Konferenz. Dort werden wir sicher auch über Formen der öffentlichen Kommunikation sprechen, die wir sonst aus dem politischen und gesellschaftlichen Raum kennen. Ich finde es schwierig, dass das jetzt einfach so auch auf die Kirche übertragen wird.
„Ich muss mich zuerst und vor allem vor Gott verantworten”
Kirche ist Teil der Gesellschaft. In keiner anderen Institution oder Organisation wäre eine so lang andauernde, schwere Führungskrise denkbar ohne personelle Konsequenzen. Ist das nicht Hinweis auf einen Fehler im System, dass Sie sich nämlich in Ihrer Führungsverantwortung vor keinem Wahlvolk verantworten müssen, vor keiner Mitgliederversammlung, keinen Aktionären oder vor sonst jemandem?
Ich muss mich zuerst und vor allem vor Gott verantworten. Zum zweiten vor meinem Gewissen. Das sind für mich die entscheidenden Instanzen. Dann muss ich mich sicher in gewisser Weise auch dem Papst gegenüber verantworten – und auch vor den Gremien und den Menschen im Erzbistum. Wenn ich dann frage, was jemand denn konkret an mir auszusetzen habe, bekomme ich immer wieder die Antwort: Das ist jetzt einfach so.
Ein paar konkrete Punkte hätten wir schon auch noch.
Das ist in Ordnung. Dennoch habe ich den Eindruck, dass wir uns kirchlich selbst in eine Hyper-Hysterisierung hineinmanövriert haben. Und bevor Sie jetzt als nächstes fragen, ob ich in einer Blase lebe: Nein, das glaube ich nicht. Nur: Wenn mir Menschen aus den eigenen Reihen sagen, ihre Loyalität zeige sich darin, dass sie mich öffentlich kritisieren, dann finde ich das – schwierig. Würde ich genauso handeln, wären sie die ersten, die sich dagegen verwahren.
Offene Kritik und freimütige Gegenrede – das kennzeichnete doch schon den Streit zwischen den Aposteln Paulus und Petrus. Darüber müssten Sie doch froh sein.
Wenn wir schon beim heiligen Paulus sind, dann sollten wir auch das Wort des Apostels festhalten, dass Gott gerade das Schwache, Unvollkommene, Gebrochene erwählt und seine Macht gerade im scheinbar Ohnmächtigen zur Geltung bringt. Ohne dass ich das jetzt vollumfänglich auf mich anwenden will, möchte ich doch an dieses biblische Paradoxon apostolischen Wirkens erinnern, das so ganz und gar quer zu den Machtverhältnissen dieser Welt steht. Insofern haben wir in Köln tatsächlich eine gut paulinische Situation.
Sie wollten bei der Aufklärung des Missbrauchs auch persönlich für möglichst große Klarheit, Transparenz und Entschiedenheit sorgen. Jetzt kommt heraus, dass der Fall des wohl prominentesten Missbrauchstäters aus dem Erzbistum, des ehemaligen „Sternsinger“-Präsidenten Winfried Pilz, über Jahre völlig an Ihnen vorbeigegangen ist, obwohl er seit Jahre über die Flure geisterte. Wie kann das sein?
In meiner Wahrnehmung geistert der Name Pilz erst seit Kurzem über die Flure. In all den Jahren zuvor hat er keine Rolle gespielt. Der Vorgang war 2014 unter Kardinal Meisner abgeschlossen. Zu keinem Zeitpunkt danach ist jemand zu mir gekommen, der mir gesagt hätte, dass Handlungsbedarf bestünde. Deshalb habe ich wahrheitsgemäß versichert, dass ich erst Ende Juni mit dem Fall befasst worden bin.
Nämlich wie?
Am Freitag, dem 24. Juni, erhielt ich in meiner Corona-Quarantäne eine Mail des damaligen Generalvikars Markus Hofmann. Er habe vergessen, mir in unserem Jour fixe zu sagen, dass es am folgenden Wochenende zum Fall Pilz ein sogenanntes Proclamandum geben werde.
Eine Kanzelerklärung, in der das Erzbistum über die Vorwürfe informiert und etwaige weitere Betroffene gebeten hat, sich zu melden.
Ja. Die zweite Information erhielt ich dann am Morgen des 27. Juni. An diesem Tag hätte ich mit einem mutmaßlich Betroffenen im Fall Pilz ein Gespräch gehabt, um das der Mann gebeten hatte. Dieser Termin ist im Mai von meinem Büro vereinbart worden, so wie das von jedem anderen Vorzimmer dieser Welt auch geregelt worden wäre. Am fraglichen Morgen war ein Mitarbeiter der Interventionsstelle 20 Minuten vor dem Gespräch bei mir, um mich darauf vorzubereiten. Der Betroffene kam dann aber nicht, weil er dachte, ich sei noch immer durch Corona an dem Treffen gehindert.
