Zu wenig Sicherheitskräfte, lasche Kontrollen. Der Kölner Jurist Markus Ogorek bewertet den Sessionsauftakt. Er erklärt, welche weiteren Maßnahmen möglich sind – und welche nicht.
Kölner Jurist über den 11.11.Warum ein Festival im Grüngürtel kaum möglich ist
- Markus Ogorek ist seit 2020 Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Universität zu Köln.
- Er ist Experte für Gefahrenabwehr im öffentlichen Raum.
Hat die Stadt am 11.11. ihre volle Handlungskompetenz ausgeschöpft?
Ogorek: Die Stadt hat meines Erachtens im Tatsächlichen versagt, also: Sie hat einfach nicht genug Ressourcen eingesetzt. In den vergangenen Tagen wurde sehr viel über die Frage gestritten, welche rechtlichen Kompetenzen die Stadt habe. Diese Diskussion zu Pauschalverboten geht an den eigentlichen Problemen vorbei. Einer Stadtverwaltung, die in enger Kooperation mit der Polizei diese riesige Veranstaltung betreut, stehen zahllose Möglichkeiten zur Verfügung. So kann sie auch mehr Bereiche absperren und den Zugang von einer Kontrolle abhängig machen, wie es etwa im Zülpicher Viertel der Fall war. Glasflaschenverbote galten dort ebenfalls bereits.
Was war dann das Problem?
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Dass diese Kontrollen vielfach nur lasch durchgeführt wurden, es Durchbrüche in abgesperrte Bereiche gab und die Ordner in Teilen entweder nicht richtig ausgebildet waren oder es schlichtweg mehr polizeilicher Unterstützung bedurft hätte. Dass Punkte, die erfahrungsgemäß immer wieder von Störern betroffen sind, nicht durch Ordnungsamt und Polizei enger betreut wurden, war ein vorhersehbares Versagen. Darunter fallen unter anderem der Südbahnhof sowie die Ringstrecken der KVB, die beide bereits ab dem frühen Nachmittag gesperrt bzw. durch herbeigeholte Polizeieinheiten gesichert werden mussten.
Es sei daran erinnert, dass die Stadt mit dem Karneval viele Einnahmen generiert und auch vor diesem Hintergrund nicht die Verantwortung dafür abtreten kann, genügend qualifiziertes Personal bereitzuhalten – nötigenfalls durch externe Kräfte und die Polizei.
Welcher Spielraum könnte noch vorhanden sein, was Sperrungen, Flaschenverbote oder Alkoholverkaufsverbote angeht?
Sperrungen dergestalt, dass an den Eingängen bestimmter Quartiere und Plätze Kontrollen stattfinden, sind sicherlich auch an weiteren Bereichen Kölns vorstellbar – etwa rund um den Universitätscampus und den Aachener Weiher. Die mit diesen Kontrollen einhergehenden Glasflaschenverbote könnten auch für diese Bereiche angeordnet werden. Noch einmal: Es kommt dann aber darauf an, diese auch wirklich effektiv zu kontrollieren.
Die vollständige Abriegelung von Teilen der Stadt wäre hingegen nur bei einer konkreten Gefahr möglich, zum Beispiel bei einer sehr hohen Überfüllung mit der Gefahr von Massenpaniken. Solche Sperren sind aber immer nur operative Maßnahmen und strategisch ungeeignet, Feiernde zu lenken, da mit ihnen lediglich Verdrängungseffekte in andere, schlimmstenfalls überhaupt nicht kontrollierte Gebiete einhergehen.
Ogorek über Alkoholverbote und ein Festival im Grüngürtel
Die Stadt argumentiert oft, dass schärfere Regelungen nur auf Landesebene getroffen werden könnten. Stimmt das?
