Erstmals startete der Rosenmontagszug in Deutz: Die Deutzer Brücke mit Dom-Panorama schien aber nicht der beliebteste Ort am Zugrand zu sein.
„Hier zieht’s!“Wenig Publikum und viele Selfies – So war der Rosenmontagszug auf der Deutzer Brücke
Das Panorama: einmalig. Die Stimmung: lauwarm. So könnte das Fazit zum ersten Rosenmontagszug auf der Deutzer Brücke in Kurzfassung aussehen. Ganz so schnell ist es natürlich nicht erzählt. Und ganz so einleuchtend ist es so wohl auch noch nicht. Also von vorn.
Beinahe gähnende Leere auf der Deutzer Brücke
Es ist kurz vor 10 Uhr morgens, rund eine halbe Stunde, bevor der Rosenmontagszug die Deutzer Brücke erreichen soll. Gerade macht er sich am Ottoplatz auf den Weg. Doch während sich in der Innenstadt oder der Südstadt die Jecken schon Stunden vor dem Eintreffen der Zugspitze die besten Plätze am Wegesrand sichern, herrscht auf der Deutzer Brücke beinahe gähnende Leere.
Nur vereinzelt haben sich Jecken im Mittelteil der Brücke mit Blick auf den Dom aufgestellt. Und das, obwohl Petrus es mit Köln mal wieder gut meint: Oft bricht die Sonne sich ihren Weg durch die Wolken, es ist durchgehend trocken. Von hier und da ist aber vor allem ein Ausruf zu hören: „Hier zieht's!“
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Am Wegrand stehen Sabine Sansone im Ringelshirt und mit Mottoschal und Hexe Andrea. „Da kommen gleich noch mehr Leute, da bin ich mir sicher“, sagt Sansone. „Und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm; wir stehen hier gut!“, ergänzt Andrea.
Viele Gruppen werfen auf der Brücke nichts
Gut steht man auf der Deutzer Brücke fürwahr im Sinne von: nah dran. An wohl kaum einem anderen Ort am Zugweg haben die Pänz so gute Chance auf Kamelle. Denn auf der Deutzer Brücke stehen die Menschen vielerorts maximal in drei Reihen. Wer laut genug „Kamelle“ oder „Strüßjer“ ruft, der wird verlässlich belohnt.
Bei einigen Gruppen hat aber die Angst davor, Kamelle verbotenerweise in den Rhein zu werfen, offensichtlich für übergroße Vorsicht gesorgt. Einige Kinder- und Tanzgruppen, aber auch einige größere Wagen, werfen auf der gesamten Deutzer Brücke nichts. Entschuldigende Worte gehen in Richtung der Jecken: „Wir dürfen auf der Brücke nichts werfen!“, ruft eine junge Frau.
Das verwundert, denn eine reale Gefahr, Bonbons und Schokolade im Wasser zu versenken, besteht nicht. Selbst, wenn die großen Traditionskorps mit vollen Händen von ihren Wagen herunterwerfen, landet nichts vor dem vorsorglich angebrachten Absperrgitter. Die Jecken und Pänz heben zudem alles brav auf - vielleicht gibt es also auch keinen saubereren Ort am Zugrand als die Deutzer Brücke. Im Rhein gelandet ist zumindest nichts.
Einbindung der Schäl Sick als Herzensprojekt
Gegen 10.40 Uhr fährt Zugleiter Holger Kirsch über die Deutzer Brücke. Ein kleines Tränchen im Auge ist zu erkennen - die Einbindung von der Schäl Sick in den Rosenmontagszug ist sein Herzensprojekt. Ein kleines Stoßgebet wird Kirsch wohl abgesendet haben. Denn der Zugweg funktioniert im Sonnenschein natürlich erheblich besser als bei Nieselregen wie am Tag zuvor bei den Schull- un Veedelszöch.
Das Panorama also: einmalig. „Dafür sind wir hierhin gekommen“, berichten Heike Brauckmann und Sabine Frey am Zugrand. „Wir schauen den Rosenmontagszug sonst immer in der Mohrenstraße, aber da läuft er ja dieses Jahr gar nicht lang“, sagt Brauckmann. „Aber die Aussicht hier ist fantastisch!“, ergänzt Frey.
Daher fotografieren am Zugrand nicht nur die Jecken fleißig - sondern vor allem die Zugteilnehmer. Wer will schon kein Selfie von sich als Teil des Rosenmontagszugs mit dem Dom im Hintergrund haben? Und so wird sich in Gruppen zusammengestellt, die Mariechen hochgehoben, selbst die Pferde in die richtige Richtung dirigiert, für den perfekten Schnappschuss auf der Deutzer Brücke. Und die Aussicht von den Wagen aus dürfte sich in die Netzhäute der Glücklichen einbrennen, die darauf mitfahren dürfen.
Das viel beschworene "Geföhl" will nicht aufkommen
Ob es nun das Gepose vor dem Dom ist, das den Zug so aufhält, ist ungewiss. Ordentlich Verzögerung sammelt er auf seinem Weg über den Rhein aber allemal. Erst um 16.15 Uhr biegt Prinz Boris I., als traditioneller Abschluss des Zuges, auf die Deutzer Brücke ein. Um die Bilder, die dabei entstehen, dürfte ihn wohl jeder bisherige Prinz beneiden.
Dabei wirken auch Tanzgruppen, die Prunkwagen und die Mottowagen so beeindruckend wie wohl an kaum einem anderen Ort im Laufe des 8,5 Kilometer langen Weges. Doch hundertprozentig will das in Köln immer beschworene „Jeföhl“ nicht aufkommen. Vielleicht liegt es an der geringeren Jeckenzahl am Wegesrand, vielleicht daran, dass sich auf der Deutzer Brücke auch viele Touristinnen und Touristen eingefunden haben, die schon mal „Rosen“ statt „Strüßjer“ rufen. Die Entschuldigung: „Wir sind aus Hamburg!“
Die Atmosphäre kann nicht mit einer der vollgepackten Tribünen, wie am Alter Markt, oder den sich drängenden Jecken an der Severinstraße mithalten. Mehrfach rufen Zugteilnehmende „Stimmung!“ an den Wegesrand. Ab dem Mittag ist es dort etwas voller, womöglich sind einige vom bereits abgesperrten Severinsviertel auf die Brücke ausgewichen. Dass die Stimmung kein Deutz-typisches Problem ist, zeigt die Euphorie auf der Deutzer Freiheit.
Vielleicht ist es auf der Brücke also einfach zu zugig. Selbst bei strahlendem Sonnenschein. Vielleicht müssen die Jecken sich erst an den anderen Zugweg gewöhnen - sollte er jemals wiederkommen. Bilder für die Ewigkeit hat die Deutzer Brücke jedenfalls geliefert. Und vielleicht war es das damit schon wert.