Schon auf dem Weg zu Pilz’ Beerdigung 2019 erhielten leitende Geistliche im Auftrag Ihres damaligen Generalvikars Markus Hofmann die Instruktion, sich tunlichst jeder Würdigung des Verstorbenen zu enthalten. Grund: ein Missbrauchsvorwurf. Auch davon wollen Sie nichts gewusst haben?
Ich war damals in Urlaub. Und nein, nichts davon hat mich erreicht. Im Übrigen existieren zu dem angeblichen Auftrag des Generalvikars deutlich voneinander abweichende Darstellungen. Der ehemalige Generalvikar Markus Hofmann hat jedenfalls sehr deutlich dementiert, dass er zur Beerdigung von Pilz irgendeine Handlungsanweisung gegeben hat.
Das klingt alles sehr nach dem „Ministerdilemma“: Wenn ein Minister über gravierende Fehler seines Hauses Bescheid wusste und das herauskommt, hat er ein Problem. Wenn er nicht Bescheid wusste, hat er aber auch ein Problem. Die Nichtmeldung des Falls Pilz an dessen Wohnbistum Dresden-Meißen war eine klare Verletzung der Dienstpflichten. Sie sind der zuständige Ortsbischof. Gibt es nicht irgendwann den Punkt, wo Ihre institutionelle Verantwortung greift?
Natürlich gibt einen solchen Punkt. Aber Sie wollen ja eine ehrliche Antwort von mir: Die Nicht-Meldung nach Dresden 2012 war ein Versäumnis. Die Akten im Fall Pilz wurden für die 2018 veröffentlichte bundesweite MHG-Studie in die Hand genommen, dann noch einmal für unsere eigenen Missbrauchsgutachten. Warum niemand darauf kam, dass der Fall nach Dresden hätte gemeldet werden müssen, das kann ich Ihnen nicht sagen.
„Natürlich machen wir Fehler, ich mache Fehler - jeden Tag”
Spricht mindestens für Fehler im System.
Die hat das Gercke-Gutachten ja nun auch klar und deutlich benannt. Gercke spricht von einem System der …
… wir schreiben gelegentlich von „organisierter Verantwortungslosigkeit“.
Ja, genau: Einer hat sich auf den anderen verlassen. Das ist sicher ein großes Problem gewesen. Und deswegen sage ich: Wir müssen an Strukturen, Verfahrensweisen und Informationswege herangehen, Aufsicht einbauen, Compliance etablieren. Da haben wir viel nachzuholen. Und was die Fehler betrifft: Natürlich machen wir Fehler, ich mache Fehler – jeden Tag. Aber ich habe immer versucht, sehr aufrichtig und sehr ehrlich der Kirche und dem Erzbistum Köln zu dienen, den sexuellen Missbrauch aufzuarbeiten und dafür Sorge zu tragen, dass solche schrecklichen Verbrechen in der Kirche nicht wieder geschehen können.
Sind Sie dafür noch der Richtige?
Aber meine Herren: Ohne mich hätte es all das, was wir schon erreicht haben, doch gar nicht gegeben! Und ohne Kollegenschelte betreiben zu wollen: Sie lesen doch alle Zeitung und wissen, was in anderen Diözesen los ist. In Köln sind wir vorangegangen und haben sicher viel Lehrgeld bezahlt. Man könnte sagen: Andere haben geredet, wir haben gehandelt.
Wir wollen ja wissen, warum Sie sich nicht fragen, ob ein Wechsel besser wäre – für das Erzbistum, für die Kirche und deren „fruchtbares Wirken“, wie das im Kirchenjargon gern heißt. So etwas muss sich doch jede Führungsperson in jedem Unternehmen fragen.
Ich bin aber kein CEO oder Politiker. Ich bin Bischof der katholischen Kirche. Was das heißt, wissen Sie, Herr Frank, als Theologe sicher so gut wie ich. Jedenfalls kann ich als Bischof – im Gegensatz etwa zu früheren Bundespräsidenten oder anderen Spitzenpolitikern – eben nicht einfach hingehen und sagen: Ich trete zurück und mache Platz für jemand anderen.
Weil darüber der Papst befinden muss, ja. Aber keine Macht dieser Welt und nicht einmal der Papst könnte Sie zum Weitermachen zwingen, wenn Sie nur entschlossen genug sagten, „ich will nicht einfach mehr, und ich tu’s auch nicht mehr.“
Noch nicht einmal ein Pfarrer kann von sich aus zurücktreten, wenn nicht der jeweilige Bischof oder Erzbischof den Amtsverzicht annimmt. So ist es analog auch bei uns Bischöfen. Insofern tickt das System Kirche anders.