Was Alkoholverkaufsverbote anbelangt, kann die Stadt tatsächlich nur begrenzt handeln. Da es keine spezielle gesetzliche Regelung des Landtags gibt, steht der Stadt nur allgemeines Ordnungsrecht zur Verfügung. An das Vorliegen einer zum Erlass erforderlichen „abstrakten Gefahr“ stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen. Die Gerichte gehen davon aus, dass bloßer Konsum von Alkohol keine „abstrakte Gefahr“ begründet. Nur wenn im Einzelfall ausnahmsweise hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Konsum von Alkohol regelmäßig und typischerweise zum Eintritt von Schäden (etwa Gewaltdelikten) führt, kann die Stadt für eine Veranstaltung wie den Kölner Karneval ein Verkaufsverbot anordnen.
Ob die – freilich vorhandenen – Straftaten vom 11.11. hierfür angesichts vieler Tausend friedlicher Besucher ausreichen, ist höchst fraglich. Wenn Köln und Düsseldorf daher den Landtag auffordern, eine eigene gesetzliche Grundlage für Alkoholverkaufsverbote bei Großveranstaltungen mit geringeren Hürden aufzustellen, kann ich ihr Anliegen gut verstehen.
Was halten Sie von dem Vorschlag, zur Entlastung der Zülpicher Straße eine Art „Festival“ im Grüngürtel stattfinden zu lassen? Der Grüngürtel ist Landschaftsschutzgebiet.
Der Umfang verbotener Tätigkeiten in Landschaftsschutzgebiet hängt stark von den mit der Errichtung verbundenen Zwecken ab. Nach dem für Köln geltenden Landschaftsplan soll unter anderem verhindert werden, „ungenehmigte Veranstaltungen aller Art durchzuführen und Aufbauten zu deren Zweck zu errichten“ sowie „das Erzeugen von Lärm und Musik“. Das Verbot umfasst private und gewerbliche Veranstaltungen, insbesondere auch Partys. Als zulässige Ausnahmen sieht der Plan nur Veranstaltungen im Sinne von Artikel 8 des Grundgesetzes (Versammlungsfreiheit) vor.
„Entzerrungsangebot würde wenig Anklang finden“
Klingt unwahrscheinlich.
Bei einem Festival im Grüngürtel würde diese Ausnahme nicht gelten. Übrig bliebe, eine Befreiung oder Ausnahmegenehmigung zu erwirken. Dafür müsste aber gewährleistet sein, dass das Landschaftsschutzgebiet nicht beeinträchtigt wird – oder dass das Allgemeinwohl ausnahmsweise vorgeht. Für eine große Feierlichkeit, bei der regelmäßig viel Lärm sowie Verschmutzungen entstehen, dürften hier kaum Erfolgsaussichten bestehen. Dass natürlich auch ohne Genehmigung am 11.11. zahllose Menschen im Inneren Grüngürtel feiern, ist freilich eine Tatsache.
Ist die bessere Alternative also eine Entzerrung des Angebots, zum Beispiel hin zur Deutzer Werft?
Mit Blick auf die Sicherheit ist eine höchstmögliche Entzerrung großer Menschenansammlungen immer sinnvoll. Allerdings entspricht es gerade dem Wesen von Großveranstaltungen, dass ihre Besucher möglichst zentrale, möglichst volle und damit (vermeintlich) möglichst lebendige Plätze aufsuchen. Insbesondere im Kölner Karneval gibt es tradierte Muster, welche Orte aufgesucht werden – etwa das Zülpicher und das Belgische Viertel sowie Alter Markt und Heumarkt. Erfahrungsgemäß lassen sich Personengruppen nur dann an andere Orte lenken, wenn diese entweder besonders zentral oder attraktiv sind.
Da ersteres nicht ersichtlich ist, käme es darauf an, zum Beispiel an der Deutzer Werft hochattraktive Angebote zu schaffen. Welche dies sein sollen, bleibt allerdings fraglich. Ein Entzerrungsangebot würde daher voraussichtlich wenig Anklang finden.