Okay, das haben auch wir mittlerweile verstanden. Also: Kann der Mensch und Bischof Rainer Woelki in diesem Amt seiner Kirche noch helfen?
Ich sage es noch einmal. Auch wenn es für Sie vielleicht schwer vorstellbar ist: Es gibt sehr, sehr viele Menschen, die dafür dankbar sind, dass ich da bin und ihren Weg in der Kirche mit mir gehen wollen. Es gibt auch die anderen, ja. Aber das ist eine Realität, von der ich glaube, dass sie sich in vielen Bistümern ganz ähnlich darstellt. Ich verwahre mich jedenfalls dagegen, ich sei ein „Hirte ohne Volk“, wie das gelegentlich geschrieben und gesagt wird. Ich kann das bei Weitem nicht erkennen.
Sie haben das in Ihrem Beitrag so vermengt, als hätte das eine mit dem anderen zu tun gehabt. Das waren aber zwei verschiedene Vorgänge und zwei verschiedene Papiere.
Die Abläufe waren sachlich und chronologisch sauber voneinander getrennt. Das können Sie jederzeit nachlesen.
Es ist aber ein anderer Eindruck entstanden, und deshalb sind die Emotionen jetzt so hochgegangen. Ich habe mir damals, im November 2020, keine Gedanken über mein „Überleben“ gemacht. Ich hatte öffentlich schon so viel Prügel bezogen. Die Zeit bis zum Erscheinen des Gercke-Gutachtens im März 2021 hätte ich schon auch noch durchgestanden.
Ein Ex-Mitglied des Betroffenenbeirats hat erklärt, sich im Nachhinein wie ein „dressierter Schimpanse“ zu fühlen, den Sie durch die Manege gezogen haben. Trifft Sie das?
Das ist eine sehr emotionale Frage. Natürlich trifft mich das, und vor allem tut es mir leid für denjenigen, der das so erlebt hat. Fakt ist – oder zumindest stellt es sich mir so dar: Wir mussten uns 2020 zu dieser furchtbaren Entscheidung durchringen, das Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl nicht zu veröffentlichen, weil wir das rechtlich für nicht machbar hielten. Das war der Super-GAU. Natürlich dachten wir: Wie kann das kommuniziert werden, und zwar so schnell, dass es nicht schon vorher öffentlich wird? Plötzlich sagt einer: Halt, Stopp! Die Betroffenen dürfen das auf gar keinen Fall aus der Zeitung erfahren. Also haben wir den Beirat kurzfristig eingeladen.
Mit einer nebulösen Tagesordnung.
Weil wir die Dinge vor der gemeinsamen Sitzung nicht genauer beim Namen nennen konnten. Sonst wäre das doch auch ich weiß nicht wo gelandet. Die Sitzung haben wir natürlich gut vorbereitet, weil wir wussten, wie sehr die Betroffenen auf das Erscheinen des ersten Gutachtens gehofft hatten, und weil wir ihren Rat ernst nehmen wollten.
So ernst, dass es auf gar keinen Fall zu einer Ablehnung des Gutachterwechsels kommen durfte. Stattdessen ist exakt Ihr „Wunschszenario“ eingetreten, wie im PR-Papier beschrieben: Ja zum Gutachterwechsel mit klarem öffentlichem Rückhalt des Beirats.
Das war unser Wunsch, ja. Dazu stehe ich. Aber ich stehe auch dafür: Hätte der Beirat verlangt, das WSW-Gutachten zu veröffentlichen, dann hätten wir neu nachdenken und eine Güterabwägung treffen müssen: hier der Wunsch der Betroffenen, dort die Warnung der Juristen. Was hätte im Letzten schwerer gewogen?
„Ich habe den Beirat nicht dorthin getrieben und die Mitglieder nicht manipuliert”
Eine rein hypothetische Frage!
Natürlich bin ich froh und dankbar, dass wir sie nicht beantworten mussten. Natürlich ist das gut gelaufen. Aber ich habe den Beirat nicht dorthin getrieben und die Mitglieder nicht manipuliert.
Und warum haben Sie jetzt nicht selbst Stellung zu den PR-Papieren genommen, wie eine ganze Reihe leitender Geistlicher gefordert hatte, sondern Ihren neuen Generalvikar vorgeschickt, der mit der ganzen Sache von damals nichts zu tun hatte?
Genau deswegen. Generalvikar Guido Assmann hatte hier überhaupt keine Aktien und konnte sich folglich als Unbeteiligter völlig unvoreingenommen ein Bild machen. Außerdem finde ich es von den Zuständigkeiten her sehr angebracht, dass die Information der Mitarbeitenden durch den Generalvikar erfolgt ist.
Es ist Anfang September. In diesem Monat wollten Sie mitteilen, ob es für die „Kölner Hochschule für Katholische Theologie“ (KHKT) eine gesicherte Finanzierung gibt. Wie ist der Stand?
Seit längerem lautet der Auftrag an die Geschäftsführerin der KHKT, einen mittelfristigen Finanzplan vorzulegen. Tatsächlich haben wir im September eine Stiftungsratssitzung. Bis dahin wird der Auftrag, wie ich hoffe, erfüllt sein.
Steht Ihre Zusage: Kein Geld aus der Kirchensteuer für den laufenden Betrieb der KHKT?
In den Protokollen zum Projekt KHKT, in das alle Gremien von Anfang an einbezogen waren, ist zu lesen, dass „zunächst“ keine Kirchensteuermittel eingesetzt würden. Ich habe nie gesagt, wir werden nie Kirchensteuermittel nutzen, auch wenn das jetzt von interessierter Seite gern behauptet wird.
Wer braucht denn überhaupt noch eine weitere theologische Hochschule?
Bildung ist mir wichtig. Und in Bildung sollten wir investieren. Das tun wir auf den verschiedenen Feldern, etwa mit dem Bildungscampus Kalk, wo wir dezidiert junge Menschen aus sozialen Randgruppen im Blick haben. Auch die KHKT ist Teil dieses Engagements für Bildung. Sie ist im Übrigen keine „Woelki-Hochschule“, wie Sie gern schreiben, sondern setzt eine fast 100-jährige Tradition fort – mit mehr als 1000 Priestern und vielen Hundert Laien, die dort ein interkulturell ausgerichtetes Ausbildungsprofil vorgefunden haben, das es so nirgends sonst in Deutschland gibt.
Das Vorläufer-Institut, die Hochschule der Steyler Missionare in Sankt Augustin, hatte dieses missionswissenschaftliche Profil. Davon ist bei der KHKT praktisch nichts mehr übrig.
Es sind nach wie Dozenten der Steyler Missionare dort tätig. Ich gehe davon aus, dass deren Schwerpunkte an der KHKT eine Zukunft haben. Wir sind doch alle für Pluralität und Vielfalt. Und wenn Studierende sich für Exzellenz entscheiden, wie es immer heißt, dann braucht sich keine theologische Fakultät, wo immer sie sein mag, Sorgen zu machen, dass ihr der Nachwuchs ausgeht.
Sie schicken die Kölner Priesteramtskandidaten weiter an die theologische Fakultät der Uni Bonn, auf die Sie hier anspielen?
Die werden jetzt alle in Bonn beginnen.
Sie sollen aber nach Ihrem Willen künftig im Priesterseminar in Köln wohnen.
Wo ist das Problem? Jeder Studierende hat heute ein Semesterticket. Sie brauchen mit der Bahn eine halbe Stunde von Köln nach Bonn. Das dortige Collegium Albertinum, wo unsere Theologiestudenten bisher wohnen, ist komplett marode. Eine Kernsanierung würde 20, 30 Millionen Euro kosten. Das Geld dafür haben wir eigentlich nicht. Aber es ist hier noch keine Entscheidung getroffen.
Ihre Amtseinführung liegt jetzt fast genau acht Jahre zurück. Sie wurden in Köln mit offenen Armen und Herzen empfangen. Viele Menschen, nicht nur Katholikinnen und Katholiken, setzten große Hoffnungen in Sie. Was ist falsch gelaufen, dass diese positive Stimmung so dramatisch gekippt ist?
Damals waren viele überzogene Erwartungen, Wunschträume oder Projektionen im Spiel, die sich auf mich gerichtet haben. Trotzdem war es wirklich schön, und es ist schade, dass sich das geändert hat. Ich wäre gern mit dieser Aufbruchstimmung weitergegangen. In der Flüchtlingskrise haben viele Menschen angesichts unserer Positionierung gesagt, „jetzt weiß ich wieder, warum ich in der Kirche bin“. Wäre das so geblieben, hätte uns das sicher alle weiter beflügelt. Aber dann war es tatsächlich das Thema Missbrauch, das zu einem großen Bruch führte. Diese schrecklichen Verbrechen, das ist mir sehr deutlich geworden, haben wie eine Krake alles und jeden in den Würgegriff genommen. Damit hätte ich so nie gerechnet.